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Das Phänomen Oprah

Man muss in den USA nur ihren Vornamen sagen und alle wissen, um wen es geht - Oprah. Sie ist die reichste und einflussreichste Talkshowmoderatorin der Welt. In dieser Woche hat sie sich nach 25 Jahren von ihrem Publikum verabschiedet.

Von Kerstin Zilm |
    Ein typischer Tag bei der "Oprah Winfrey Show": 300 Studiogäste - vorwiegend Frauen, die meisten um 40 Jahre alt - fallen einander tränenüberströmt in die Arme und hüpfen wie Kinder vor dem Weihnachtsbaum. Entweder kam ein Mega-Star auf die Bühne - um wie Whitney Houston über Drogenabhängigkeit und Beziehungsprobleme zu reden. Oder um sich, wie Tom Cruise hüpfend im enthemmten Liebestaumel vor Millionen Fernsehzuschauern seine Gefühle zu entblößen.

    Oder es war die jährliche Ausgabe von "Oprah's favorite things". Mit der Geschenkeorgie löste die Talkshow-Queen regelmäßig höchste Kreischdezibelwerte aus.

    Ein Auto für jede der 300 Zuschauerinnen, ein iPad, ein Seidenpyjama, ein Kerzenständer und und und. Angeblich alles Oprahs Lieblingssachen. Unternehmer rissen sich darum, ihre Produkte bei Oprah zu verschenken. Denn: Was Oprah empfiehlt, ist am nächsten Tag ausverkauft. Die in der Kindheit von Armut, Rassismus und Missbrauch geprägte einflussreichste Fernsehfrau der Welt machte Autoren, Hobbyköche, Ärzte, Hausfrauen und Psychologen zu Stars und über 60 Bücher zu Bestsellern. Mit einer gut geschmierten Marketingmaschinerie. Und wegen ihres Auftretens als beste Freundin ihrer Zuschauerinnen, mit denen sie offen spricht. Auch über eigene Probleme.

    Über erfolgreiche und vergebliche Diätversuche, ungewollte Schwangerschaft, Vergewaltigung und Gerüchte, sie sei lesbisch. Immer wichtiger wurde dabei eine Botschaft, der rote Faden auch in der großen Oprah-Abschiedszeremonie:

    "Wir alle haben eine Bestimmung. Eure Aufgabe ist es, herauszufinden, was Eure Bestimmung ist. Und dann macht Euch an die Arbeit! Ihr werdet spüren, wenn ihr auf dem richtigen Weg seid und genau das tut, was ihr tun sollt. Dass Ihr das erreicht, wünsche ich mir für Euch alle."

    Jede Woche inspirierte Oprah 40 Millionen Zuschauer allein in den USA.

    "Oprah, Oprah, Oprah"

    Unbekannte wie Gefängniswärterin Georgina, die ergeben Oprahs Lebensweisheiten befolgte:

    "Es war wie ein lebendes Ratgeberbuch. Welche Probleme ich auch hatte, ob mit Häftlingen oder meinem Mann - Oprah hatte Experten in der Show, die das Thema besprachen, das mich gerade beschäftigte. Ich war auf ihre Hilfe angewiesen!"

    Stars wie Madonna und Halle Berry:

    "Sie ist eine Selfmadefrau, die seit 25 Jahren Spitzenleistungen abliefert und immer noch Gas gibt!"

    "We love you, Oprah"

    Junge Mädchen, die mit Oprah aufwuchsen und Männer, die auf eine der von ihr gegründeten Schulen gingen. Sie rührten beim großen Abschied die Talkshow-Queen mit ihrem Dank zu Tränen.

    "Deinetwegen liebe ich, zu lesen, deinetwegen habe ich Missbrauch überlebt, nach dem Tod meiner Mutter Hoffnung geschöpft. Deinetwegen glaube ich daran, dass ich alles erreichen und US-Präsidentin werden kann."

    "Ich hab im Moorhouse College meinen Abschluss gemacht und studiere Recht in Yale."
    "Ich leite einen Multimilliarden Dollar Hedgefond."
    "Ich mache meinen Doktor in Harvard."
    "Ich bin Arzt und habe verwundete Soldaten in Irak behandelt."

    Sie alle können sich trösten: Es war kein Abschied für immer. Sondern neben aufrichtigen Tränen auch ein geschickter Lockruf von Oprah, ihr auch bei ihrem neuen Abenteuer zu folgen: auf dem eigenen Fernsehkanal OWN.
    Talk-Moderatorin Oprah Winfrey
    Kein Abschied für immer: Die Talk-Moderatorin hat seit Januar einen eigenen Fernsehkanal. (picture alliance / dpa)