Archiv


Das Leuna-Geschäft

Hat Mitterand Kohl finanziert, fragt nicht nur die Zeitung "Le Figaro"? Mit ihr rätselt die französische Öffentlichkeit über Informationen, wonach es Frankreichs inzwischen verstorbener Präsident höchstpersönlich war, der seinem Freund Helmut Millionen zugeschoben hat.

Martin Zagatta und Gode Japs |
    Man solle sich vor vorschnellen Pauschalurteilen hüten, solange die Vorwürfe nicht bewiesen werden können, mahnt Frankreichs Sozialistenchef Francois Hollande. Und für die Pariser Justizministerin Elisabeth Guigou, einst eine enge Mitarbeiterin Mitterands, handelt es sich bei den Berichten über die Wahlkampfhilfe um eine - so sagt sie - fast schon anonyme Denunzierung.

    Die französische Justiz ermittelt seit 1994 unter anderem wegen des Verdachts auf Betrug und Veruntreuung - auch im Sinne von Korruption - gegen Verantwortliche des Elf-Konzerns . Die Pariser Ermittlungsrichter hegen schon lange dem Verdacht, dass bei dem Bau der Leuna-Raffinerie und dem damit verbundenen Verkauf der ostdeutschen Minoltankstellen-Kette an den französischen Öl-Konzern Elf-Aquitaine auch Schmiergelder an CDU-Politiker oder in CDU-Parteikassen geflossen sind. Vorwürfe, die am vergangenen Wochenende neue Nahrung erhalten haben durch französische und deutsche Fernsehberichte.

    Nach Informationen der ARD-Tagesthemen und des französische Sender France 2 soll Francois Mitterand Helmut Kohl 30 Millionen Mark Wahlkampfhilfe verschafft haben, über den damaligen Staatskonzern. Der französische Autor, Herve Brusini, beruft sich dabei auf einen hochrangigen Informanten aus dem Umfeld von Präsident Mitterand, der allerdings anonym bleibt.

    Herve Brusini: "Kanzler Kohl hat gesagt: ich habe da ein Problem: ich werde wahrscheinlich nicht wiedergewählt und ein Antieuropäer droht an meine Stelle zu kommen. Er hat also seinen Freund Mitterand getroffen - und der, so hat man uns das versichert, Mitterand hat ihm zugesagt:: ich werde über den Chef von Elf eine Operation organisieren, die es dir erlaubt, Geld in deinen Kassen zu haben."

    Überraschend kommt bei der Annahme, es habe sich bei den Millionen von Elf gewissermaßen um eine staatsmännische Wahlkampfhilfe von Mitterand für Kohl gehandelt, auch nur das Motiv. Bisher war man eher davon ausgegangen, dass die aus den Kassen des Konzerns verschwundenen Summen als Schmiergelder für das Zustandekommen des Leuna-Minol-Geschäfts gedient haben. Geld übrigens, bei dem französische Journalisten wie Airy Routier vom Nachrichtenmagazin "Nouvel Observateur" schon 1997 davon ausgegangen sind, dass es zumindest zum Teil in den Wahlkampf-Kassen von Helmut Kohl gelandet ist.

    Airy Routier (1997): "Nach meinen Informationen ist das eine Kommission, die mehrere zehn Millionen Dollar betragen soll. Und die ist an die CDU gegangen, an die Umgebung von Helmut Kohl, um seinen Wahlkampf von 1994 zu finanzieren."

    Und seine Recherchen, auch das hat Airy Routier damals, 1997, schon erklärt, die hätten ergeben, das diese Zahlungen von ganz oben, also von Präsident Mitterand abgesegnet gewesen waren. Nahe liegt zumindest, dass Francois Mitterand über die wichtigsten Ausgaben des Staatskonzerns informiert gewesen ist, zumal er den damaligen Chef von Elf- Aquitaine, den Bretonen Loik Le Floch-Prigent, höchst-persönlich für dieses Amt ausgesucht hat.

    Loik Le Floch-Prigent stand von 1989 bis 93 an der Konzernspitze von Elf. Wegen Betrugs und Veruntreuung von Geldern, unter anderem in der Leuna-Affäre, laufen auch gegen Le Floch-Prigent in Frankreich seit einigen Jahren mehrere Ermittlungsverfahren. Sein Nachfolger Philipp Jaffré sagte Mitte dieser Woche, dass 1992 im Zusammenhang mit dem Verkauf der Leuna-Raffinerie von Elf eine Kommission in Höhe von 256 Millionen Franc gezahlt wurde. Nach seinen Angaben sind allein zwischen 1989 und 1993 mindestens 450 Millionen Mark aus den Unternehmenskassen veruntreut worden.

