Am Ufer der Müritz sammeln sich die Kraniche. Ein kräftiger Herbstwind bläst über den großen Binnensee in Mecklenburg. Es ist Mitte Oktober. Karl Nietz fährt ein letztes Mal zu seinen Bienen. Der ehemalige Tierarzt aus Waren ist Hobbyimker. Wie die meisten Imker in Deutschland. 20 Bienenvölker hat er in seinem grünen Wanderwagen am Ufer der Müritz stehen. Inmitten großer Felder.
Das Bienenjahr 2007 geht zu Ende. Es war ein gutes Jahr für die deutschen Imker. Anders als in den USA, wo im vergangenen Frühjahr massenhaft Bienen starben. Sie waren einfach weg. Spurlos verschwunden. Mehr als ein Viertel von 2,4 Millionen Bienenvölkern. In einigen Bundesstaaten fehlten fast 70 Prozent der Bienen zur Bestäubung. Auch in Deutschland sterben die Bienen. Immer wieder in regelmäßigen Abständen. Und jetzt drohen wieder große Verluste.
"Das leise Sterben
Warum die Bienen spurlos verschwinden
Von Maren Schibilsky."
Imker Karl Nietz öffnet einen Bienenkasten. Mit süßlichem Pfeifenrauch besänftigt er die Tiere. Mitte Oktober bereiten sich die Bienen auf den Winter vor. Sie fliegen nicht mehr aus, haben aufgehört zu brüten, sammeln sich zu einer Wintertraube. Nietz:
"Persönlich hatte ich nie Totalverluste oder solche großen Verluste, dass ich mit der Honigproduktion einen großen Ausfall hatte. Ich hatte auch bis zu 20 Prozent Völkerverluste mal. Zehn Prozent betrachte ich als normal."
Seit 1980 ist Karl Nietz Imker. Er redet nicht gern über Bienenverluste. Die gab es schon immer. Warum jetzt so ein Wirbel darum gemacht wird, versteht er nicht.
"Bei den Bienenverlusten, bei den Völkerverlusten sollte man auch immer daran denken, dass auch Imker Fehler machen in der Völkerführung. Es gibt Völker, die verhungern."
Vor vier Jahren, als auch in Deutschland die Bienenvölker reihenweise starben, kam er glimpflich davon. Trotzdem hat er sich damals gemeldet, als für ein deutschlandweites Bienenmonitoring Imker gesucht wurden. Drei Mal im Jahr bekommt Karl Nietz jetzt Besuch von Marion Schröder. Sie arbeitet am Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf bei Berlin und betreut einen Teil der Imker im Monitoring.
"Wir nehmen erstmal die Proben, fangen dann mit der Volksstärkeeinschätzung an. Nehmen dann Bienenproben und Futterproben."
Die Bienen von Karl Nietz gehen in den Winter. Offiziell beginnt jetzt das neue Bienenjahr und damit eine Zeit, in der sich viel für seine Bienenvölker entscheidet. Nietz:
"Wichtig ist, dass es Jungbienen sind, dass es sich nicht nur um alte Bienen handelt. Dass die Bienen nicht geschädigt sind. Wir gucken jetzt, ob sie stark sind die Völker, schätzen das ein. Es ist wichtig, dass sie gut und stark in den Winter gehen mit vielen Jungbienen. Das ist wesentlich."
Der Winter ist für Bienen eine harte Zeit. Drei bis vier Monate müssen sie in einer Traube überdauern und in ihrer Mitte die Königin wärmen. Reichen die Futtervorräte nicht oder erkranken Tiere, stirbt meist das ganze Volk. Genau 100 Bienen pro Volk nimmt Marion Schröder als Probe. Mit bloßen Händen fährt die geübte Bienenwirtschaftlerin über die Waben und drückt die Bienen in ein Plastikröhrchen. Außerdem sammelt sie pro Volk einen Esslöffel Futter aus den Waben. Jedes Detail, jede Auffälligkeit, die Nietz bei seinen Völkern bemerkt hat, wird protokolliert und später in ihrem Labor ausgewertet.
Das Länderinstitut für Bienenkunde ist eins von acht Instituten im deutschen Bienenmonitoringprogramm. Nach großen Bienenverlusten in Deutschland im Frühjahr 2003 wurde das Monitoring gestartet, mit 1000 Bienenvölkern und dem Ziel, die genauen Ursachen des Bienensterbens über einen langen Zeitraum umfassend zu erforschen. Ein weltweit einmaliges Projekt. Elke Genersch:
"Es gab auch bei den Völkerverlusten in der Vergangenheit immer wieder Erklärungsansätze. Dass es aus der Wetterlage des Jahres davor ersichtlich war, dass es eine schlechte Trachtsituation war oder dass der Winter lang und kalt war. Oder dass direkt Krankheiten verantwortlich gemacht werden konnten."
Das drittwichtigste deutsche Nutztier gerät immer mehr in Bedrängnis. Davon sind viele Imker überzeugt. Einige behaupten, dass das große Völkersterben zunimmt. Doch beweisen ließ sich das nicht. Genersch:
"Für eine Zunahme gibt es keine Hinweise. Es gibt durchaus Aufzeichnungen, die belegen, dass es das schon vor 100 Jahren gegeben hat. Es hat immer mal Abstände von sieben bis zehn Jahren gegeben. Aber es hat auch schon in der Vergangenheit einen kürzeren Rhythmus gegeben."
Dass jetzt so ein breit angelegtes Monitoring initiiert wurde, liegt zum Teil einfach daran, dass es glücklicherweise ein erhöhtes Interesse an Bienen gibt. Doch das Bienensterben in den USA stellte alles bisher Dagewesene in den Schatten. Die ersten Meldungen trafen im Frühjahr 2007 ein. Amerikanische Imker berichteten, dass ihre Bienen einfach weg waren. Spurlos verschwunden. Nur leere Stöcke blieben zurück, mit Honig und nicht ausgewachsenen Bienen, die langsam verhungerten. Am Schluss fehlten in den USA mehr als 600.000 Bienenvölker. Irgendetwas sei aus dem Gleichgewicht geraten – vermuteten amerikanische Wissenschaftler. Sie gaben dem Massensterben den Namen "Colony Collapse Disorder" - abgekürzt CCD und gründeten eine Sonderarbeitsgruppe zur Aufklärung. In Deutschland dagegen sahen Bienenforscher relativ gelassen nach Übersee.
"Das Phänomen, was die Amerikaner beschreiben, dass Bienen weg sind, ist nicht neu. Es gibt in Deutschland den Begriff ‚Kahlfliegen’ dafür. Bienen sind sehr soziale Insekten und dazu gehört auch, dass sie nicht ihren Stock, ihr Volk als Hospiz ansehen, in das sie zurückkehren, wenn sie sich schlecht fühlen und sich dann zu Tode pflegen lassen. Sondern Bienen fliegen aus und sterben außerhalb. Dieses Phänomen ist ein ganz normales Verhalten für ein zusammenbrechendes Volk."
War das amerikanische Bienensterben ein ganz normaler Vorgang, wie er immer wieder und in allen Teilen der Welt auftritt? Eine existentielle Frage, denn der Mensch lebt von der Biene. Ein Drittel der pflanzlichen Nahrung wächst nur mit ihrer Hilfe: Äpfel, Pflaumen, Paprika, aber auch Raps, Sonnenblumen und Klee sind auf die Bestäubung der Honigsammler angewiesen.
Im Keller des Bieneninstituts lagert Elke Genersch bei minus 70 Grad in einer Tiefkühltruhe die Bienen- und Futterproben. Es ist November 2007. Genersch:
"In dem Projekt versuchen wir eigentlich alle Faktoren zu erfassen. Das heißt, die Volksentwicklung wird erfasst. Die Einwinterungsstärke, die Auswinterungsstärke, auch die Populationsentwicklung das Jahr über. Wir erfassen die Trachtsituation einmal durch Abfragen der Imker. Wir erheben alle Krankheitsdaten, die möglich sind."
