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Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig
Ein unerwünschtes Geschichtsbild

Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig wurde offiziell noch gar nicht eröffnet - und bangt schon um seine Zukunft. Der rechtskonservativen Regierung passt das Geschichtsbild nicht, das dort vermittelt werden sollte. Deshalb wurde die Dauerausstellung jetzt schon einmal präsentiert, bevor das Museum möglicherweise abgewickelt wird.

Von Martin Sander |
    Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig in der Bauphase im April 2016.
    Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig in der Bauphase im April 2016. (Imago)
    "Für mich als Historiker ist das eine neue Erfahrung mit einer Ausstellung: Die erste, denke ich, über den Krieg, die versucht, die multiperspektivische Haltung vorzustellen, nicht nationale, eine Perspektive vor allem der Opfer."
    Robert Traba, Leiter des Zentrums für historische Forschung der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Traba war einer von vielen Historikern, Zeitzeugen und Journalisten, die gestern nach Danzig reisten. Auf dem Programm stand die inoffizielle Eröffnung des Museums des Zweiten Weltkriegs, weil niemand weiß, ob es eine offizielle Eröffnung in der geplanten Form überhaupt noch geben kann.
    Den Kern der polnischen Erfahrung zeigen
    Auf vielen Wegen macht die Regierung gegen das Museum Front, auch deshalb, weil sie darin ein Leuchtturmprojekt der ihr verhassten liberalkonservativen Vorgängerregierung erblickt. Nun soll in Danzig ein anderer, nationaler Wind wehen. Der regierungsnahe Historiker Jan Żaryn erklärt:
    "Aus meiner Sicht und, wie ich hoffe, nicht nur aus meiner, sollte ein solches Museum berücksichtigen, dass wir in der internationalen Debatte über viele Jahrzehnte nicht zu Wort gekommen sind. Deshalb sollte dieses Museum vor allem die Spezifik der polnischen historischen Erfahrung vorstellen. Wir sollten etwas tun, was seinerzeit auch die jüdische Gesellschaft getan hat. Ihr ist es gelungen, alle anderen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs dem Holocaust unterzuordnen. Die polnische Erfahrung im Zweiten Weltkrieg ist eine ähnliche wie die jüdische."
    Das Konzept der Museumsmacher, die bald gehen sollen, ist aber ein anderes. Die Dauerausstellung blickt nicht nur auf Polen, sondern auf viele andere Länder bis in den Fernen Osten. Paweł Machcewicz, der noch amtierende Museumsdirektor, argumentiert.
    "Ich glaube, man kann das Schicksal der Polen im Zweiten Weltkrieg nicht darstellen, ohne andere Nationen einzubeziehen. Gerade die vergleichende Betrachtung ist der beste Weg, um den Kern der polnischen Erfahrung zu zeigen. Ich gebe ein Beispiel. Wir werden dafür kritisiert, dass wir uns zu stark der Zivilbevölkerung zuwenden. Aber die polnischen Opfer im Zweiten Weltkrieg sind ganz überwiegend zivile Opfer. Wir haben fünf Millionen Zivilisten verloren und 200.000 Soldaten. Das ist ein enormes Missverhältnis."
    Vom Zweiten Weltkrieg bis zum Fall der Mauer
    Die Dauerausstellung war gestern erst zu rund 80 Prozent aufgebaut. Viele Multimediageräte sind noch nicht in Betrieb. Aber das Konzept auf 5.000 Quadratmetern wurde deutlich. Der Rundgang umfasst nicht nur den Zweiten Weltkrieg, sondern auch die Folgen, den Kalten Krieg bis zum Fall der Mauer 1989. Man setzt auf authentische Ausstellungsstücke, vom Panzer über Dokumente bis zu Familienandenken.
    Viele dieser Andenken haben Privatpersonen gespendet, zum Beispiel Andrzej Stachewski, dessen Vater kurz nach Kriegsbeginn und kurz vor seiner Geburt von der Gestapo ermordet wurde. Stachewski vertraut der derzeitigen Museumsführung. Von den Plänen des Kulturministers hält er nichts. "Wenn das Museum von Politikern aus dem Kulturministerium übernommen wird, möchte ich meine Andenken wieder zurückziehen. Ich bin nicht damit einverstanden, dass Politiker darüber entscheiden, worin die, wie sie es nennen, polnische Staatsräson besteht. Über die Geschichte der Nation sollten Menschen Zeugnis ablegen, die einen Anteil an dieser Geschichte hatten."
    Die inoffizielle Ausstellungseröffnung gestern war eine große Demonstration der Solidarität aller Anwesenden mit den bisherigen Museumsmachern. Direktor Paweł Machcewicz sieht die Zukunft seines Teams skeptisch. "Am 1. Februar werden wir hier womöglich nicht mehr sein", erklärte er im überfüllten Konferenzsaal des neuen Hauses. Über die Zukunft des Museums des Zweiten Weltkriegs verhandelt man derzeit auch vor Gericht. Noch heute wird ein Urteil des Hohen Verwaltungsgerichts in Warschau erwartet, ob die Regierung das Danziger Haus abwickeln darf oder nicht. Doch auch wenn das Kulturministerium vor Gericht verliert, wird es seine Pläne sicher weiterverfolgen.