In seinem Geländewagen fährt Bürgermeister Alfons Schinabeck durch Neuschönau. Sein Dorf. Mitten im Bayerischen Wald. Der Kirchturm überragt alle anderen Gebäude und auf den Wiesen liegt noch Schnee. Vor dem "Sporthotel Heidelberg" parkt der junge Bürgermeister das Auto. Wegen dieser Immobilie kracht es zurzeit in Neuschönau. "Ich bin vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Letztendlich hat mich abends der zweite Feuerwehrkommandant angerufen und hat gesagt, irgendwas passiert in Neuschönau. Es wird ein Einsatz geplant. Kurze Zeit darauf hat das Telefon geläutet, war der Landrat dran: Es kommt was auf uns zu in Sachen Asyl."
Ein paar Kinder spielen vor dem früheren "Sporthotel Heidelberg". Das Gebäude steht am Rand einer kleinen Anhöhe. Drei Stockwerke. Gut in Schuss. Bis ins letzte Jahr lief hier der Hotelbetrieb. Dann wurde das Haus erst mal geschlossen, weil es sich nicht mehr rechnete.
Im Oktober kaufte dann ein Geschäftsmann aus Oberbayern die Immobilie - und funktionierte sie in einer Nacht- und Nebelaktion zur Erstaufnahmeeinrichtung um. Sofort zogen gut 100 Flüchtlinge hier ein. Aus Syrien, Eritrea und Nigeria. Niemand dachte daran, Bürgermeister Schinabeck vorzuwarnen. Weder die Regierung von Niederbayern, die den Auftrag vergeben hatte, noch der neue Hausherr. "Ich hab es so empfunden, dass er der Geschäftemacher ist, der die Ware Mensch maximal nutzen möchte, um Gewinn zu machen."
Investoren steigen ein
Nicht nur der Bürgermeister, auch viele Bürger aus Neuschönau glauben: Der neue Investor will nur Geschäfte machen: Josef Haberstroh. Weißblond, Schnauzbart, Goldkettchen. Bisher sei er ganz zufrieden damit, wie es läuft in Neuschönau. "Im Großen und Ganzen gut. Ein Problem haben wir. Das steht hinter Ihnen."
Mit dem "Problem" meint er den Bürgermeister, der jetzt auch im Eingangsbereich des Sporthotels steht. Ihm wirft Haberstroh einiges vor: die Gewerbeanmeldung habe er ihm verweigert, jetzt wolle er die Unterkunft mithilfe einer richterlichen Verfügung loswerden. Josef Haberstroh ist kein unbeschriebenes Blatt. In Ingolstadt beschäftigten er und sein Abschleppunternehmen immer wieder die Justiz – und die Lokalpresse: Er verdiente damit, widerrechtlich geparkte Autos von Supermarkt-Parkplätzen abzutransportieren. Das lief nicht immer ohne Reibereien mit den Fahrzeughaltern. Das Landgericht Ingolstadt verurteilte ihn wegen Beleidigung und Bedrohung. Jetzt möchte Haberstroh also ins Geschäft mit Asylbewerber-Heimen einsteigen. Das "Sporthotel Heidelberg" soll nur der Anfang gewesen sein. "Ich bin noch an zwei Projekten dran. Ich hab die Dinger schon angeschaut. Es sind natürlich Dinger in die Richtung da."
"In die Richtung", also von ähnlicher Qualität wie das Hotel in Neuschönau. Was er damit genau verdient, möchte er nicht sagen. Es hat sich jedoch herumgesprochen, dass er pro Flüchtling und Tag 38 Euro von der Regierung von Niederbayern bekommt. Für die Unterkunft und – da es eine Erstaufnahmeeinrichtung ist – auch für die Verpflegung mit drei Mahlzeiten täglich. Die Bewohnerzahlen fluktuieren ständig. Aber bei einer durchschnittlichen Belegung mit im Schnitt 100 Flüchtlingen könnte er einen Umsatz von über 100.000 Euro im Monat machen. Als Geschäftemacher sieht er sich aber nicht. "Geldmäßig wird wahrscheinlich auf Jahre nicht viel übrig bleiben."