Weltweit beobachten Bienenforscher, dass kranke Honigbienen zunehmen. Immer neue Parasiten und Viren tauchen auf. Am Standort Hohen Neuendorf will die Spezialistin für Bienenkrankheiten nun ein Kompetenzzentrum für die Infektionserreger aufbauen. Genersch:
"Natürlich, wenn Bienen aus Australien und Neuseeland eingeführt werden, besteht die Gefahr, dass hier neue Krankheitserreger, neue Parasiten eingeschleppt werden, mit denen unsere Bienen sich noch nie auseinandergesetzt haben und dann natürlich im Erstkontakt zusammenbrechen."
So geschehen in Spanien im Sommer 2005. Ein ungewöhnliches Bienensterben traf die Iberische Halbinsel. Spanische Bienenwissenschaftler machten damals den neuen Darmparasiten "Nosema cerrane" verantwortlich. Eingeschleppt aus Asien löste er bei westlichen Honigbienen starken Durchfall aus. Mittlerweile ist dieser Darmparasit in ganz Zentraleuropa verbreitet.
Karin Hedke zermörsert eine Bienenprobe. Dazu träufelt sie eine helle Flüssigkeit. Die technische Assistentin bereitet im Labor eine Lösung vor. Hedke:
"Zuerst wird die ‚Nosema’-Untersuchung durchgeführt. Danach wird die RNA-Extraktion für die Virusuntersuchung durchgeführt und dann können die Milben ausgezählt werden an den Bienen."
Dieses Jahr wird zum ersten Mal auch nach dem Virus gesucht, den US-Forscher von der New Yorker Columbia University im Spätsommer 2007 gefunden hatten. Ein Infektionserreger, der mit verantwortlich sein soll für das Bienensterben im Frühjahr 2007 in den USA. Sein Name ist "Israeli Acute Paralysis Virus". Elke Genersch ist gespannt, ob das Virus auch in Deutschland verbreitet ist.
"Es ist bisher nicht danach gesucht worden. Das ist ein wichtiger Unterschied. Wer nicht sucht, der findet es nicht. Wir etablieren gerade die Methode und sind gerade dabei, die Proben zu analysieren."
Wahrscheinlich stammt das Virus aus Australien und verbreitete sich über Israel bis in die USA. Genersch:
"Die Amerikaner haben dann auch den Zusammenhang gefunden zwischen Bienenimporten. Seit 2004 gab es dort verstärkte Importe von australischen Bienen, die auch mit diesem Virus infiziert sind, dort aber keine Verluste anrichten."
Dass Australien trotz Virus von großen Bienensterben verschont blieb, liegt wahrscheinlich an der "Varroa-Milbe" - vermutet Elke Genersch. Die Milbe ist ein hartnäckiger Bienenparasit aus Asien. Nach Deutschland kam sie 1977. Mittlerweile beherrscht sie Bienenvölker in der ganzen Welt. Nur Australien ist noch milbenfrei. Das Varroa-Weibchen befällt das ganze Jahr über die Bienenbrut und legt dort Eier ab. Um sich entwickeln zu können, saugen Weibchen und Varroa-Nachkommen Blut aus den Bienenpuppen. Sie schädigen die Jungbienen, machen sie krank. Im Winter beißt sich die 1,6 Millimeter große Milbe auch an erwachsenen Bienen fest, um zu überleben. Für Bienenkrankheiten wirkt sie wie ein Katalysator.
"Die Bienen haben sich eigentlich mit Viren sehr gut arrangieren können in hundert Millionen Jahren Koevolution, haben die beiden ein Auskommen miteinander gefunden. Jetzt kommt die Varroa-Milbe und injiziert quasi die Viren während des Puppenstadiums in das Bienenblut, in die Hämolymphe. Und die Viren bekommen plötzlich völlig andere Möglichkeiten, an andere Organe dran zu kommen und Schäden anzurichten, die vorher so nicht möglich gewesen wären."
Der Varroa-Milbe kommt eine Schlüsselrolle zu. Immer wenn große Völkerverluste in der Welt auftreten, ist die Milbe mit im Spiel. Auch beim letzten Bienensterben in den USA. "Varroa plus Faktor X", diese Hypothese wagt Kaspar Bienefeld. Er leitet das Bieneninstitut in Hohen Neuendorf bei Berlin. Bienefeld:
"Varroa ist immer dabei. Wir konnten bisher in diesem Bienenmonitoring außer Varroa keinen einzigen Faktor richtig als ein Schlüsselfaktor heraus arbeiten. Das heißt aber nicht Varroa alleine. Wir vermuten jetzt, dass es eine Interaktion ist zwischen bestimmten Wetterfaktoren, der Varroa-Milbe und durch die Varroa-Milbe übertragenden Viren. Diese Kombination ist in vielen Fällen dann tödlich."
Es ist Ende Dezember 2007. Seit Wochen sitzt Karin Hedke im Labor und zählt Milben in den Bienenproben des Monitorings. Der Technischen Assistentin brennen die Augen unter der grellen Lampe. Keine Milbe darf sie übersehen. Manchmal verstecken sich die winzigen Parasiten unter den Körpersegmenten der Biene. Inzwischen zeichnet sich ab: Es sind viele Milben. Zu viele. Hedke:
"7,3 Milben pro Biene. Das ist ein enormer Varroa-Befall. Das heißt, wir haben 100 Bienen ausgezählt und haben dort soviel Milben drin gefunden, dass dann bezogen auf die einzelne Biene sieben Milben gefunden worden waren. Sieben Milben pro Biene. Stellen Sie sich das vor."
Elke Genersch befürchtet, dass viele Bienenvölker in Deutschland den Winter nicht überleben werden. Zum ersten Mal lässt sich durch das Bienenmonitoring ein großes Völkersterben im Frühjahr 2008 vorhersagen. Genersch:
"Wir werden mit wesentlich weniger Bienen in das Bienenjahr hineingehen. Wenn 20, 25, 30 Prozent der Bienenvölker in Deutschland fehlen, dann ist das erst mal zu Beginn des Jahres eine Katastrophe."
Die deutschen Bienenwissenschaftler sind beunruhigt. Anfang Januar 2008 geben sie eine Pressemitteilung heraus. Wenig später scheint sich die Prognose zu bestätigen. Im Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf rufen regelmäßig Imker an. Sie berichten über große Verluste. Elke Genersch kennt einen der möglichen Gründe.
"Das liegt einfach daran, dass der letzte Winter so warm war, dass die Bienen den ganzen Winter über gebrütet haben. Dadurch konnten sich die Varroa-Milben selbst im Winter noch vermehren. Die Bienen sind in einem sehr explosionsartig verlaufenen Frühling mit viel zu vielen Varroa-Milben gestartet. Die Bienenpopulation ist explodiert, die Varroa-Population aber auch. Die Bienen hatten die Saison über eine sehr, sehr hohe Varroa-Last."
Ob nur die Varroa-Milbe schuld ist, wird sich zeigen. Elke Genersch wartet noch auf die anderen Daten des Monitorings.
"Wir haben jetzt das erste Jahr, an dem wir testen können, wie gut ist unser Monitoring. Können wir jetzt wirklich anhand der Daten sagen, aufgrund der Trachtsituation, der Wettersituation und so weiter sind genau diese Völker gestorben, dann wissen wir, dass wir mit unserer Einschätzung, dass es die Varroa-Milbe plus andere Faktoren sind, richtig gelegen haben."
