Doch halt! Wo ein Buch entgleitet, müssen wir ihm als Leser zwar folgen, uns aber nicht im Urteil beirren lassen. "Das Paradies schwarzweiß" ist eine grandiose Liebesgeschichte im CNN-Milieu, unter den entwurzelten Jägern der Nachrichten, und gerade weil dieses Milieu jeder Heimatlichkeit entbehrt, tut sich plötzlich für Noah und Lilith eine Insel auf. Ein kleiner Fels in den Wirbeln der Weltgeschichte, nur noch bedroht von der unermeßlichen Gier, mit der beide sich gegenseitig zu verschlingen versuchen. Liebe als Gier, Gier als Lust, und Marianne Wiggins hat eine Sprache dafür gefunden, eine mächtige, schäumende, wogende, quirlende Sprache, einen Stil voller Unordentlichkeit, mit querschießenden Gedanken durch wundervoll sensible Dialoge, dann wieder den Wechsel zum Business-Stakkato des Nachrichtenjournalismus, zu den Macho-Phrasen der Kugelschreiberhelden. Notgedrungen schlägt sie über manche Stränge, und ihre Vorliebe für französische, italienische und englische Originalzitate übertrifft bei weitem das nötige Maß, um die babylonische Verlorenheit der Szenerie zu beglaubigen. Der eigentliche Gewinn liegt in der Erzählperspektive. Ihr Protagonist Noah ist so unverkennbar männlich, wie er zu unverkennbar weiblichen Reflexionen und Einsichten neigt. Die Gratwanderung gelingt, weil kein Gedanke und kein Exkurs die Figur beschädigt, sondern ihr eine zusätzliche Dimension beschert. So wie Noah seine Geliebte sieht, würden Frauen wohl immer gerne von Männern gesehen. Bei aller virilen Überlegenheitspose beneidet er sie nämlich. Lilith ist beides zugleich: die perfekte Frau und der bessere Mann.
Im Kern ist "Das Paradies schwarzweiß" ein außerordentlicher Beleg dafür, wie spannend, lebendig und ganz und gar nicht abgegriffen heute eine Liebesgeschichte erzählt werden kann. Leider wechselt die Autorin im letzten Viertel das Genre. Während es ihr vorher über weite Strecken gelingt, die welthistorischen Umbrüche der Jahre 86 bis 89 in den privaten Kontext ihrer Figuren einzubinden, kippt die Geschichte mit dem Auftritt des rumänischen Handelsministers Adam in einen konventionellen Polit-Thriller um. Die Fakten gewinnen die Oberhand, Securitate-Greuel, Handel mit aidsverseuchtem Blut und schließlich eine britisch-rumänische Spionage-Episode. Zu viele Konzessionen an ein Publikum, das Oberflächenspannung erzählerischen Qualitäten vorzieht. Die Wiederbegegnung Liliths mit Noah auf den allerletzten Seiten lohnt allerdings das Durchhalten, denn Marianne Wiggins weiß um die tiefste Qualität der Liebe: die Versöhnung.