Paul Lafargue: "Es wäre besser, man säte die Pest, als inmitten einer ländlichen Bevölkerung kapitalistische Fabriken zu errichten. Wo diese erst ihren Einzug gehalten, da heißt es: Adieu Freude, Gesundheit, Freiheit."
Im romantisch klingenden Lob des Landlebens steckt handfeste Industriekritik. Die Fabrik ist lebensverkürzende Ausbeutungsanstalt; aber nicht nur, weil der Fabrikant aus schnöder Gewinnsucht es so will, sondern weil die Arbeiter es auch so wollen. Seit 1848 fordern sie nämlich ihr Recht auf Arbeit; mit furchtbaren Folgen, wie der Autor meint:
"Und so besteht, angesichts der doppelten Verrücktheit der Arbeiter, sich durch Überarbeit abzurackern, das große Problem der kapitalistischen Produktion nicht darin, Produzenten zu finden, sondern Konsumenten zu entdecken, ihren Appetit zu reizen und ihnen solchen anzuerziehen."
Was also tun, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen?
"Wenn die Arbeiterklasse sich in ihrer furchtbaren Kraft erheben wird, um ein ehernes Gesetz zu schmieden, das jedermann verbietet, mehr als drei Stunden pro Tag zu arbeiten, so wird die alte Erde, zitternd vor Wonne, in ihrem Innern eine neue Welt sich regen fühlen."
Die "alte Erde" wartet bis heute auf diese "Wonne einer neuen Welt". Und der, der sie ihr bereiten wollte, der französische Sozialist Paul Lafargue, stieß im eigenen Lager auf mehr Ablehnung als Zustimmung mit seiner 1883 erschienenen Streitschrift. Sowohl deren Titel "Das Recht auf Faulheit" als auch ihr Untertitel "Widerlegung des 'Rechtes auf Arbeit'" schreckten ab. Zwar machte Lafargue zu Recht auf das Konsumentenproblem der kapitalistischen Wirtschaft aufmerksam, das nur gelöst werden kann, wenn auch die Arbeiter nennenswert konsumieren können, doch seine Herleitung der proletarischen "Arbeitswut" aus Unwissen und Indoktrinierung blendet die katastrophalen Produktionsbedingungen aus, unter denen die Arbeiter im 19. Jahrhundert malochen mussten. So gesehen ist das "Recht auf Arbeit" eben kein Folterwerkzeug zur Selbstquälung, sondern eine legitime Forderung zur Existenzsicherung durch Arbeit.
"Die Revolution naht. Der Zusammenstoß zweier Wolken wird genügen, um eine Explosion auszulösen, an deren Ende die Explosion der Menschheit steht",
schreibt Lafargue am 9. Juli 1882. Hier führt nicht der Streiter für "Das Recht auf Faulheit" das Wort, sondern der Berufsrevolutionär, der sein Leben seit Pariser Studententagen der Sache der Revolution verschreibt. Dabei ist er von Haus aus kein Linker. Am 16. Juni 1842 in Santiago de Cuba als Sohn eines französischen Weinhändlers und Plantagenbesitzers geboren, hat er bürgerliche Wurzeln mit mancherlei ethnischen Schattierungen.
Als die Familie nach Frankreich zurückkehrte, studierte Lafargue Medizin in Paris und machte als engagierter Linker einen denkwürdigen Besuch in London, den er in seinen "Persönlichen Erinnerungen" festhielt:
"Es war im Februar 1865, als ich Karl Marx zum ersten Male sah. Ich zählte damals 24 Jahre; mein ganzes Leben lang werde ich den Eindruck nicht vergessen, den jener erste Besuch auf mich machte!"
Lafargue sollte den Bannkreis des Begründers des wissenschaftlichen Sozialismus nicht mehr verlassen. 1868 heiratete er Marx' zweite Tochter Laura und wurde alsbald zum eifrigsten Verbreiter des Marxismus in Frankreich. Sein Engagement für die Pariser Kommune, sein rastloser Einsatz für eine unter marxistischem Vorzeichen geeinigte sozialistische Partei in Frankreich zwangen ihn zu einem unsteten Leben, in dem sich Flucht, Exil, Gefängnis und Reisen im Dienste der Partei abwechselten. Weniger ein Mann des Wortes als einer der Feder verkörperte er mit seinen vielfältigen, auch sprachwissenschaftlichen und literaturkritischen Interessen eher den französischen Intellektuellen als den strammen Parteisoldaten. Insofern war er eine Ausnahmeerscheinung in der Linken, Ausnahmeerscheinung auch im Tod. Zusammen mit seiner Frau schied er in der Nacht vom 25. auf den 26. November 1911 freiwillig aus dem Leben. Seine Begründung:
"Gesund an Leib und Seele, töte ich mich selbst, bevor mir das unerbittliche Alter nach und nach die Freuden des Daseins vergällt, mir meine körperlichen und geistigen Kräfte nimmt und mich mir selbst und anderen zur Last werden lässt."
