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Das neues Stück von Sasha Waltz
Warum der Computer nie zum Freund wird

Was stellt das digitale Zeitalter mit den Menschen an? Die Choreografin Sasha Waltz sucht in ihrem neuen Stück "rauschen" an der Berliner Volksbühne nach Antworten - und schafft dabei keine eindrücklichen Bilder.

Von Elisabeth Nehring |
"rauschen" von Sasha Waltz an der Berliner Volksbühne
"rauschen" - die neue Choreografie von Sasha Waltz an der Berliner Volksbühne (Julian Roeder 2019)
Wild fliegende lange Haare, schwarze, weite Röcke aus schwerem Stoff, die bei jeder Bewegung ein schlagendes Geräusch produzieren, ausladende Armgesten. Nein, das ist keine Choreografie von Pina Bausch, sondern das Ende des zweistündigen Abends ‚rauschen’. Sasha Waltz greift zum Schluss auf bewährte Bilder des Tanztheaters zurück – nur, dass sie ihre Tänzerinnen dabei auch noch barbusig auftreten lässt. Die physische Erdverbundenheit, ja Archaik, die die Bewegungsqualität des zwölfköpfigen Ensembles in den letzten Szenen bestimmt, soll in einem deutlich sichtbaren Kontrast zur sterilen, klinischen Lebenswelt stehen, mit der das Stück begonnen hat – nur, dass die Bilder dabei vor allem äußerst dekorativ und wirkungsverliebt rüberkommen.
Dramaturgisch schlägt Sasha Waltz den Bogen von einer zugespitzten Version des heutigen, von der Digitalisierung geprägten Lebens in eine ungewisse Zukunftsvision. Die Gegenwart: Das sind Figuren in Weiß, die sich roboterhaft über die Bühne bewegen, abgehackte Arm-, Kopf- und Rumpfbewegungen vollziehen, mit ihren gekrümmten Rücken und schlängelnden Armen dann aber doch noch immer an Menschliches erinnern. Wo bereits der einzelne Körper das Organische und das Künstliche in sich vereint, treffen sich auch in den Dialogen automatische und menschliche Welt: Verzweifelte Ausrufe der Sehnsucht nach körperlichem Kontakt werden mit computeranimierten Stimmen und hohlen Phrasen wie ‚You are doing great’ beantwortet.
Übersteigerung der eigenen Individualität
Die Message? Ganz klar: Dein Computer wird niemals ein echter Freund werden und Siri nie über ihre sinnlosen Affirmationen hinaus kommen. Eine ganze Stunde nimmt sich Sasha Waltz Zeit, dem Publikum diese Weltsicht vorzuführen. Die Idealisierung und Übersteigerung der eigenen Individualität in den Sozialen Medien, die damit einhergehende Konformität, aber auch Isolation von den Anderen, die unerfüllten und scheinbar unerreichbaren Sehnsüchte nach echter Nähe: Jedes Bild, jede Bewegung, jede Szene und jeder hingehauchte Satzfetzen ist nur dafür da, eine eindeutige, ja überdeutliche Zustandsbeschreibung abzuliefern.
Ein mitunter die Grenze zum Plakativen überschreitendes Bedürfnis, klar und deutlich in den Aussagen zu sein, findet sich in vielen Produktionen von Sasha Walz. Solange es mit dieser großen, beeindruckenden Bild- und Bewegungsphantasie einhergeht, für die die Choreografin berühmt ist, ist das auszuhalten. In ‚rauschen’ aber fehlt diese Bildhaftigkeit, fehlt die Eindrücklichkeit der Szenen.
Bildphantasie entfaltet sich nicht
Am Ensemble liegt es nicht: Zu dem gehört – neben alten Hasen wie Davide Camplani und Clémentine Deluy – inzwischen auch der junge László Sandig, Sohn der Choreografin. Die Tänzerinnen und Tänzer agieren konzentriert, ernsthaft und präsent.
Aber weder sie noch das hohe, graue, für den Tanz so ungemein geeignete Halbrund der Volksbühne können etwas daran ändern, dass die szenisch-choreografischen Lösungen nicht überzeugen. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem der Einstieg in die Leitung des Staatsballetts kurz bevorsteht, vermögen sich der sonst so entschiedene künstlerische Zugriff und die Bildphantasie von Sasha Waltz nicht zu entfalten.