Ostbrandenburg. Seelow unweit der Oder. Es ist Mitte Januar. Die Felder kahl, im Schutz einer Hecke stehen auf Paletten holzfarbene Bienenkästen. 600 Völker überwintern hier. Sie gehören Ansgar Westerhoff. Gleich nach der Wende hat der Göttinger Bioimker einen Großteil seiner Bienen in den Osten verlegt. Wegen der großen Felder und der unberührten Natur. Westerhoff:
"Eigentlich sind unsere Völker gut in den Winter gegangen. Jeder Winter ist natürlich ein Risiko für einen Imker. Und für einen Berufsimker ist es auf jeden Fall eine Zeit, wo er doch ein bisschen unsicher ist, wie der Winter verläuft und wie die Bienenvölker auswintern."
Das Jahr 2008 begann schlecht für Ansgar Westerhoff. Neben Ostbrandenburg hat er noch einen zweiten Bienenstandort. In Süddeutschland im Raum Freiburg. Von dort meldeten seine beiden Mitarbeiter bei Jahreswechsel, dass von 200 Bienenvölkern die Hälfte tot sei. Westerhoff:
"Natürlich sind wir entsetzt bei solchen Ergebnissen. Die Bienen waren tot. Sie hatten den Kasten nicht verlassen. Die toten Bienen befanden sich in der Beute. Ist schon ein schockierendes Ergebnis, was man da hat."
Jedes tote Bienenvolk sind 200 bis 300 Euro Verlust. Jetzt schaut Ansgar Westerhoff persönlich in Ostbrandenburg vorbei:
"Es ist schon so, dass der Erfolg in der Imkerei maßgeblich damit zusammen hängt, wie gut man die Varroa-Milbe im Griff hat. Ohne eine regelmäßige Behandlung ist es nicht möglich zu imkern in Deutschland."
Ansgar Westerhoff hat die Zeit vor den Milben nicht mehr kennengelernt. Mit seinen 44 Jahren zählt der ausgebildete Biologe zu den jungen Imkern in Deutschland. Viele haben aufgegeben, als die Varroa-Milbe ins Land kam. Die ganze Imkerei muss inzwischen auf den Bienenparasiten abgestellt werden. Westerhoff:
"Früher konnte man einige Tausend Milben im Volk haben, und die Völker konnten damit leben. Das ist heute überhaupt nicht möglich. Wenn wir heute 1000 Milben hätten, würde das Volk niemals überleben. Früher war das normal. Das heißt, die Milben sind einfach schädlicher als sie früher waren oder übertragen Krankheiten, die es früher in dem Maße nicht gab."
Ansgar Westerhoff schaut vorsichtig in die Bienenkästen. Überall bewegt sich etwas. Am Standort "Ostbrandenburg" haben seine Völker offenbar überlebt. Doch noch ist der Winter nicht zu Ende.
Ursprünglich stammt die Varroa-Milbe aus Asien. Doch dort haben die Honigbienen gelernt, mit ihr zu leben. Durch die geschlossene Wabe hindurch erkennen die Bienen die Varroa-Milbe. Mit ihren Mundwerkzeugen öffnen sie die Wabe und töten die befallene Brut. Damit stirbt auch die Milbe.
"Die westliche Honigbiene steht erst seit kurzer Zeit mit dieser Milbe in Kontakt. Konnte noch nicht diese Fähigkeiten entwickeln, während die asiatische Honigbiene seit vielen Jahrtausenden mit dem Problem fertig werden muss. Hier haben sich die Resistenzen entwickelt. Wir warten darauf noch bei unserer Honigbiene."
Kaspar Bienefeld will die Wartezeit verkürzen, die Anpassung der westlichen Honigbiene beschleunigen. Dazu verhalf ihm eine wichtige Entdeckung, die bereits vor Jahrzehnten am Bieneninstitut in Bonn gemacht wurde. Auch die westliche Honigbiene hat einige wenige Spezialisten im Volk, die geschädigte Bienenbrut erkennen können und ausräumen. Seit 1996 sucht Kaspar Bienefeld gezielt in Bienenvölkern nach diesen Spezialisten. Dafür hat er eine besondere Fahndungsmethode entwickelt.
"Wir infizieren einzelne Zellen mit Varroa-Milben. Dann markieren wir ungefähr 2000 Bienen individuell mit einem Plättchen, mit einer Nummer und geben diese Beobachtungswaben in eine Einheit, die ausgestattet ist mit einer Infrarotkamera."
Fred Zautke sitzt im Keller des Bieneninstituts an einem Überwachungsmonitor. Er kontrolliert Videobänder aus dem Sommer. Die Infrarotkamera hatte rund um die Uhr das Geschehen im Bienenstock festgehalten. Jetzt beobachtet Fred Zautke das Gewimmel an den Brutwaben. Verdunkelt sich der Hintergrund, zeigt die neue Bildsoftware an, dass eine Biene eine Wabe öffnet und die Brut ausräumt. Zautke:
"In der Regel ist es so, dass eine bestimmte Biene ein kleines Loch in diese Zelle bohrt und nachfolgende Bienen wissen, aha, hier ist etwas nicht in Ordnung. Wenn der Zelldeckel geöffnet ist, wie bei dieser Zelle, wird teilweise der Kopf und dann der Rumpf aufgefressen und der Rest aus der Zelle rausgezogen."
Unzählige Stunden hat Fred Zautke vor dem Monitor verbracht, um diese Spezialisten zu finden. Es sind Arbeitsbienen. Um sie gezielt zu vermehren, müssen Bienenforscher einen Trick anwenden, erklärt Projektleiter Kaspar Bienefeld.
"Es besteht nämlich die Möglichkeit, Arbeitsbienen zu Vätern zu machen. Arbeitsbienen, die normalerweise unfruchtbar sind, können im Prinzip sich auch reproduzieren. Sie können nämlich unbefruchtete Eier legen. Aus unbefruchteten Eiern schlüpfen bei der Honigbiene Drohnen, die dann Sperma produzieren. Und wir besamen dann entsprechende Königinnen."
Seit sieben Jahren verfolgt Kaspar Bienefeld diese Reproduktionsstrategie. Herausgekommen sind viele Arbeitsbienen, die fleißig geschädigte Brutwaben ausräumen. Eine weltweit beachtete Selektionszucht.
"Wir sind mit den Erfolgen sehr zufrieden. Wir finden jetzt bei den Infrarotvideobeobachtungsversuchen eine fünf Mal höhere Ausräumrate bei unserer Selektionslinie als bei Kontrollen. Wir sehen auch, dass bei den Völkern unserer Selektionslinie deutlich weniger Milben entwickeln als in Kontrollvölkern."
In zehn Jahren möchte Kaspar Bienefeld eine westliche varroa-resistente Honigbiene haben. Zurzeit sucht er das Gen, das für das besondere Ausräumverhalten verantwortlich ist. Dann könnte der Bienenwissenschaftler mithilfe von Gen-Analysen die Spezialisten finden und weiterzüchten. Doch dazu müssen erst neue Forschungsgelder fließen.
Es ist Ende Januar 2008. Die Grüne Woche in Berlin. Auf der Bühne des Erlebnisbauernhofes wird über das deutsche Bienenmonitoring debattiert.
Der Bauernverband hat dazu eingeladen. Es ist der Versuch eines Schulterschlusses zwischen Landwirtschaft und Imkern. Beide leben seit Jahren in einem angespannten Verhältnis. Einerseits sind die Bauern auf die Bestäubung der Bienen angewiesen. Andererseits bekommen deutsche Imker aber keinen Cent dafür, dass sie ihre Bienenstöcke ins Feld stellen. Ausgenommen im Obstanbau. Seit Jahren gibt es Streit darüber, ob Pflanzenschutzmittel die Bienen töten. Der Berufs- und Erwerbsimkerverband wird nicht müde zu behaupten, dass mehr Bienen sterben, seit systemische Beizmitteln auf die Felder gespritzt werden. Auch das wird im deutschen Bienenmonitoring jetzt untersucht. Manfred Hederer ist Vorsitzender des Berufs- und Erwerbsimkerverbandes:
"Wir sind immer noch der Hoffnung, dass das Bienenmonitoring Ursachen, Daten, Fakten und so weiter liefern kann. Wir müssen uns in Geduld üben. Es war noch nie ein solches Projekt am Laufen."