    Philipp Jaffré, der Elf-Aquitaine 1993 übernommen, ein Jahr später privatisiert und das Unternehmen geführt hat, bis es im vergangenen Jahr vom Konkurrenten Total-Fina geschluckt wurde, er hat selbst Strafanzeige gestellt. Erste konkrete Hinweise auf illegale Provisionszahlungen im Zusammenhang mit dem Deal in Ostdeutschland waren in Paris im April 1997 aufgetaucht, im Zuge von anderen, von früheren Ermittlungen gegen den Elf-Konzern. Schon fünf Monate später haben zwei Pariser Untersuchungsrichterinnen ein offizielles Ermittlungsverfahren eröffnet, also schon bevor die Leuna-Raffinerie überhaupt in Betrieb genommen wurde.

    In ihrer heutigen Ausgabe berichtet die französische Zeitung "Le Monde", dass der Öl-Multi Elf Aquitaine im Zuge der Verhandlungen mit den deutschen Behörden über die Leuna-Raffinerie in 105 Fällen schwarze Gelder gezahlt haben soll - unter an-derem auch an zwei deutsche Politiker. Namentlich erwähnt werden die frühere Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Agnes Hürland-Büning, und der frühere FDP-Wirtschaftsminister Hans Friedrichs. Dieser hat postwendend die Vorwürfe zurückgewiesen, von Elf Schmiergelder erhalten zu haben. Aber befaßt war Friedrichs mit dem Leuna-Verkauf - als "Repräsentant" der Investmentbank Goldman & Sachs, als Aufsichtsratsvorsitzender von Minol und als Berater von Elf Aquitaine. Heute sagt Friedrichs, dass er von Elf Aquitaine erst um eine beratene Tätigkeit gebeten worden sei, nachdem das Abkommen über den Verkauf der Leuna-Raffinierie unter Dach und Fach war. Dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der vergangenen Legislaturperiode lag aber ein Vermerk vom 7. Juli 1992 vor, der einen eindeutigen Hinweis enthält:

    "Dr. Friedrichs ist Aufsichtsratsvorsitzender der Minol und Elf-Berater."

    Soweit bekannt, hat Elf-Aquitaine mindestens 80 bis 100 Mil-lionen Mark gezahlt, an Provisionen, Schmiergeldern, wie immer man das nennen will, um den Zuschlag für die begehrte Minol-Tankstellen-Kette zu bekommen. Die daran geknüpfte Übernahme der Leuna-Raffinerie galt zwar als weniger lukrativ, aber auch dabei sind 1,4 Milliarden an öffentlichen Subventionen geflossen - Geld, das nach Ansicht der EU-Kommission mit überhöhten Kostenansätzen zumindest teilweise erschwindelt worden ist. - Die Provisionszahlungen sind nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft über ein Geflecht von Briefkastenfirmen erfolgt, an dessen Anfang offenbar der korsische Vermittler Andre Guelfi gestanden hat. Weil Elf-Aquitaine in Ostdeutschland auf Schwierigkeiten gestoßen sei, so hat er ausgesagt, sei er gebeten worden, seine Briefkastenfirmen zur Verfügung zu stellen, für Zahlungen von rund 80 Millionen Mark.

    Anfang Dezember hatte Andre Guelfi in einem Fernsehinterview gesagt, das Geld sei - Zitat - "an eine deutsche Partei als Kommission" geflossen. Später nahm er diese Angabe wieder zurück. Anfang Januar gab er dann an, er habe davon gewusst, dass das Geld nach Deutschland gehen sollte. Seine jüngste Version lautet nun so: Er - Guelfi - hätte keine Ahnung gehabt, wo die Gelder hingehen sollten. Auch habe er niemals gesagt, dass sie für eine deutsche Partei bestimmt gewesen seien. Doch zu einer anderen Aussage, die Guelfi vor einigen Monaten dem ZDF gegenüber gemacht hat, steht er nach wie vor:

    André Guelfi: "Mir wurde vom damaligen Elf-Präsidenten bestätigt, dass Mitterand und Kohl von der Sache Kenntnis hatten.