Gemeinde hat eigene Pläne
Der Bürgermeister will die Vorwürfe des Investors nicht auf sich sitzen lassen. Er gesteht ihm sogar zu, dass die Unterkunft mittlerweile ordentlich geführt sei. Trotzdem will er ihn nicht auf Dauer hier haben. Denn die "Bauleitplanung" der Gemeinde sehe für den Standort eine Ferienanlage vor. Keine Flüchtlingsunterkunft. Den Betrieb aktiv unterbinden will Alfons Schinabeck deswegen aber nicht. "Die Regierung hat zu mir gesagt, dass der Vertrag ein halbes Jahr läuft aus dieser Notsituation heraus. Und wir lassen die Regierung auch nicht hängen und sagen: Gut, das halbe Jahr, kein Thema."
Gegen Flüchtlinge in Neuschönau hat er nichts. Das beteuert der Bürgermeister. Nur wäre es ihm lieber, die Gemeinde könnte selbst aktiv werden - und nicht ein privater Geschäftsmann. "Man bekommt pro Person einen Betrag X und man versucht natürlich da den maximalen Gewinn als Geschäftsmann rauszuholen. Und ich glaube, eine Kommune sieht das von der Seite, dass die Menschen optimal untergebracht sind."
Aufträge über mehrere Millionen
Das Internetportal "TED" der Europäischen Union. Hier werden Aufträge veröffentlicht, die der Staat vergeben hat. Und hier kann jeder einsehen, dass es längst nicht nur Einzelpersonen sind, die ein Geschäft wittern. Im Asyl-Markt agieren auch große Player.
23. Dezember 2014, etwa: Deutschland, Berlin. Bezeichnung des Auftrags: Baumaßnahme, Wohncontainer für Flüchtlinge in Berlin, Lieferung und schlüsselfertige Übergabe. Veranschlagter Gesamtauftragswert: über 33 Millionen Euro. Den Zuschlag bekommen die Firmen ALHO, Algeco und CHB.
9. Dezember 2014. Deutschland. Gifhorn. Auftragsbezeichnung: "Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen in einer Gemeinschaftsunterkunft". Zuschlagskriterium: der niedrigste Preis. Zuschlag erteilt an "European Homecare".
Das Unternehmen aus Essen betreibt rund 50 Flüchtlingsheime in Deutschland. Millionenumsatz. Marktführer. Und immer wieder Negativschlagzeilen. Im vergangenen Herbst drangen Fotos an die Öffentlichkeit, auf denen Wachmänner Flüchtlinge misshandeln. Sie stammten aus einem Heim von European Homecare in Nordrhein-Westfalen. Die Sicherheit dort war outgesourct an ein Subunternehmen. European Homecare hat trotz des Skandals weitere Aufträge bekommen. Dabei ist die Firma längst nicht die einzige auf dem Markt.
"Herr Pohl, hallo... Und morgen sind Sie auch nicht greifbar, oder?" Radebeul, Sachsen. Ein paar Kilometer von Dresden entfernt. Am Rand eines Gewerbegebiets steht eine Flüchtlingsunterkunft. Ein ziemlich heruntergekommener Containerbau aus DDR-Zeiten. Zwei Stockwerke. Weiß-blau angestrichen. Eigentlich wollte der private Betreiber jetzt zu einem Interview hier sein. Doch ein wichtiger Bank-Termin kam dazwischen. "Ginge das denn morgen, dass ich morgen gegen 17.00 Uhr vorbei komme?" Ein neuer Termin mit Wilfried Pohl, Geschäftsführer der ITB Dresden GmbH und ein Mann mit Stasi-Vergangenheit. Die Bürger, die sich hier ehrenamtlich engagieren, finden schon vorher Zeit für ein Treffen.