Der Imkerverband erhebt auch den Vorwurf, dass deutsche Bienenwissenschaftler nicht unabhängig arbeiten. Diese Unterstellung kommt immer dann auf, wenn die Forscher nichts finden. Auch in den Monitoring-Proben sind bisher keine schädlichen Wirkstoffe für Bienen nachgewiesen worden, weshalb sich nun auch Elke Genersch mit Vorwürfen konfrontiert sieht – zu Unrecht, wie sie meint:
"Wir haben ganz bewusst Völker auch ausgesucht, die in Gebieten stehen mit sehr hohem Maisanbau, haben Völker ganz bewusst ausgesucht in Sonnenblumenanbau und Raps auch noch, um diese Hauptverdächtigen, was Pflanzenschutzmittel angeht, zu erfassen."
Im Verdacht stand lange das Beizmittel "Imidachloprid". Es wird beim Raps eingesetzt und sollte im Jahre 2000 in Frankreich ein Bienensterben ausgelöst haben. Die Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen an der Biologischen Bundesanstalt in Braunschweig war damals an der Aufklärung beteiligt, unter Leitung von Dieter Brasse.
"Wir haben bis heute keinen einzigen Schaden feststellen können, der nachweislich auf die Anwendung auf Imidachloprid zurückzuführen ist.
Dies wird – Gott sei Dank – jetzt auch aus Frankreich bestätigt."
In den 70er Jahren starben viele Bienen durch Insektizide im Weinbau. Die Wirkstoffe konnten eindeutig nachgewiesen werden. Seitdem sind sie verboten. Heute finde man kaum noch bienengefährliche Wirkstoffe, meint Dieter Brasse. Trotzdem bleibt er skeptisch:
"Man kann einfach nicht sagen, dass einfach die Reduktion der Wirkstoffe eine Reduktion der Bienenschäden bringt. Man sollte sich keiner Illusionen hingeben, dass Pflanzenschutz heute absolut sicher sei für Bienen. Das ist es nicht."
Ostbrandenburg. Unweit von Seelow. Bioimker Ansgar Westerhoff fährt mit seinem Wagen durch die hügelige Agrarlandschaft. Es ist Anfang Februar 2008. Der Himmel ist nebelverhangen. Der Boden auf den Feldwegen vom Regen aufgeweicht. Immer wieder macht Ansgar Westerhoff halt und beschaut sich aufmerksam Feld- und Wiesenränder. Er sucht nach neuen Wanderplätzen für seine Bienen. In gut einem Monat verlassen sie die Stöcke und fliegen aus, um Pollen und Nektar zu sammeln. Eins bereitet dem Bioimker seit Jahren Kopfzerbrechen. Hier in der Oderregion wird gentechnisch veränderter Mais angebaut. Erst nur auf kleinen Versuchsflächen. Jetzt auch auf großen Schlägen. MON 810 – eine Maispflanze, die ein Insektengift produziert. Ansgar Westerhoff fürchtet um seine Bienen, wenn sie diesen Maispollen sammeln und an die Bienenbrut verfüttern:
"Wir versuchen dem auszuweichen. Während der Maisblüte die Völker in einer anderen Tracht zu haben, indem wir die dann länger in der Lindentracht lassen, wo bisher zum Glück noch kein gentechnisch veränderter Mais in der Nähe angebaut wird."
Ansgar Westerhoff geht auf Nummer sicher. Obwohl es weltweit genügend Forschungsarbeiten zur Bt-Maispflanze MON 810 und Bienengesundheit gibt. Die jüngste und umfassendste stammt von Biosicherheitsforschern in Zürich. An der Forschungsanstalt "Agroscope" haben Dirk Babendreier und sein Team Bienen auf einem Versuchsfeld Maispollen sammeln und an Bienenlarven verfüttern lassen. Zum ersten Mal wurde die tatsächliche Pollenmenge bestimmt, die Bienenlarven fressen. Für eine Risikoabschätzung unerlässlich. Babendreier:
"Wir konnten ganz klar zeigen, dass die Larven sehr, sehr wenig Pollen aufnehmen und damit selbst, wenn das Bt-Toxin eine gewisse Wirkung haben sollte, keine Gefahr für die Bienenlarven existiert."
Außerdem untersuchten Dirk Babendreier und sein Team die Futtersaftdrüse von Bienen und ihre Darmflora, nachdem sie Bt-Maispollen in übergroßen Mengen gefressen hatten. Die Tiere bekamen auch reines Bt-Gift. Weder die Futtersaftdrüse noch die Darmflora der Bienen wurde geschädigt. Das Fazit von Babendreier fällt eindeutig aus:
"Die Imker sollten aus Sicherheitsaspekten keine Bedenken haben, ihre Bienen neben Bt-Maisfeldern zu haben. Es besteht kein Risiko für die Bienen oder Bienenlarven."
Doch Ansgar Westerhoff konnten diese Ergebnisse nicht überzeugen:
"Es ist so, dass Völker, die sowieso schon angeschlagen sind, mit Sicherheit durch dieses Bt-Gift doch durchaus in Mitleidenschaft gezogen werden können. Das halte ich für sehr wahrscheinlich."
Biosicherheitsforscher Dirk Babendreier versteht die Vorbehalte der Imker. Dass aber weltweite Forschungsergebnisse nicht an die breite Öffentlichkeit kommen, weil sie Gentechnikgegnern nicht ins Schema passen, ärgert ihn.
"Für den MON 810 ist die Forschung aus unserer Sicht, was die Gefahr für die Bienen angeht, klar beantwortet. Da gibt es aus unserer Sicht keinen großen Forschungsbedarf mehr. Es ist natürlich schon so, dass in Zukunft noch andere Pflanzen kommen werden. Logischerweise muss man auch für diese Pflanzen eine Risikoanalyse durchführen. Wir müssen schon fallspezifisch schauen, wie das Risiko ist."
Es ist Ende Februar. Elke Genersch liegen die Ergebnisse zum "Israeli Acute Paralysis Virus" vor. Es ist das Virus, das das große Bienensterben in den USA mit ausgelöst haben soll. Zumindest in diesem Punkt gibt es Entwarnung: Bei uns ist das Virus bislang nicht aufgetaucht. Für das große Sterben, das jetzt auf Deutschland zukommt, müssen andere Ursachen verantwortlich sein. "Varroa-Milbe plus Faktor X", sagen die Experten. Mit Hilfe des Bienenmonitorings wird es nun erstmals gelingen, diesen Faktor X genauer zu benennen: Krankheiten, die sich im Zuge der Globalisierung schneller denn je verbreiten, gehören dazu. Der Druck einer stark veränderten Naturlandschaft wohl auch. Werden die Bienen all dem auf Dauer standhalten? Oder ist der Exodus der Völker nur der Beginn eines größeren Sterbens?
"Bienen leben seit 80 bis 100 Millionen Jahren hier auf der Erde. Das heißt, sie haben das Aussterben der Dinosaurier überlebt. Die Bienen haben wesentlich stärkere Umwälzungen in ihrer Umwelt bisher überlebt als das bisschen, was wir im Moment anstellen. Dass wir natürlich mit unserer beschränkten Sicht glauben, dass, was wir in unserer kurzen Lebensspanne hier beobachten, unglaublich sein muss für diese armen kleinen Bienen, das unterschreib ich so nicht."