Im romantisch klingenden Lob des Landlebens steckt handfeste Industriekritik. Die Fabrik ist lebensverkürzende Ausbeutungsanstalt; aber nicht nur, weil der Fabrikant aus schnöder Gewinnsucht es so will, sondern weil die Arbeiter es auch so wollen. Seit 1848 fordern sie nämlich ihr Recht auf Arbeit; mit furchtbaren Folgen, wie der Autor meint:
"Und so besteht, angesichts der doppelten Verrücktheit der Arbeiter, sich durch Überarbeit abzurackern, das große Problem der kapitalistischen Produktion nicht darin, Produzenten zu finden, sondern Konsumenten zu entdecken, ihren Appetit zu reizen und ihnen solchen anzuerziehen."
Was also tun, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen?
"Wenn die Arbeiterklasse sich in ihrer furchtbaren Kraft erheben wird, um ein ehernes Gesetz zu schmieden, das jedermann verbietet, mehr als drei Stunden pro Tag zu arbeiten, so wird die alte Erde, zitternd vor Wonne, in ihrem Innern eine neue Welt sich regen fühlen."
Die "alte Erde" wartet bis heute auf diese "Wonne einer neuen Welt". Und der, der sie ihr bereiten wollte, der französische Sozialist Paul Lafargue, stieß im eigenen Lager auf mehr Ablehnung als Zustimmung mit seiner 1883 erschienenen Streitschrift. Sowohl deren Titel "Das Recht auf Faulheit" als auch ihr Untertitel "Widerlegung des 'Rechtes auf Arbeit'" schreckten ab. Zwar machte Lafargue zu Recht auf das Konsumentenproblem der kapitalistischen Wirtschaft aufmerksam, das nur gelöst werden kann, wenn auch die Arbeiter nennenswert konsumieren können, doch seine Herleitung der proletarischen "Arbeitswut" aus Unwissen und Indoktrinierung blendet die katastrophalen Produktionsbedingungen aus, unter denen die Arbeiter im 19. Jahrhundert malochen mussten. So gesehen ist das "Recht auf Arbeit" eben kein Folterwerkzeug zur Selbstquälung, sondern eine legitime Forderung zur Existenzsicherung durch Arbeit.
"Die Revolution naht. Der Zusammenstoß zweier Wolken wird genügen, um eine Explosion auszulösen, an deren Ende die Explosion der Menschheit steht",
schreibt Lafargue am 9. Juli 1882. Hier führt nicht der Streiter für "Das Recht auf Faulheit" das Wort, sondern der Berufsrevolutionär, der sein Leben seit Pariser Studententagen der Sache der Revolution verschreibt. Dabei ist er von Haus aus kein Linker. Am 16. Juni 1842 in Santiago de Cuba als Sohn eines französischen Weinhändlers und Plantagenbesitzers geboren, hat er bürgerliche Wurzeln mit mancherlei ethnischen Schattierungen.
Als die Familie nach Frankreich zurückkehrte, studierte Lafargue Medizin in Paris und machte als engagierter Linker einen denkwürdigen Besuch in London, den er in seinen "Persönlichen Erinnerungen" festhielt:
"Es war im Februar 1865, als ich Karl Marx zum ersten Male sah. Ich zählte damals 24 Jahre; mein ganzes Leben lang werde ich den Eindruck nicht vergessen, den jener erste Besuch auf mich machte!"
Lafargue sollte den Bannkreis des Begründers des wissenschaftlichen Sozialismus nicht mehr verlassen. 1868 heiratete er Marx' zweite Tochter Laura und wurde alsbald zum eifrigsten Verbreiter des Marxismus in Frankreich. Sein Engagement für die Pariser Kommune, sein rastloser Einsatz für eine unter marxistischem Vorzeichen geeinigte sozialistische Partei in Frankreich zwangen ihn zu einem unsteten Leben, in dem sich Flucht, Exil, Gefängnis und Reisen im Dienste der Partei abwechselten. Weniger ein Mann des Wortes als einer der Feder verkörperte er mit seinen vielfältigen, auch sprachwissenschaftlichen und literaturkritischen Interessen eher den französischen Intellektuellen als den strammen Parteisoldaten. Insofern war er eine Ausnahmeerscheinung in der Linken, Ausnahmeerscheinung auch im Tod. Zusammen mit seiner Frau schied er in der Nacht vom 25. auf den 26. November 1911 freiwillig aus dem Leben. Seine Begründung:
"Gesund an Leib und Seele, töte ich mich selbst, bevor mir das unerbittliche Alter nach und nach die Freuden des Daseins vergällt, mir meine körperlichen und geistigen Kräfte nimmt und mich mir selbst und anderen zur Last werden lässt."