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Das Massaker vom 17. Oktober 1961 in Paris

Vor 50 Jahren ließ Maurice Papon als Polizeipräfekt eine Demonstration von Algeriern blutig niederschlagen. Mindestens 40 Menschen starben dabei. Zum Jahrestag finden heute in ganz Frankreich Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen statt.

Von Martina Zimmermann |
    Der Direktor der Internetzeitung "Mediapart" Edwy Plenel ruft im Pariser Cabaret Sauvage zu "Wahrheit und Versöhnung" auf: 50 Jahre nach dem Ereignis soll der französische Staat endlich das Massaker vom 17. Oktober 1961 in Paris als solches anerkennen. Zahlreiche Prominente haben die Forderung bereits unterzeichnet, darunter der Autor von "Empört Euch", Stéphane Hessel. Auch der algerische Sänger Idir unterstützt den Appell:
    "Da passierte ein Staatsverbrechen. Vom Staat bestellt, von staatlichen Beamten ausgeführt. Der Staat muss das anerkennen. Deutschland hat es geschafft: Eines Tages gab es ein tolles Foto vom französischen Präsidenten mit Helmut Kohl. Sie reichten sich vor einem Denkmal die Hand."

    30.000 Algerier strömten am Abend des 17. Oktober 1961 in die französische Hauptstadt. Sie wollten friedlich protestieren gegen die nächtliche Ausgangssperre für " französische Muslime ", die Polizeipräfekt Maurice Papon wenige Tage zuvor verhängt hatte. Malika Boumia war damals mit ihrer Familie unter den Demonstranten. Sie war zehn Jahre alt:
    "Als wir an der Brücke von Neuilly ankamen, hörten wir Schüsse, Schüsse schwirrten um unsere Köpfe, Panik brach aus. Die Seine war nicht weit. Menschen wurden in Säcke verpackt und in den Fluss geworfen. Ich glaube, sie waren lebendig. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen."

    Taieb Benadouga war damals 28. Da Algerien ein französisches Departement war, galt er nicht als "Gastarbeiter", sondern als "französischer Muslim". Er wurde verhaftet und danach wie mindestens 11.000 andere Festgenommene tagelang in einer Personensammelstelle gefangen gehalten, ohne Essen und unter Schlafentzug.

    "Als wir aus der Metro ausstiegen, wurden wir verhaftet und mussten die Hände auf dem Kopf verschränken. Die Polizei schlug zu, Menschen fielen zu Boden. Ich bin zum Glück nicht hingefallen. Ich dachte damals, die Verletzten würden in Krankenhäuser gebracht. Aber sie wurden in die Seine geworfen."

    In den darauffolgenden Wochen wurden in der Seine Leichen geborgen: Lauter Algerier, manchen waren die Hände auf dem Rücken gefesselt, die meisten trugen Spuren von Schlägen auf dem Kopf. Nachdem das gerichtsmedizinische Institut 40 Leichen gezählt hatte, ließ der Innenminister eine Bilanz von sechs Toten veröffentlichen. Zensur und Amnestiegesetze bewirkten, dass dieses dunkle Kapitel der französischen Geschichte Jahrzehnte lang tabu blieb. Bis heute gibt es keine offizielle Zahl der Opfer. Historiker gehen jedoch von mehreren Hundert Toten aus.

    Die französisch-algerische Geschichte vergiftet bis heute die Beziehungen zwischen den beiden Staaten, aber auch das Klima in Frankreich, wo die Kinder der Einwanderer aus Algerien mit den Nachkommen der Algerienfranzosen zusammenleben. Nach 130 Jahren Kolonialherrschaft kehrte fast eine Million der europäischen Siedler nach dem Kriegsende und der Unabhängigkeit Algeriens nach Frankreich zurück. Nach 50 Jahren sei die Zeit reif für eine objektive Geschichtsschreibung, meint "Mediapart"-Direktor Edwy Plenel.

    "Das Klima ist gut, wenn Frankreich aufhört, die Geschichte zu nutzen, zu manipulieren, zu politisieren, um Hass und Diskriminierung zu säen, wie es die derzeitige Regierung tut. Wir brauchen ein offizielles Wort! So wie Präsident Chirac die Judendeportation unter Vichy anerkannt hat, so wollen wir eine offizielle Anerkennung der Tragödie des 17. Oktober 1961. "