Denkbar, dass die Biene als Art mit dem Menschen fertig wird, sagt Elke Genersch. Doch der Mensch ist von den Bienen abhängig. Er sollte es nicht darauf ankommen lassen.
Das Bienenjahr 2007 geht zu Ende. Es war ein gutes Jahr für die deutschen Imker. Anders als in den USA, wo im vergangenen Frühjahr massenhaft Bienen starben. Sie waren einfach weg. Spurlos verschwunden. Mehr als ein Viertel von 2,4 Millionen Bienenvölkern. In einigen Bundesstaaten fehlten fast 70 Prozent der Bienen zur Bestäubung. Auch in Deutschland sterben die Bienen. Immer wieder in regelmäßigen Abständen. Und jetzt drohen wieder große Verluste.
"Das leise Sterben
Warum die Bienen spurlos verschwinden
Von Maren Schibilsky."
Imker Karl Nietz öffnet einen Bienenkasten. Mit süßlichem Pfeifenrauch besänftigt er die Tiere. Mitte Oktober bereiten sich die Bienen auf den Winter vor. Sie fliegen nicht mehr aus, haben aufgehört zu brüten, sammeln sich zu einer Wintertraube. Nietz:
"Persönlich hatte ich nie Totalverluste oder solche großen Verluste, dass ich mit der Honigproduktion einen großen Ausfall hatte. Ich hatte auch bis zu 20 Prozent Völkerverluste mal. Zehn Prozent betrachte ich als normal."
Seit 1980 ist Karl Nietz Imker. Er redet nicht gern über Bienenverluste. Die gab es schon immer. Warum jetzt so ein Wirbel darum gemacht wird, versteht er nicht.
"Bei den Bienenverlusten, bei den Völkerverlusten sollte man auch immer daran denken, dass auch Imker Fehler machen in der Völkerführung. Es gibt Völker, die verhungern."
Vor vier Jahren, als auch in Deutschland die Bienenvölker reihenweise starben, kam er glimpflich davon. Trotzdem hat er sich damals gemeldet, als für ein deutschlandweites Bienenmonitoring Imker gesucht wurden. Drei Mal im Jahr bekommt Karl Nietz jetzt Besuch von Marion Schröder. Sie arbeitet am Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf bei Berlin und betreut einen Teil der Imker im Monitoring.
"Wir nehmen erstmal die Proben, fangen dann mit der Volksstärkeeinschätzung an. Nehmen dann Bienenproben und Futterproben."
Die Bienen von Karl Nietz gehen in den Winter. Offiziell beginnt jetzt das neue Bienenjahr und damit eine Zeit, in der sich viel für seine Bienenvölker entscheidet. Nietz:
"Wichtig ist, dass es Jungbienen sind, dass es sich nicht nur um alte Bienen handelt. Dass die Bienen nicht geschädigt sind. Wir gucken jetzt, ob sie stark sind die Völker, schätzen das ein. Es ist wichtig, dass sie gut und stark in den Winter gehen mit vielen Jungbienen. Das ist wesentlich."
Der Winter ist für Bienen eine harte Zeit. Drei bis vier Monate müssen sie in einer Traube überdauern und in ihrer Mitte die Königin wärmen. Reichen die Futtervorräte nicht oder erkranken Tiere, stirbt meist das ganze Volk. Genau 100 Bienen pro Volk nimmt Marion Schröder als Probe. Mit bloßen Händen fährt die geübte Bienenwirtschaftlerin über die Waben und drückt die Bienen in ein Plastikröhrchen. Außerdem sammelt sie pro Volk einen Esslöffel Futter aus den Waben. Jedes Detail, jede Auffälligkeit, die Nietz bei seinen Völkern bemerkt hat, wird protokolliert und später in ihrem Labor ausgewertet.
Das Länderinstitut für Bienenkunde ist eins von acht Instituten im deutschen Bienenmonitoringprogramm. Nach großen Bienenverlusten in Deutschland im Frühjahr 2003 wurde das Monitoring gestartet, mit 1000 Bienenvölkern und dem Ziel, die genauen Ursachen des Bienensterbens über einen langen Zeitraum umfassend zu erforschen. Ein weltweit einmaliges Projekt. Elke Genersch:
"Es gab auch bei den Völkerverlusten in der Vergangenheit immer wieder Erklärungsansätze. Dass es aus der Wetterlage des Jahres davor ersichtlich war, dass es eine schlechte Trachtsituation war oder dass der Winter lang und kalt war. Oder dass direkt Krankheiten verantwortlich gemacht werden konnten."
Das drittwichtigste deutsche Nutztier gerät immer mehr in Bedrängnis. Davon sind viele Imker überzeugt. Einige behaupten, dass das große Völkersterben zunimmt. Doch beweisen ließ sich das nicht. Genersch:
"Für eine Zunahme gibt es keine Hinweise. Es gibt durchaus Aufzeichnungen, die belegen, dass es das schon vor 100 Jahren gegeben hat. Es hat immer mal Abstände von sieben bis zehn Jahren gegeben. Aber es hat auch schon in der Vergangenheit einen kürzeren Rhythmus gegeben."
Dass jetzt so ein breit angelegtes Monitoring initiiert wurde, liegt zum Teil einfach daran, dass es glücklicherweise ein erhöhtes Interesse an Bienen gibt. Doch das Bienensterben in den USA stellte alles bisher Dagewesene in den Schatten. Die ersten Meldungen trafen im Frühjahr 2007 ein. Amerikanische Imker berichteten, dass ihre Bienen einfach weg waren. Spurlos verschwunden. Nur leere Stöcke blieben zurück, mit Honig und nicht ausgewachsenen Bienen, die langsam verhungerten. Am Schluss fehlten in den USA mehr als 600.000 Bienenvölker. Irgendetwas sei aus dem Gleichgewicht geraten – vermuteten amerikanische Wissenschaftler. Sie gaben dem Massensterben den Namen "Colony Collapse Disorder" - abgekürzt CCD und gründeten eine Sonderarbeitsgruppe zur Aufklärung. In Deutschland dagegen sahen Bienenforscher relativ gelassen nach Übersee.
"Das Phänomen, was die Amerikaner beschreiben, dass Bienen weg sind, ist nicht neu. Es gibt in Deutschland den Begriff ‚Kahlfliegen’ dafür. Bienen sind sehr soziale Insekten und dazu gehört auch, dass sie nicht ihren Stock, ihr Volk als Hospiz ansehen, in das sie zurückkehren, wenn sie sich schlecht fühlen und sich dann zu Tode pflegen lassen. Sondern Bienen fliegen aus und sterben außerhalb. Dieses Phänomen ist ein ganz normales Verhalten für ein zusammenbrechendes Volk."
War das amerikanische Bienensterben ein ganz normaler Vorgang, wie er immer wieder und in allen Teilen der Welt auftritt? Eine existentielle Frage, denn der Mensch lebt von der Biene. Ein Drittel der pflanzlichen Nahrung wächst nur mit ihrer Hilfe: Äpfel, Pflaumen, Paprika, aber auch Raps, Sonnenblumen und Klee sind auf die Bestäubung der Honigsammler angewiesen.
Im Keller des Bieneninstituts lagert Elke Genersch bei minus 70 Grad in einer Tiefkühltruhe die Bienen- und Futterproben. Es ist November 2007. Genersch:
"In dem Projekt versuchen wir eigentlich alle Faktoren zu erfassen. Das heißt, die Volksentwicklung wird erfasst. Die Einwinterungsstärke, die Auswinterungsstärke, auch die Populationsentwicklung das Jahr über. Wir erfassen die Trachtsituation einmal durch Abfragen der Imker. Wir erheben alle Krankheitsdaten, die möglich sind."