Jetzt erst recht helfen
Die Ehrenamtlichen vom Verein "Bündnis Buntes Radebeul" veranstalten ihre allwöchentliche "Plauderrunde", wie sie es nennen. Der Gemeinschaftsraum des Flüchtlingsheims ist voller Menschen. Viele Bürger aus Radebeul. Etliche Flüchtlinge. Auf dem Tisch stehen Getränke, Kekse und Obst.
"Im Zuge von Pegida hat uns das viele Unterstützer reingespült. Offenbar gibt es eben einfach viele Leute, die sagen: Jetzt erst recht und jetzt mach ich mich auf den Weg." Jeanette Eckel hat das "Bündnis Buntes Radebeul" im Sommer 2013 mitbegründet. Aktiv wurde sie damals, weil sie es als Skandal empfand, wie die Flüchtlinge hier leben mussten. "Damals waren die sanitären Anlagen in einem erbärmlichen Zustand. Und es ist auch einfach keine Art, ausschließlich Männer zusammenzupferchen aus unterschiedlichen Nationen, die den ganzen Tag nichts zu tun haben. Da sind doch Probleme vorprogrammiert. Das ist doch logisch."
Rund 130 Männer aus Nordafrika, dem Irak, Afghanistan leben hier - zum Teil seit Jahren, weil ihre Asylverfahren immer noch nicht abgeschlossen sind. Jetzt können sie zu den Gesprächsrunden gehen, an den kostenlosen Deutschkursen teilnehmen, mit den Ehrenamtlichen kochen oder Ausflüge ins Museum unternehmen. Doch bevor Jeanette Eckel und ihre Mitstreiter die Arbeit aufnahmen, konnten die Flüchtlinge oft den ganzen Tag nichts anderes tun als warten. Es kam zu Vandalismus und Messerstechereien.
"Ich heiße Shivan Gazi. Ich stamme aus Nordirak. Seit fünf Jahren bin ich hier im Asylheim." Shivan Gazi geht voraus. Die Treppe hoch, durch die Gänge des ehemaligen DDR-Arbeiterwohnheims mit ihrer schwachen Beleuchtung. Die Wände sind weiß und grün gestrichen. Es kann noch nicht so lange her sein, trotzdem finden sich überall schmutzige Streifen. Auf jedem Gang gibt es eine Küche. Zwei verschmutzte Herde. Ein paar Edelstahlarbeitsflächen.
Groß ist das Zimmer von Shivan Gazi nicht. 10, 15 Quadratmeter vielleicht. Die Möbel hat er sich zum Teil selbst zusammengesucht. Ein weinrotes Sofa mit altmodischem Couchtisch. Auch die Rollos an den Fenstern brachte er selbst an. Schon seit längerer Zeit bewohnt er ein Einzelzimmer. Am Anfang musste er sich ein gleichgroßes Zimmer mit zwei anderen Männern teilen.
Private Heime auf den hinteren Rängen
Auf dem Rückweg zum "Plauderabend" erzählt er, was sich durch die letzte Renovierung verbessert hat. "Es ist besser. Hat gemalt und sauber. Aber noch bisschen kalt, wenn es Winter. Und im Sommer auch es bisschen stinkt."
Bei den Kontrollen für den offiziellen sächsischen "Heim TÜV" für Gemeinschaftsunterkünfte schnitt das Flüchtlingsheim Radebeul jedes Mal schlecht ab. Zuletzt landete es auf Platz 35 – bei insgesamt 40 überprüften Einrichtungen. Bemängelt wurden: der alte und abgewohnte bauliche Zustand, Schimmel- und Schädlingsbefall, die immer wieder auftretenden Straftaten und das Fehlen von Wachpersonal. Von einzelnen Ausnahmen abgesehen landeten die Heime privater Betreiber beim "Heim TÜV" auf den hinteren Rängen. Dennoch setzt kein anderes Bundesland so stark auf gewinnorientierte Unternehmen wie Sachsen, wenn es um die Unterbringung von Asylbewerbern geht.