    Guelfi hat angegeben, die 80 Millionen sofort nach Erhalt weiter-überwiesen zu haben, an andere Scheinfirmen, so wie es die Elf-Aquitaine-Führung von ihm verlangt habe. Nach den Recherchen der Pariser Presse ist das Geld an einen französischen Geheimdienstmann gegangen, der Großteil an den deutschen Geschäftsmann Dieter Holzer. Der Saarländer, der als Lobbyist engste Kontakte zur CDU und CSU pflegt, hat eingeräumt 50 Millionen Mark an Provisionen von Elf er-halten zu haben. Für die Ermittler ein höchst verdächtiger Vorgang, auch wenn Holzer jetzt in einer eidesstattlichen Versicherung erklärt:

    "Erstens: Ich habe den im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien CDU, CSU, SPD und FDP oder einer oder mehreren von ihnen keine Geldspenden gemacht. Zweitens: Der Altbundeskanzler, Herr Dr. Helmut Kohl, und ich haben noch nie miteinander gesprochen, auch nicht fernmündlich. Aus meiner intim wirkenden Anrede 'Lieber Herr Helmut Kohl’ in einem Schreiben von mir an den Bundeskanzler Dr. Kohl auf eine vertrauliche Beziehung zu ihm schließen zu wollen, ist völlig verfehlt. Diese ungewöhnliche Anrede erklärt sich allein aus der die deutschen Lande allgemein überflutenden Freude, von der auch ich verständlicherweise ergriffen wurde, über die von ihm zustande gebrachte Vereinigung des deutschen Volkes nach jahrzehntelanger aufokroyierter Trennung in zwei Teile. Drittens: Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Bundestag, Herr Dr. Wolfgang schäuble, und ich haben noch nie miteinander gesprochen, auch nicht fernmündlich. Viertens: Ich habe an Herrn Dr. Helmut Kohl und an Herrn Dr. Wolfgang Schäuble oder einen von ihnen noch nie eine Geldspende gemacht. Fünftens: Dies gilt auch hinsichtlich der hierbei wiederholt genannten Personen: den früheren Kanzleramtsminister, Herrn Friedrich Bohl, den früheren Staatssekretär, Herrn Manfred Carstens, den früheren Verkehrsminister, Herrn Günter Krause, den früheren CDU-Schatzmeister, Herrn Walter Leisler Kiep, den früheren Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Herrn Werner Münch."

    Soweit die eidesstattliche Erklärung von Dieter Holzer. Er ist kein unbeschriebenes Blatt in Deutschland, wenn es um dubiose Geschäfte geht. Ihm wurden bereits in den 80er Jahren Schmiergeldzahlungen an die CDU angelastet - damals auf lokaler Ebene. Nach dem Buch "Staatsaffäre" von Wilhelm Dietl gehörte Holzer früher zum Freundeskreis von Franz Josef Strauß. Unter dem Decknamen "Baumholder" soll er auch für den Bundesnachrichtendienst gearbeitet haben.

    Die Genfer Staatsanwaltschaft jedenfalls ermittelt gegen den CDU-Kontakt-Mann wegen des Verdachts der Geldwäsche, der Urkundenfälschung und des Betrugs. Die Schweizer und die französischen Behörden versuchen mit Hilfe von Finanzexperten, den Fluss von vermeintlichen Schmiergeldern nachzuvollziehen, was nach Angaben der in Paris mit der Leuna-Minol-Affäre betrauten Untersuchungsrichterin Laurence Vichnievsky aber ein höchst mühsames Unternehmen ist.

    Laurence Vichnievsky: "Fünf Minuten reichen aus, um Millionen von einem Ende der Welt ans andere zu bewegen. Und wir bekommen nach drei oder vier Monaten, wenn wir überhaupt Glück haben, eine Bestätigung der Überweisung oder Informationen über ein Konto, von dem das Geld schon wieder an einen anderen Finanzplatz weitergeleitet worden ist. Dort müssen wir dann erneut um eine Eingangsbestätigung nachsuchen. Mehr muss ich dazu wohl nicht sagen."

    Dass Dieter Holzer sage und schreibe 50 Millionen Mark von Elf-Aquitaine erhalten hat an Provisionen, davon den eigenen An-gaben zufolge aber nichts weitergeben musste, erscheint nicht nur dem Elf-Vermittler Andre Guelfi höchst unglaubwürdig. Und viele Indizien sprechen eine ganz andere Sprache.