Weltweit beobachten Bienenforscher, dass kranke Honigbienen zunehmen. Immer neue Parasiten und Viren tauchen auf. Am Standort Hohen Neuendorf will die Spezialistin für Bienenkrankheiten nun ein Kompetenzzentrum für die Infektionserreger aufbauen. Genersch:
"Natürlich, wenn Bienen aus Australien und Neuseeland eingeführt werden, besteht die Gefahr, dass hier neue Krankheitserreger, neue Parasiten eingeschleppt werden, mit denen unsere Bienen sich noch nie auseinandergesetzt haben und dann natürlich im Erstkontakt zusammenbrechen."
So geschehen in Spanien im Sommer 2005. Ein ungewöhnliches Bienensterben traf die Iberische Halbinsel. Spanische Bienenwissenschaftler machten damals den neuen Darmparasiten "Nosema cerrane" verantwortlich. Eingeschleppt aus Asien löste er bei westlichen Honigbienen starken Durchfall aus. Mittlerweile ist dieser Darmparasit in ganz Zentraleuropa verbreitet.
Karin Hedke zermörsert eine Bienenprobe. Dazu träufelt sie eine helle Flüssigkeit. Die technische Assistentin bereitet im Labor eine Lösung vor. Hedke:
"Zuerst wird die ‚Nosema’-Untersuchung durchgeführt. Danach wird die RNA-Extraktion für die Virusuntersuchung durchgeführt und dann können die Milben ausgezählt werden an den Bienen."
Dieses Jahr wird zum ersten Mal auch nach dem Virus gesucht, den US-Forscher von der New Yorker Columbia University im Spätsommer 2007 gefunden hatten. Ein Infektionserreger, der mit verantwortlich sein soll für das Bienensterben im Frühjahr 2007 in den USA. Sein Name ist "Israeli Acute Paralysis Virus". Elke Genersch ist gespannt, ob das Virus auch in Deutschland verbreitet ist.
"Es ist bisher nicht danach gesucht worden. Das ist ein wichtiger Unterschied. Wer nicht sucht, der findet es nicht. Wir etablieren gerade die Methode und sind gerade dabei, die Proben zu analysieren."
Wahrscheinlich stammt das Virus aus Australien und verbreitete sich über Israel bis in die USA. Genersch:
"Die Amerikaner haben dann auch den Zusammenhang gefunden zwischen Bienenimporten. Seit 2004 gab es dort verstärkte Importe von australischen Bienen, die auch mit diesem Virus infiziert sind, dort aber keine Verluste anrichten."
Dass Australien trotz Virus von großen Bienensterben verschont blieb, liegt wahrscheinlich an der "Varroa-Milbe" - vermutet Elke Genersch. Die Milbe ist ein hartnäckiger Bienenparasit aus Asien. Nach Deutschland kam sie 1977. Mittlerweile beherrscht sie Bienenvölker in der ganzen Welt. Nur Australien ist noch milbenfrei. Das Varroa-Weibchen befällt das ganze Jahr über die Bienenbrut und legt dort Eier ab. Um sich entwickeln zu können, saugen Weibchen und Varroa-Nachkommen Blut aus den Bienenpuppen. Sie schädigen die Jungbienen, machen sie krank. Im Winter beißt sich die 1,6 Millimeter große Milbe auch an erwachsenen Bienen fest, um zu überleben. Für Bienenkrankheiten wirkt sie wie ein Katalysator.
"Die Bienen haben sich eigentlich mit Viren sehr gut arrangieren können in hundert Millionen Jahren Koevolution, haben die beiden ein Auskommen miteinander gefunden. Jetzt kommt die Varroa-Milbe und injiziert quasi die Viren während des Puppenstadiums in das Bienenblut, in die Hämolymphe. Und die Viren bekommen plötzlich völlig andere Möglichkeiten, an andere Organe dran zu kommen und Schäden anzurichten, die vorher so nicht möglich gewesen wären."
Der Varroa-Milbe kommt eine Schlüsselrolle zu. Immer wenn große Völkerverluste in der Welt auftreten, ist die Milbe mit im Spiel. Auch beim letzten Bienensterben in den USA. "Varroa plus Faktor X", diese Hypothese wagt Kaspar Bienefeld. Er leitet das Bieneninstitut in Hohen Neuendorf bei Berlin. Bienefeld:
"Varroa ist immer dabei. Wir konnten bisher in diesem Bienenmonitoring außer Varroa keinen einzigen Faktor richtig als ein Schlüsselfaktor heraus arbeiten. Das heißt aber nicht Varroa alleine. Wir vermuten jetzt, dass es eine Interaktion ist zwischen bestimmten Wetterfaktoren, der Varroa-Milbe und durch die Varroa-Milbe übertragenden Viren. Diese Kombination ist in vielen Fällen dann tödlich."
Es ist Ende Dezember 2007. Seit Wochen sitzt Karin Hedke im Labor und zählt Milben in den Bienenproben des Monitorings. Der Technischen Assistentin brennen die Augen unter der grellen Lampe. Keine Milbe darf sie übersehen. Manchmal verstecken sich die winzigen Parasiten unter den Körpersegmenten der Biene. Inzwischen zeichnet sich ab: Es sind viele Milben. Zu viele. Hedke:
"7,3 Milben pro Biene. Das ist ein enormer Varroa-Befall. Das heißt, wir haben 100 Bienen ausgezählt und haben dort soviel Milben drin gefunden, dass dann bezogen auf die einzelne Biene sieben Milben gefunden worden waren. Sieben Milben pro Biene. Stellen Sie sich das vor."
Elke Genersch befürchtet, dass viele Bienenvölker in Deutschland den Winter nicht überleben werden. Zum ersten Mal lässt sich durch das Bienenmonitoring ein großes Völkersterben im Frühjahr 2008 vorhersagen. Genersch:
"Wir werden mit wesentlich weniger Bienen in das Bienenjahr hineingehen. Wenn 20, 25, 30 Prozent der Bienenvölker in Deutschland fehlen, dann ist das erst mal zu Beginn des Jahres eine Katastrophe."
Die deutschen Bienenwissenschaftler sind beunruhigt. Anfang Januar 2008 geben sie eine Pressemitteilung heraus. Wenig später scheint sich die Prognose zu bestätigen. Im Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf rufen regelmäßig Imker an. Sie berichten über große Verluste. Elke Genersch kennt einen der möglichen Gründe.
"Das liegt einfach daran, dass der letzte Winter so warm war, dass die Bienen den ganzen Winter über gebrütet haben. Dadurch konnten sich die Varroa-Milben selbst im Winter noch vermehren. Die Bienen sind in einem sehr explosionsartig verlaufenen Frühling mit viel zu vielen Varroa-Milben gestartet. Die Bienenpopulation ist explodiert, die Varroa-Population aber auch. Die Bienen hatten die Saison über eine sehr, sehr hohe Varroa-Last."
Ob nur die Varroa-Milbe schuld ist, wird sich zeigen. Elke Genersch wartet noch auf die anderen Daten des Monitorings.
"Wir haben jetzt das erste Jahr, an dem wir testen können, wie gut ist unser Monitoring. Können wir jetzt wirklich anhand der Daten sagen, aufgrund der Trachtsituation, der Wettersituation und so weiter sind genau diese Völker gestorben, dann wissen wir, dass wir mit unserer Einschätzung, dass es die Varroa-Milbe plus andere Faktoren sind, richtig gelegen haben."