"Wir haben einen sehr günstigen Betreibervertrag mit der ITB abgeschlossen. Der bedeutet, dass wir pro belegtes Bett 6,50 Euro zahlen. In diesen 6,50 Euro sind zum einen die Mietkosten drin, die Betriebskosten und darüber hinaus die Heimbetreibungskosten." Günstig und zuverlässig – und das seit vielen Jahren. Ulrich Zimmermann vom Landratsamt Meißen hat an der Zusammenarbeit mit der ITB Dresden nichts auszusetzen. Die ITB betreibt nicht nur die Gemeinschaftsunterkunft in Radebeul, sondern noch eine zweite im Landkreis. Mit 6,50 Euro pro Tag und Flüchtling liegt die Firma weit unter dem, was Mitbewerber auf dem Markt derzeit verlangen.
"Im Moment sind die Preise so hochgetrieben, weil die Menschen wissen, dass die Unterbringungsbehörden in Not sind und Unterkünfte stellen müssen. Wir haben gegenwärtig Angebote auf dem Tisch bei 12,50 Euro, 14,50 Euro. Und aus Sachsen weiß ich, Nordsachsen speziell, dass die Preise bis auf 20 Euro hochgehen."
Kein Geld für Sanierungen
Der Vertrag mit der ITB stammt aus der Zeit lange bevor die Zahl der Asylbewerber wieder so stark anstieg. "Und man muss bei dem Vertrag dazu sagen, es sind nicht die Finanzierungskosten drin, die Immobilie ist abgeschrieben. Deshalb ist es auch günstiger."
Ulrich Zimmermann kennt die miesen "Heim TÜV"-Ergebnisse, weiß von Messerstechereien und Straftaten. Doch für eine umfassende Sanierung oder gar einen Neubau in Radebeul sei kein Geld da. Für einen Sicherheitsdienst auch nicht. Vom Land Sachsen komme zu wenig, sagt der Verwaltungsdezernent. "Natürlich gibt es schönere Einrichtungen. Aber wir sind im Moment nicht in der Lage, solche Dinge zu finanzieren."
Und was ist mit Wilfried Pohl, dem Geschäftsführer der ITB? Er war früher Offizier bei der Stasi, verhörte "Republikflüchtlinge". Das ergaben Recherchen der Zeitung "Die Welt" im vergangenen Jahr. War das für den Landkreis ein Grund, die Zusammenarbeit zu hinterfragen? "Ich hab an der Zusammenarbeit nie Zweifel gehabt. Herr Pohl ist durch uns vertraglich sehr lange Zeit gebunden. Ich hab einen persönlich sehr guten Eindruck von ihm gewonnen. Und was die Vergangenheit anbetrifft, so ist das eine moralische Bewertung, die hier von ihm selber vorgenommen werden muss. Ich bin nicht der Richter über derartige Personen."
DDR-Vergangenheit im Fokus
Noch einmal auf dem Weg zur Gemeinschaftsunterkunft in Radebeul - zum neuen Termin mit Wilfried Pohl, dem Geschäftsführer der ITB. Sein Büro ist im Erdgeschoss des Flüchtlingsheims. Er sitzt an einem langen Holztisch, in einem Raum der offenbar Kaffeeküche und Besprechungsraum in einem ist. Alles wirkt schlicht. Eine einfache Küchenzeile, weiße Wände und eine einsame Blume auf dem Tisch.
"Wenn, dann kann man mir meine Staatsnähe, Staatstreue vorwerfen, aber mehr auch nicht." Wilfried Pohl ist ein sehr ruhiger, zurückhaltender Mann. Er bleibt immer sachlich, trotzdem spürt man, wie sehr ihn der lange Artikel, in dem "Die Welt" im vergangenen Jahr seine DDR-Vergangenheit ausbreitete, getroffen hat. Der Tenor: Früher verhörte er - ohne Gnade - Republikflüchtlinge. Heute verdient er mit Flüchtlingen aus anderen Ländern sein Geld. Für ihn war der Bericht "Story-Hascherei". Schließlich habe er sich an Recht und Gesetz der DDR gehalten. Auch wenn das aus heutiger Sicht moralisch fragwürdig sei. "Wichtig ist, dass ich als Mensch jetzt akzeptiert werde, dass ich zu meinem Wort stand und dass ich offensichtlich über die Jahre auch vertrauenswürdig gesehen wurde."