    So hat zumindest die Kohl-Vertraute Agnes Hürland-Büning tüchtig kassiert. Die frühere Staatssekretärin im Verteidigungsministerium hat bereits zugegeben, von Elf Aquitaine im Zusammenhang mit dem Bau der Leuna-Raffinerie ein Beraterhonorar von 570.000 Mark kassiert zu haben. Als Gegenleistung für die von Elf gezahlten Honorare habe sie sich mehrfach gegen den Bau einer Pipeline von Ingolstadt nach Emden eingesetzt. Der Kaufmann Dieter Holzer habe sie engagiert. In Sachen Leuna/Minol hat Holzer nicht nur Agnes Hürland-Büning engagiert, sondern auch enge Kontakte zu dem ehemaligen CDU-Schatzmeister Walter Leisler-Kiep unterhalten. Kiep und Holzer hatten sich zum Beispiel im November 1993 mit führenden Elf-Vertretern in Kieps Wohnort Kronberg getroffen, um über die schwierige Lage des Leuna-Projekts zu beraten. Über dieses Gespräch schickte Holzer einen Vermerk an das Bundeskanzleramt. Und von dort, so hat es der Parlamentarische Untersuchungsausschuss der letzten Legislaturperiode herausgefunden, wurde das Holzer-Schreiben an das Bundesfinanz- und Wirtschaftsministerium weitergeleitet - mit der Anmerkung eines Kanzleramtsbeamten:

    "Quellenschutz für Herrn Holzer. Nicht zu den Akten."

    Der christdemokratische Verkehrsminister Günther Krause, so ist längst herausgekommen, war im Mai 1992 Gast in Holzers Villa an der Cote d 'Azur. Und Krause - als zuständiger Minister - hat anschließend die kartellrechtliche Ausnahmegenehmigungen auf den Weg gebracht, die den französischen Konzern besonders begünstigt haben.

    Günther Krause war zunächst für die Herauslösung der wirschaftlich lukrativen Autobahntankstellen aus dem Leuna-Vertrag. Doch plötzlich soll er sich dann doch für deren Einbeziehung einge-setzt haben. Im Bericht des letzten Untersuchungsausschusses ist dazu lesen:

    "Die Verhandlungsschwierigkeiten in diesem Punkt wurden wieder einmal auf politischer Ebene überbrückt."

    Leuna-Minol-Akten aus dem Kanzleramt sind verschwunden. Verwaltungsexperten halten es nahezu für ausgeschlossen, dass dies ohne Wissen der politischen Führung geschehen sei. Doch der damalige Chef des Kanzleramtes, Friedrich Bohl, hält dagegen. In der am Montag erscheinenden Focus-Ausgabe verwahrt er sich dagegen, für verschwundene Akten des Elf/Leuna-Geschäfts verantwortlich gemacht zu werden. Schon während seiner Amtszeit sei 1997 der Verlust der Akten dokumentiert worden. Bohl wörtlich: "Das zeigt, dass die Verschwörungstheorie durch mich absurd ist." Er habe weder Akten mit nach Hause genommen, noch vernichtet oder vernichten lassen. Manche Unterlage taucht jetzt auch wieder auf.

    Die französische Zeitschrift "Paris Match" hat erst kürzlich ein, wie sie es nennt, ungewöhnlich direktes Schreiben von Kanzler Kohl an den damaligen französischen Regierungschef Edouard Balladur publik gemacht, in dem Kohl von dem Premierminister fordert, sich persönlich einzuschalten und ein Scheitern des Leuna-Projekts zu verhindern. Fragen über Fragen, Verdachtsmomente und Spekulationen, die in Frankreich jetzt durch die Fernsehberichte noch ganz besonders angeheizt worden sind, durch die Darstellung, es habe sich weniger um Schmiergelder gehandelt, als vielmehr um eine Wahlkampfhilfe vom sozialistischen Präsidenten Mitterand für den Christdemokraten Helmut Kohl, für den Gegenspieler der deutschen Sozialdemokraten.

    Das zu glauben, wehren sich Frankreichs Sozialisten. Aber nicht nur die. Auch Brigitte Sauzay, die langjährige Dolmetscherin von Präsident Mitterand in den Gesprächen mit Helmut Kohl, sie erklärt, nie etwas von solchen Finanzhilfen gehört zu haben.

    Brigitte Sauzay: "Da bin ich überfragt. Ich weiß wirklich nichts von den Einzel-heiten, die sich da abgespielt haben."

    Jean-Louis Bianco, einst Mitterands engster Mitarbeiter im Elysée, hält die Verdächtigungen gar für "surrealistisch". Die Anschuldigungen aber - das liegt auf der Hand, beschädigen das ohnehin schon angekratzte Andenken des französischen Präsidenten noch weiter. Die Leiche Mitterands bewegt sich noch, schreibt jetzt die Zeitung "Midi Libre" und erinnert an die Affären und die Korruption, die die Ära Mitterands geprägt haben. Ihr Fazit: alles scheint mittlerweile möglich.