Ostbrandenburg. Seelow unweit der Oder. Es ist Mitte Januar. Die Felder kahl, im Schutz einer Hecke stehen auf Paletten holzfarbene Bienenkästen. 600 Völker überwintern hier. Sie gehören Ansgar Westerhoff. Gleich nach der Wende hat der Göttinger Bioimker einen Großteil seiner Bienen in den Osten verlegt. Wegen der großen Felder und der unberührten Natur. Westerhoff:
"Eigentlich sind unsere Völker gut in den Winter gegangen. Jeder Winter ist natürlich ein Risiko für einen Imker. Und für einen Berufsimker ist es auf jeden Fall eine Zeit, wo er doch ein bisschen unsicher ist, wie der Winter verläuft und wie die Bienenvölker auswintern."
Das Jahr 2008 begann schlecht für Ansgar Westerhoff. Neben Ostbrandenburg hat er noch einen zweiten Bienenstandort. In Süddeutschland im Raum Freiburg. Von dort meldeten seine beiden Mitarbeiter bei Jahreswechsel, dass von 200 Bienenvölkern die Hälfte tot sei. Westerhoff:
"Natürlich sind wir entsetzt bei solchen Ergebnissen. Die Bienen waren tot. Sie hatten den Kasten nicht verlassen. Die toten Bienen befanden sich in der Beute. Ist schon ein schockierendes Ergebnis, was man da hat."
Jedes tote Bienenvolk sind 200 bis 300 Euro Verlust. Jetzt schaut Ansgar Westerhoff persönlich in Ostbrandenburg vorbei:
"Es ist schon so, dass der Erfolg in der Imkerei maßgeblich damit zusammen hängt, wie gut man die Varroa-Milbe im Griff hat. Ohne eine regelmäßige Behandlung ist es nicht möglich zu imkern in Deutschland."
Ansgar Westerhoff hat die Zeit vor den Milben nicht mehr kennengelernt. Mit seinen 44 Jahren zählt der ausgebildete Biologe zu den jungen Imkern in Deutschland. Viele haben aufgegeben, als die Varroa-Milbe ins Land kam. Die ganze Imkerei muss inzwischen auf den Bienenparasiten abgestellt werden. Westerhoff:
"Früher konnte man einige Tausend Milben im Volk haben, und die Völker konnten damit leben. Das ist heute überhaupt nicht möglich. Wenn wir heute 1000 Milben hätten, würde das Volk niemals überleben. Früher war das normal. Das heißt, die Milben sind einfach schädlicher als sie früher waren oder übertragen Krankheiten, die es früher in dem Maße nicht gab."
Ansgar Westerhoff schaut vorsichtig in die Bienenkästen. Überall bewegt sich etwas. Am Standort "Ostbrandenburg" haben seine Völker offenbar überlebt. Doch noch ist der Winter nicht zu Ende.
Ursprünglich stammt die Varroa-Milbe aus Asien. Doch dort haben die Honigbienen gelernt, mit ihr zu leben. Durch die geschlossene Wabe hindurch erkennen die Bienen die Varroa-Milbe. Mit ihren Mundwerkzeugen öffnen sie die Wabe und töten die befallene Brut. Damit stirbt auch die Milbe.
"Die westliche Honigbiene steht erst seit kurzer Zeit mit dieser Milbe in Kontakt. Konnte noch nicht diese Fähigkeiten entwickeln, während die asiatische Honigbiene seit vielen Jahrtausenden mit dem Problem fertig werden muss. Hier haben sich die Resistenzen entwickelt. Wir warten darauf noch bei unserer Honigbiene."
Kaspar Bienefeld will die Wartezeit verkürzen, die Anpassung der westlichen Honigbiene beschleunigen. Dazu verhalf ihm eine wichtige Entdeckung, die bereits vor Jahrzehnten am Bieneninstitut in Bonn gemacht wurde. Auch die westliche Honigbiene hat einige wenige Spezialisten im Volk, die geschädigte Bienenbrut erkennen können und ausräumen. Seit 1996 sucht Kaspar Bienefeld gezielt in Bienenvölkern nach diesen Spezialisten. Dafür hat er eine besondere Fahndungsmethode entwickelt.
"Wir infizieren einzelne Zellen mit Varroa-Milben. Dann markieren wir ungefähr 2000 Bienen individuell mit einem Plättchen, mit einer Nummer und geben diese Beobachtungswaben in eine Einheit, die ausgestattet ist mit einer Infrarotkamera."
Fred Zautke sitzt im Keller des Bieneninstituts an einem Überwachungsmonitor. Er kontrolliert Videobänder aus dem Sommer. Die Infrarotkamera hatte rund um die Uhr das Geschehen im Bienenstock festgehalten. Jetzt beobachtet Fred Zautke das Gewimmel an den Brutwaben. Verdunkelt sich der Hintergrund, zeigt die neue Bildsoftware an, dass eine Biene eine Wabe öffnet und die Brut ausräumt. Zautke:
"In der Regel ist es so, dass eine bestimmte Biene ein kleines Loch in diese Zelle bohrt und nachfolgende Bienen wissen, aha, hier ist etwas nicht in Ordnung. Wenn der Zelldeckel geöffnet ist, wie bei dieser Zelle, wird teilweise der Kopf und dann der Rumpf aufgefressen und der Rest aus der Zelle rausgezogen."
Unzählige Stunden hat Fred Zautke vor dem Monitor verbracht, um diese Spezialisten zu finden. Es sind Arbeitsbienen. Um sie gezielt zu vermehren, müssen Bienenforscher einen Trick anwenden, erklärt Projektleiter Kaspar Bienefeld.
"Es besteht nämlich die Möglichkeit, Arbeitsbienen zu Vätern zu machen. Arbeitsbienen, die normalerweise unfruchtbar sind, können im Prinzip sich auch reproduzieren. Sie können nämlich unbefruchtete Eier legen. Aus unbefruchteten Eiern schlüpfen bei der Honigbiene Drohnen, die dann Sperma produzieren. Und wir besamen dann entsprechende Königinnen."
Seit sieben Jahren verfolgt Kaspar Bienefeld diese Reproduktionsstrategie. Herausgekommen sind viele Arbeitsbienen, die fleißig geschädigte Brutwaben ausräumen. Eine weltweit beachtete Selektionszucht.
"Wir sind mit den Erfolgen sehr zufrieden. Wir finden jetzt bei den Infrarotvideobeobachtungsversuchen eine fünf Mal höhere Ausräumrate bei unserer Selektionslinie als bei Kontrollen. Wir sehen auch, dass bei den Völkern unserer Selektionslinie deutlich weniger Milben entwickeln als in Kontrollvölkern."
In zehn Jahren möchte Kaspar Bienefeld eine westliche varroa-resistente Honigbiene haben. Zurzeit sucht er das Gen, das für das besondere Ausräumverhalten verantwortlich ist. Dann könnte der Bienenwissenschaftler mithilfe von Gen-Analysen die Spezialisten finden und weiterzüchten. Doch dazu müssen erst neue Forschungsgelder fließen.
Es ist Ende Januar 2008. Die Grüne Woche in Berlin. Auf der Bühne des Erlebnisbauernhofes wird über das deutsche Bienenmonitoring debattiert.
Der Bauernverband hat dazu eingeladen. Es ist der Versuch eines Schulterschlusses zwischen Landwirtschaft und Imkern. Beide leben seit Jahren in einem angespannten Verhältnis. Einerseits sind die Bauern auf die Bestäubung der Bienen angewiesen. Andererseits bekommen deutsche Imker aber keinen Cent dafür, dass sie ihre Bienenstöcke ins Feld stellen. Ausgenommen im Obstanbau. Seit Jahren gibt es Streit darüber, ob Pflanzenschutzmittel die Bienen töten. Der Berufs- und Erwerbsimkerverband wird nicht müde zu behaupten, dass mehr Bienen sterben, seit systemische Beizmitteln auf die Felder gespritzt werden. Auch das wird im deutschen Bienenmonitoring jetzt untersucht. Manfred Hederer ist Vorsitzender des Berufs- und Erwerbsimkerverbandes:
"Wir sind immer noch der Hoffnung, dass das Bienenmonitoring Ursachen, Daten, Fakten und so weiter liefern kann. Wir müssen uns in Geduld üben. Es war noch nie ein solches Projekt am Laufen."