Lange Asylverfahren belasten
Für die Landkreise in Sachsen bleibt Wilfried Pohl der wichtigste Ansprechpartner in Sachen Asyl. Seine ITB Dresden GmbH mit ihren rund 60 Mitarbeitern betreibt sieben große Gemeinschaftsunterkünfte mit insgesamt 1.500 Plätzen. Dazu kommen diverse Wohnungen zur "dezentralen Unterbringung".
Dass das Asylbewerberheim in Radebeul im "Heim TÜV" so schlecht abschnitt – abgewohnt, Schimmel, marode Bäder – dafür sieht Wilfried Pohl die Schuld auch beim Landkreis. "Das war gerade so die Zeit, wo der Landkreis eben die Objekte auf Sparflamme betrieben hat über uns - wenig Geld. Wo ich auch mehrfach Schreiben ans Landratsamt gerichtet habe, ich hab gesagt, es ist Sanierungsbedarf. Aber der ist eben mit diesen Beträgen, damals haben wir noch von 5,50 Euro oder 70 so gesprochen. Das hat sich dann gesteigert auf 6,00 Euro und dann diese 6,50 Euro. Da war das nicht machbar."
Mittlerweile habe er 120.000 Euro in den Containerbau gesteckt – in besseren Lärm- und Brandschutz und neue Toiletten und Duschen. Trotzdem bleibt das Haus in Radebeul unattraktiv – gerade für die Bewohner, die hier ewig auf den Abschluss ihres Verfahrens warten müssen. "Wenn man hier mehrere Jahre lebt, dann ist das schon eine Zumutung. Und da ist aber die Politik gefordert, dass einfach Entscheidungen getroffen werden."
Keine üppigen Erträge
Deutlich mehr Geld vom Landkreis verlangen, um die Einrichtung grundlegend zu verbessern, will er aber auch nicht. Obwohl er angesichts des Flüchtlingsstroms in einer guten Verhandlungsposition wäre. Nein, Pohl möchte langfristig im Geschäft bleiben. Auch wenn er damit nicht reich werde. "Insgesamt ist es natürlich so, dass die erwirtschafteten Beträge oder Erträge nicht so üppig sind, wie das gemeinhin der eine oder andere vielleicht sieht. Die Bilanz 2013 weist einen Gewinn aus, der liegt bei – ich glaube so - 1,5 Prozent. Das ist nicht die Welt."
In letzter Zeit melden sich immer wieder Leute aus ganz Deutschland bei ihm, die ihn überreden wollen, gemeinsam neue Flüchtlingsheime zu eröffnen und angeblich schon aussichtsreiche Objekte dafür hätten. "Für mich sind's Hasardeure, die aufspringen auf den Zug, der da heißt Asylbewerber-Unterbringung und dort einfach versuchen, mit recht zwiespältigen Versprechungen und auch recht windigen Objekten das schnelle Geld zu machen."
In Radebeul ist es ein ehemaliger Stasi-Offizier. Woanders betreiben Inhaber von Hotels oder Restaurants Flüchtlingsheime – und verdienen an den Asylbewerbern. Im Bayerischen Wald sorgte der Fall Neuschönau für einen Eklat. Der Abschleppunternehmer Josef Haberstroh, der in einer Nacht und Nebel-Aktion ein altes Hotel zur Erstaufnahmeeinrichtung umfunktionierte. Dieser Fall erzeugte so viel Aufsehen, dass andere Kommunen solch eine Situation unbedingt vermeiden wollten.
