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Das Lied vom Wäschewaschen

Mit dem künftigen chinesischen Präsidenten Xi Jinping verbinden etliche Tibeter große Hoffnungen. Internationale Tibet-Aktivisten haben einen Katalog mit Forderungen an die neue chinesische Führung veröffentlicht. Doch konkrete Anzeichen für einen Wandel in der Tibet-Politik gibt es bislang nicht.

Von Silke Ballweg |
    Der Bus schaukelt langsam die Anhöhe hinauf, über Gebirgsflüsse hinweg, auf bis zu 4000 Meter. Immer weiter geht es nach Norden, in Richtung Tibet. Doch in Deqin, kurz vor der Grenze, ist Schluss. Seit den gewaltsamen Ausschreitungen in Lhasa im Jahr 2008 dürfen ausländische Journalisten nicht nach Tibet einreisen. Auch für internationale Touristen ist die Region derzeit gesperrt. Tibet ist abgeriegelt.

    Wie die Situation in Tibet genau ist, lässt sich deshalb nur schwer sagen. Wie streng etwa die Klöster von chinesischen Sicherheitskräften kontrolliert sind. In Tibet selbst und in den an Tibet angrenzenden Provinzen wie Sichuan oder Qinghai haben sich während der vergangenen drei Jahre mehr als sechzig Personen verbrannt. Allein Ende Oktober zündeten sich an sieben Tagen sieben Menschen an – ein trauriger, neuer Höhepunkt. Während es anfangs vor allem buddhistische Mönche waren, opfern sich inzwischen immer mehr junge Menschen, etwa Bauern und Familienväter. Ausländischen Medienberichten zufolge zahlen die chinesischen Behörden umgerechnet mehrere tausend Euro für Informationen, die Hinweise auf geplante Selbstverbrennungen geben. Der Dalai Lama hat sich mittlerweile auch zu dem Thema geäußert. In einem auf seiner Homepage veröffentlichten Interview sagt er:

    "Es ist schwierig, darüber zu urteilen, ob diese Methode richtig oder falsch ist. Unbestritten ist jedoch: diese Menschen haben eine gewaltlose Form des Widerstand gegenüber der chinesischen Politik ausgeübt."

    Chinesische Politiker, der Sprecher des Außenamtes und die staatlich gelenkten Medien des Landes haben den Dalai Lama wiederholt beschuldigt, die Selbstverbrennungen aus dem indischen Exil in Dharamsala heraus zu steuern. China wirft dem Dalai Lama vor, die Tibeter sogar zu Verbrennungen zu motivieren. Der weist diese Anschuldigungen jedoch von sich.

    "Ich sehe mich eigentlich nur als eine Art Sprachrohr für die Tibeter. Aber ich bin nicht ihr Chef. Wenn es überhaupt einen Chef gibt, dann sind die sechs Millionen Tibeter mein Chef. Die Tibeter durchleben gerade eine verzweifelte Situation durch. Wenn diese Menschen ihr Leben für das Gemeinwohl opfern, dann ist das aus buddhistischer Perspektive heraus durchaus positiv. Aber im Moment werden diese Handlungen aus Wut und aus Hass vollzogen, das ist falsch. Es ist also sehr schwierig, darüber zu urteilen. Aber eines ist sicher: es ist sehr, sehr traurig."

    In Peking selbst wird von heute an die neue Führung des Landes bestimmt. Es gilt als wahrscheinlich, dass Xi Jinping künftig das Amt des Staatspräsidenten bekleiden wird. Das weckt bei Tibetern Hoffnung. Denn Xi Jinpings Vater Xi Zhongxun war ebenfalls Politiker. Er traf bereits in den Fünfzigerjahren den Dalai Lama. Diese alte familiäre Bindung sehen so manche Tibeter als vielversprechend an. Sie hoffen, dass Xi Jinping in der Tibetpolitik Kooperationsbereitschaft signalisiert. Lobsang Sangay, der Ministerpräsident der tibetischen Exil-Regierung sagte in einem Interview mit Blick auf Xi Jinping, man müsse abwarten, ob der Sohn wie der Vater sei. Tibeter aber seien grundsätzlich hoffnungsvolle Menschen. Der Dalai Lama gibt sich hingegen nüchtern.

    "Das ist schwierig zu sagen. Ich will keine Spekulationen nähren. Es ist besser, zu warten. Sechs Monate, ein Jahr, oder zwei Jahre. Dann werden wir sehen."

    Internationale Tibet-Aktivisten haben unterdessen einen Katalog mit Forderungen an Xi Jinping und die künftige chinesische Führung publiziert. Tendor Dorjee von der Vereinigung Students for a Free Tibet:

    "Xi Jinping muss den Militäreinsatz in Tibet beenden, mit dem die Aufstände gewaltsam niedergeschlagen werden. Alle Truppen sollen aus den Klöstern und den Orten abgezogen werden, an denen friedliche Demonstrationen stattgefunden haben. Xi muss internationalen Journalisten, Beobachtern und Touristen uneingeschränkten Zugang nach Tibet gewähren. Er soll zudem gewährleisten, dass die Tibeter ihre Religion friedlich ausüben und ihre Sprache weitergeben können."

    Allerdings gibt es bislang keine konkreten Anzeichen dafür, dass Xi Jinping in der Tibet-Politik tatsächlich einen neuen Kurs einschlagen wird. Im Gegenteil. Während eines Besuchs in Lhasa im vergangenen Jahr machte er klar: China werde weiterhin hart und entschlossen gegen Separatisten in Tibet vorgehen. Auch die chinesische Propagandamaschinerie beschäftigt sich weiter mit Tibet.
    Das "Lied vom Wäschewaschen" preist Chinas kommunistische Partei. In dem Lied danken tibetische Frauen den Soldaten dafür, dass die Armee sie befreit hat und ihnen jetzt Straßen und Brücken baut. Das Lied vom Wäschewaschen ist ein Propaganda-Song, der erstmals 1964 erklang und vor allem in Tibet gespielt wurde. In den vergangenen Jahren wurde er neu aufgelegt und meist von Peng Liyuan gesungen. Peng Liyuan ist eine bekannte Volkssängerin in China, die regelmäßig in Fernsehgalas auftritt. Vor allem aber ist Peng Liyuan die Ehefrau von Xi Jinping. Und damit vermutlich Chinas künftige First Lady.