    In der Elf-Affäre hat die französische Justiz nun auch den früheren Pariser Wirtschafts- und Finanzminister Dominique Strauss-Kahn ins Visier genommen. Der über eine andere Affäre gestürzte Ex-Minister wird beschuldigt, vor einigen Jahren seiner Sekretärin ein Scheingehalt des Öl-Multis von knapp 60.000 Mark verschafft zu haben.

    Schließlich laufen auch gegen den früheren Mitterand-Freund und Außenminister Roland Dumas Ermittlungen. Auch er steht im Verdacht, Millionen von Elf-Aquitaine bekommen zu haben, dafür dass er seinen Widerstand aufgegeben hat gegen Fregattenverkäufe an Taiwan. Und Wahlkampfhilfen für Helmut Kohl trauen viele Franzosen einem Präsidenten ganz einfach zu, der den Mordanschlag auf das Greenpeace-Schiff Rainbow-Warrier zu verantworten hat, und von dem auch bekannt geworden ist, dass er Hunderte Politiker und Journalisten abhören ließ, ja selbst Schauspielerinnen, die er bewundert hat. Auch der angesehene "Figaro" will deshalb Wahlkampf-Zahlungen an Helmut Kohl nicht ausschließen und stellt die Frage, ob Mitterand mit Geld vielleicht seine Vorbehalte gegen die deutsche Wiedervereinigung vergessen machen wollte.

    Die deutsche Einheit sei von den Deutschen gewollt gewesen, dem habe man sich absolut nicht widersetzen können. Es sei nur nötig gewesen, Verhandlungen zu führen, um die Vereinigung zu bestmöglichen Bedingungen für alle Welt zu erreichen, so begründete Mitterand einst seine umstrittene Deutschland-Politik in einem Interview, das jetzt wieder aus den Archiven geholt wurde. Wiedergutmachung ?, - eher doch nicht, meinen andere Pariser Kommentatoren. Die damalige französische Führung sei aber felsenfest davon überzeugt gewesen, dass eine Wahlniederlage Helmut Kohls den europäischen Aufbau gefährdet hätte.

    Airy Routier: "Man muss die damaligen Umstände berücksichtigen. Mitterand hat Europa und den Euro unbedingt durchsetzen wollen. Deutschland war am Kippen. Ich glaube, da hat Mitterand einfach nicht die Skrupel gehabt, die wir heute haben. Das heißt: alles war erlaubt um Kohl zu helfen. Und Kohl, der über alles informiert war, hat das Geld von Elf akzeptiert, um seine Wiederwahl zu fördern."

    Der Buch-Autor Airy Routier, der die Leuna-Minol-Affäre 1997 mit aufgedeckt hat mit seinen Recherchen, geht zwar nach wie vor von Schmiergeldzahlungen aus - hält es aber auch für wahr, dass Mitterand selbst Finanzspritzen für Kohl organisiert hat.

    Ein Verdacht, der aus Pariser Sicht durch das Schweigen des Alt-Kanzlers noch zusätzlich genährt wird - wenngleich Kohl bereits dementiert hat, von Mitterand finanzielle Wahlkampfhilfe erhalten zu haben. Das sei "frei erfunden und erlogen". Und aus Berliner Sicht? Aus Sicht der CDU-Führung? CDU-Parteichef Wolfgang Schäuble und Generalsekretärin Angela Merkel erklärten, es gebe keine Hinweise auf Zahlungen von Elf an die CDU. Angela Merkel wies darauf hin, ....

    Angela Merkel: "... dass nach den Untersuchungen der Wirtschaftsprüfer keiner-lei Anhaltspunkte für derartige Vermutungen bestehen, und dass diese Spekualtionen aber nur wieder deutlich machen, dass wir, solange wir über Herkünfte bestimmter Mittel nichts wissen, Spekulationen da sind. Das heißt, die Notwendigkeit besteht, alle Sachverhalte möglichst weitgehend aufzuklären."

    Die Zeitung "Liberation", die jetzt fragt, ob sich Kohls Ver-halten mit Altersschwäche oder völligem Versagen erklärt, meint aber auch, dass die Auswirkungen der Affäre auf Frankreich bis-her noch unterschätzt wurden. Die Millionen-Zahlungen aus Frankreich, so heißt es jetzt an der Seine, sie könnten durch die Untersuchungen in Deutschland bald schon wie ein Bumerang nach Paris zurückkommen.