Gemeinden werden vorsorglich aktiv
Freyung im Bayerischen Wald. Ein bisschen ungläubig schaut der junge Bürgermeister Olaf Heinrich auch heute noch auf die gigantische Immobilie, die jetzt ihm – beziehungsweise der Stadt Freyung – gehört. Die alte Kurklinik auf dem Geyersberg, ein 40 Jahre alter, grauer Betonkoloss. Aus heutiger Sicht: eine Bausünde, mitten auf einem der schönsten Hügel der Gegend. 30.000 Quadratmeter Fläche. 450 Betten, voll möbliert – aber seit 15 Jahren ist die Kurklinik geschlossen. Im November hat die Gemeinde spontan zugeschlagen, um anderen zuvorzukommen. "Man hatte schon den Eindruck, dass es Menschen gibt, die aufgrund des großen Zustroms von Flüchtlingen händeringend nach Immobilien suchen, die sie billig kaufen und teuer vermieten können. Also diese Glücksritter, die in die Region keinerlei Verbindung haben, aber den schnellen Euro verdienen wollen, die gab es zweifellos."
Schon das riesige Foyer wirkt aus der Zeit gefallen. Die meterlange, geschwungene Rezeption mit dunkler Holzvertäfelung. Beiger Fußboden. Auf einer mintgrün gepolsterten Bank sitzen zwei Dutzend Männer und Frauen jeden Alters. Flüchtlinge. Die meisten bleiben nur ein paar Tage, da die alte Kurklinik nur eine Notunterkunft ist. "This Hotel is very good. To stay here it is very good."
Weiterverkauf des Hotels soll das Geld bringen
Vier Millionen Euro zahlte die verschuldete Kommune für die Immobilie. Und die Investition soll kein Draufzahlgeschäft werden. Weil es eine Erstaufnahmeeinrichtung mit Komplettverpflegung ist, bekommt Freyung pro Flüchtling und Tag knapp 40 Euro von der Bezirksregierung. Bei einer Belegung mit im Schnitt 300 Personen ergibt das einen Millionenumsatz im Jahr. Allerdings wurde Personal eingestellt und die Heizungsanlage schluckt Unmengen an Öl. Der Stromverbrauch ist riesig. "Im Idealfall werden wir einen Überschuss im Jahr 2015 von 1,3 Millionen erwirtschaften, den wir aber brauchen, um die Vier-Millionen-Investition zumindest zum Teil zu bezahlen. Also, wir werden sicherlich keine Nettogewinne jetzt über die Laufzeit von zwei Jahren erzielen können."
Am Ende soll der Weiterverkauf des Objektes den erhofften Gewinn bringen. Ein privater Sicherheitsdienst überwacht das Gelände rund um die Uhr. Die polizeilichen Führungszeugnisse all seiner Mitarbeiter wurden vorher überprüft. "Ich kann nur sagen, dass wir gerade bei Sicherheit aber auch was die Qualität beispielsweise beim Essen angeht, nicht auf jeden Euro schauen. Uns liegt sehr daran, dass die Leute, die hier sind wirklich gut untergebracht sind. Ich könnte mir vorstellen, dass jemand, der Gewinne erzielen will, da an der ein oder anderen Schraube dreht."
Erst im obersten Stockwerk wird einem klar, wieso die Rechnung von Bürgermeister Olaf Heinrich aufgehen könnte – und die Gemeinde am Ende zwei Dinge auf einmal erreicht hätte: eine ordentliche Unterbringung für Flüchtlinge, die sie selbst kontrollieren kann, und ein lohnendes Geschäft. Das alte Panoramarestaurant ist noch voll möbliert, in einer Ecke steht ein verstaubter Flügel – und rundherum sind große Fenster mit traumhafter 360-Grad-Aussicht über den Bayerischen Wald.
"Unser Wunsch wäre, dass diese außergewöhnliche Lage mit dem tollen Fernblick auch in Zukunft für ein Hotel genutzt wird. Wir werden jetzt diese über vier Hektar Fläche jetzt möglichen Investoren anbieten, wollen dann auch sicher sein, dass das nicht eine Geldanlage ist und nichts passiert, sondern dass tatsächlich dann hochwertige Hotelbetten entstehen."