Der Imkerverband erhebt auch den Vorwurf, dass deutsche Bienenwissenschaftler nicht unabhängig arbeiten. Diese Unterstellung kommt immer dann auf, wenn die Forscher nichts finden. Auch in den Monitoring-Proben sind bisher keine schädlichen Wirkstoffe für Bienen nachgewiesen worden, weshalb sich nun auch Elke Genersch mit Vorwürfen konfrontiert sieht – zu Unrecht, wie sie meint:
"Wir haben ganz bewusst Völker auch ausgesucht, die in Gebieten stehen mit sehr hohem Maisanbau, haben Völker ganz bewusst ausgesucht in Sonnenblumenanbau und Raps auch noch, um diese Hauptverdächtigen, was Pflanzenschutzmittel angeht, zu erfassen."
Im Verdacht stand lange das Beizmittel "Imidachloprid". Es wird beim Raps eingesetzt und sollte im Jahre 2000 in Frankreich ein Bienensterben ausgelöst haben. Die Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen an der Biologischen Bundesanstalt in Braunschweig war damals an der Aufklärung beteiligt, unter Leitung von Dieter Brasse.
"Wir haben bis heute keinen einzigen Schaden feststellen können, der nachweislich auf die Anwendung auf Imidachloprid zurückzuführen ist.
Dies wird – Gott sei Dank – jetzt auch aus Frankreich bestätigt."
In den 70er Jahren starben viele Bienen durch Insektizide im Weinbau. Die Wirkstoffe konnten eindeutig nachgewiesen werden. Seitdem sind sie verboten. Heute finde man kaum noch bienengefährliche Wirkstoffe, meint Dieter Brasse. Trotzdem bleibt er skeptisch:
"Man kann einfach nicht sagen, dass einfach die Reduktion der Wirkstoffe eine Reduktion der Bienenschäden bringt. Man sollte sich keiner Illusionen hingeben, dass Pflanzenschutz heute absolut sicher sei für Bienen. Das ist es nicht."
Ostbrandenburg. Unweit von Seelow. Bioimker Ansgar Westerhoff fährt mit seinem Wagen durch die hügelige Agrarlandschaft. Es ist Anfang Februar 2008. Der Himmel ist nebelverhangen. Der Boden auf den Feldwegen vom Regen aufgeweicht. Immer wieder macht Ansgar Westerhoff halt und beschaut sich aufmerksam Feld- und Wiesenränder. Er sucht nach neuen Wanderplätzen für seine Bienen. In gut einem Monat verlassen sie die Stöcke und fliegen aus, um Pollen und Nektar zu sammeln. Eins bereitet dem Bioimker seit Jahren Kopfzerbrechen. Hier in der Oderregion wird gentechnisch veränderter Mais angebaut. Erst nur auf kleinen Versuchsflächen. Jetzt auch auf großen Schlägen. MON 810 – eine Maispflanze, die ein Insektengift produziert. Ansgar Westerhoff fürchtet um seine Bienen, wenn sie diesen Maispollen sammeln und an die Bienenbrut verfüttern:
"Wir versuchen dem auszuweichen. Während der Maisblüte die Völker in einer anderen Tracht zu haben, indem wir die dann länger in der Lindentracht lassen, wo bisher zum Glück noch kein gentechnisch veränderter Mais in der Nähe angebaut wird."
Ansgar Westerhoff geht auf Nummer sicher. Obwohl es weltweit genügend Forschungsarbeiten zur Bt-Maispflanze MON 810 und Bienengesundheit gibt. Die jüngste und umfassendste stammt von Biosicherheitsforschern in Zürich. An der Forschungsanstalt "Agroscope" haben Dirk Babendreier und sein Team Bienen auf einem Versuchsfeld Maispollen sammeln und an Bienenlarven verfüttern lassen. Zum ersten Mal wurde die tatsächliche Pollenmenge bestimmt, die Bienenlarven fressen. Für eine Risikoabschätzung unerlässlich. Babendreier:
"Wir konnten ganz klar zeigen, dass die Larven sehr, sehr wenig Pollen aufnehmen und damit selbst, wenn das Bt-Toxin eine gewisse Wirkung haben sollte, keine Gefahr für die Bienenlarven existiert."
Außerdem untersuchten Dirk Babendreier und sein Team die Futtersaftdrüse von Bienen und ihre Darmflora, nachdem sie Bt-Maispollen in übergroßen Mengen gefressen hatten. Die Tiere bekamen auch reines Bt-Gift. Weder die Futtersaftdrüse noch die Darmflora der Bienen wurde geschädigt. Das Fazit von Babendreier fällt eindeutig aus:
"Die Imker sollten aus Sicherheitsaspekten keine Bedenken haben, ihre Bienen neben Bt-Maisfeldern zu haben. Es besteht kein Risiko für die Bienen oder Bienenlarven."
Doch Ansgar Westerhoff konnten diese Ergebnisse nicht überzeugen:
"Es ist so, dass Völker, die sowieso schon angeschlagen sind, mit Sicherheit durch dieses Bt-Gift doch durchaus in Mitleidenschaft gezogen werden können. Das halte ich für sehr wahrscheinlich."
Biosicherheitsforscher Dirk Babendreier versteht die Vorbehalte der Imker. Dass aber weltweite Forschungsergebnisse nicht an die breite Öffentlichkeit kommen, weil sie Gentechnikgegnern nicht ins Schema passen, ärgert ihn.
"Für den MON 810 ist die Forschung aus unserer Sicht, was die Gefahr für die Bienen angeht, klar beantwortet. Da gibt es aus unserer Sicht keinen großen Forschungsbedarf mehr. Es ist natürlich schon so, dass in Zukunft noch andere Pflanzen kommen werden. Logischerweise muss man auch für diese Pflanzen eine Risikoanalyse durchführen. Wir müssen schon fallspezifisch schauen, wie das Risiko ist."
Es ist Ende Februar. Elke Genersch liegen die Ergebnisse zum "Israeli Acute Paralysis Virus" vor. Es ist das Virus, das das große Bienensterben in den USA mit ausgelöst haben soll. Zumindest in diesem Punkt gibt es Entwarnung: Bei uns ist das Virus bislang nicht aufgetaucht. Für das große Sterben, das jetzt auf Deutschland zukommt, müssen andere Ursachen verantwortlich sein. "Varroa-Milbe plus Faktor X", sagen die Experten. Mit Hilfe des Bienenmonitorings wird es nun erstmals gelingen, diesen Faktor X genauer zu benennen: Krankheiten, die sich im Zuge der Globalisierung schneller denn je verbreiten, gehören dazu. Der Druck einer stark veränderten Naturlandschaft wohl auch. Werden die Bienen all dem auf Dauer standhalten? Oder ist der Exodus der Völker nur der Beginn eines größeren Sterbens?
"Bienen leben seit 80 bis 100 Millionen Jahren hier auf der Erde. Das heißt, sie haben das Aussterben der Dinosaurier überlebt. Die Bienen haben wesentlich stärkere Umwälzungen in ihrer Umwelt bisher überlebt als das bisschen, was wir im Moment anstellen. Dass wir natürlich mit unserer beschränkten Sicht glauben, dass, was wir in unserer kurzen Lebensspanne hier beobachten, unglaublich sein muss für diese armen kleinen Bienen, das unterschreib ich so nicht."
Denkbar, dass die Biene als Art mit dem Menschen fertig wird, sagt Elke Genersch. Doch der Mensch ist von den Bienen abhängig. Er sollte es nicht darauf ankommen lassen.