Nicht einen, sondern gleich drei Computer-Bildschirme behält David Mielke im Blick. Laufend werden die Zahlenkolonnen aktualisiert, geben einen Einblick in den weltweiten Markt für Ölsaaten. Wenn man die Flut der Daten richtig interpretieren kann. Bei David Mielke ist das der Fall:
"Auf einem Bildschirm sehen wir hier die Terminmärkte für Agrarrohstoffe. Die wichtigsten Produkte, Commodities hier auf dem Bildschirm. Preisentwicklung grün und rot. Man sieht dann immer: steigen die Preise, fallen die Preise, das kennt man aus dem Börsenstudio für die Dax-Kurse. Wir gucken auf Statistiken, machen fundamentale Marktanalyse. Aber natürlich ist es wichtig, auch die aktuellen Preisentwicklung in diese Analyse mit einzubeziehen."
David Mielkes Vater, Thomas Mielke, führt die Firma "Oilworld" zusammen mit seinem Bruder Christian, und diese beiden haben das Unternehmen von ihrem Vater, einem studierten Volkwirtschaftler, übernommen. Der hatte sich Ende der Sechzigerjahre zum Ziel gesetzt, eine Marktlücke zu schließen:
"Als er herausfand, dass es für den globalen Markt mit Ölsaaten und pflanzliche Öle und Schrote keinerlei Informationen gab. Und er wollte Informationen für den Weltmarkt zur Verfügung stellen und hat 1958 die Firma gegründet. Mit seiner Frau zusammen, mit unserer Mutter."
Öl-Expertise als Geschäftsmodell
Damals hätte dieser Markt gerade mal drei bis vier Prozent der heutigen Produktion ausgemacht, schätzt Senior Thomas Mielke. "Oilworld" verkauft die aufbereiteten Zahlen und Prognosen zu Angebot und Nachfrage in täglichen, vierzehntägigen, monatlichen und jährlichen Zusammenfassung an Kunden auf allen Kontinenten. Auf Chinesisch, Englisch und Spanisch. Welche Firmen die "Oilworld"-Analysen beziehen, wollen die beiden nicht verraten. Aber auch Umweltschutzorganisationen und Ministerien im In- und Ausland fragen die Expertise der Firma ab. Die zeichneten sich, so Thomas Mielke, vor allem dadurch aus, dass viele verschiedene Beschäftigte aus der Ölsaaten-Branche sie mit aktuellen Zahlen versorgen:
"Wir haben über 600 Kontakte in der Welt, unsere Informationsquellen. Die sehr gut informiert sind."
Immer wieder komme es vor, dass die Zahlen der Erntemengen von Palmöl, Soja oder Raps politisch oder durch Unwissenheit verfälscht werden, berichtet Firmenchef Mielke:
"Man kann ja auch mit entsprechend gesteuerten Zahlen Inflationsraten beeinflussen oder Markstimmungen beeinflussen. Das wird zum Teil gemacht".
Ein Palmöl-Stopp? Der Experte zweifelt
"Oilworld" versuche in solchen Fällen, als neutrale Instanz für Klarheit zu sorgen. Je besser das gelingt, umso besser sei das für den Ruf der Firma. Angesprochen auf die in den letzten Jahren stark in die Kritik geratene Palmöl-Produktion, atmet der Firmenchef erst einmal tief durch.
"An der weltweiten landwirtschaftlichen Fläche, insgesamt landwirtschaftliche Fläche von fünf Milliarden Hektar, ist der Anteil von Palm gerade mal 0,1 Prozent. Da kann man schwerlich Palmöl verantwortlich machen für den Klimawandel. Was aber einige NGOs machen. Aber es wird der Problematik nicht gerecht."
Der hohen Produktivität der Palmölpflanze sei es zu verdanken, dass mit der Pflanze ein Drittel der weltweiten Ölsaaten-Ernte eingefahren kann. Auf sechs Prozent der Gesamtfläche für Ölsaaten. Vor allem das Wachstum der Mittelschichten in Entwicklungs- und Schwellenländer führe zu einer enormen Nachfrage dieses Grundstoffs für die Nahrungsmittelindustrie – und die ließe sich kaum durch Sonnenblumen- oder Rapsöl substituieren, ist sich Seniorchef Thomas Mielke sicher:
"Man kann die Mengen, die fehlen, die fehlen würden, wenn man Palmöl stoppen würde, die kann man nicht ohne weiteres produzieren in anderen Ländern, die Ölsaaten anbauen können wie Sojabohnen, Raps oder Sonne."
Nachhaltigkeit - wird sie bezahlt?
Denn schon heute, erklärt Thomas Mielke, sei die landwirtschaftlich genutzte Fläche kaum mehr erweiterbar. Die Berichte von illegalen Brandrodungen und prekär beschäftigtes Personal kennt auch der Oilworld-Chef:
"Das ist nötig, dass diese Schwarzen Schafe gehindert werden, weiter ihr Treiben zu machen."
Dass die EU nun plane, rund vier Millionen Tonnen Palmöl aus der Biodiesel-Produktion zu verbannen, würde die Preise einbrechen lassen und am Ende den Produzenten helfen, die weniger nachhaltig wirtschaften.
Ein Schritt in die richtige Richtung sei hingegen der 2004 gegründete "Roundtable on Sustainable Palm Oil". Mittlerweile würden schon 20 Prozent des Palmöls nachhaltig produziert. Auch auf Druck von Großabnehmern wie Nestlé oder Unilever. Das Problem sei, so Thomas Mielke, dass die Großkunden nicht nur nachhaltig, sondern oft auch vor allem profitorientiert wirtschaften wollen.
"Diese relativ kleine Prämie für das bessere Produkt – "sustainably produced", nachhaltig produziertes Palmöl, das wird nicht gekauft, weil der Einkäufer von einer großen Firma, von einem großen Verbraucher unter dem Druck steht, möglichst billig einzukaufen. Ich will also sagen: diese Diskussion wird in gewisser Weise verlogen geführt."
Und manch ein Plantagenbesitzer frage sich, ob eine nachhaltige Palmöl-Produktion inklusive der zweijährigen Lizensierungspflicht, sich tatsächlich lohnt. Und wo die Nachfrage ausbleibe, werde das Angebot an nachhaltig erzeugtem Palmöl nicht wachsen. Der Bedarf nach Ölen werde in jedem Fall weiter steigen. Und so lange das so bleibt, kann der Familienbetrieb "Oilworld" auch in vierter Generation weitergeführt werden.