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Das "Reichsarbeitsdienstgesetz" wird erlassen

Die 50.000 blitzende Exerzierspaten, von Arbeitsmännern im Gleichtakt geschwungen, beeindruckten auf dem Parteitag der NSDAP 1934 in Nürnberg nicht nur die Zuschauer. Hitler selbst war begeistert und revidierte seine Meinung über den freiwilligen Arbeitsdienst unter Konstantin Hierl, den er bisher eher abschätzig beurteilt hatte. Neun Monate später, am 26. Juni 1935, erhob Hitler den Arbeitsdienst im Zuge der Militarisierung Deutschlands zum staatlichen Pflichtdienst für alle jungen Männer.

Von Karl F. Gründler |
    "Konstantin Hierl "Das deutsche Volk ist heute geistig und seelisch reif für die Einführung der allgemeinen und gleichen Arbeitsdienstpflicht. (Beifall) Wir harren des Befehls des Führers!" (Jubel, Beifall, Musik) "

    Konstantin Hierl, Reichskommissar für den Arbeitsdienst, auf dem Reichsparteitag im September 1934. Hierl hatte bereits 1923 als Offizier der Reichswehr einen Arbeitsdienst als Ersatz für den vom Versailler Vertrag 1919 verbotenen Wehrdienst vorgeschlagen, erfolglos.
    Freiwillige Arbeitslager wurden dagegen in der Weimarer Republik organisiert. Arbeitslose, Bauern und Studenten trafen sich ab 1927 jeweils mehrere Wochen in Schlesien und Norddeutschland unter dem Motto

    "Singen und wandern ist gut – zusammen arbeiten ist besser! "


    Vormittags arbeiteten die Teilnehmer im Wald oder bei der Ernte. Nachmittags gab es wissenschaftliche Vorträge und politische Diskussionen.
    1931 schuf die Reichsregierung angesichts sprunghaft steigender Arbeitslosenzahlen einen "Freiwilligen Arbeitsdienst" und baute ihn 1932 weiter aus. In einer Verordnung heißt es:

    "Der freiwillige Arbeitsdienst gibt den jungen Deutschen die Gelegenheit zum Nutzen der Gesamtheit in gemeinsamen Dienste freiwillig ernst Arbeit zu leisten und zugleich sich körperlich und geistig-sittlich zu ertüchtigen."

    Kirchliche Träger boten im freiwilligen Arbeitsdienst Kurse zur beruflichen Umorientierung an. In den Lagern des Frontkämpferverbandes "Stahlhelm" gab es dagegen Wehr- und Geländesport und sogar Kleinkaliberschießen.

    Mit der Machtergreifung der Nazis schlägt die Stunde des Konstantin Hierl, inzwischen Beauftragter der NSDAP für den Arbeitsdienst. Aufgrund von Kompetenzgerangel in der neuen Regierung kann er gegen seine eigene Intention zunächst nur einen freiwilligen Arbeitsdienst aufbauen. Im Mai 1933 eröffnet Hierl die erste Reichsführerschule in Berlin-Spandau:

    " Der rechte Führer ist aber erst der, der nicht nur Macht besitzt über den Willen sondern auch über die Herzen der von ihm Geführten. Gerade der Führer im Arbeitsdienst braucht diese Macht über die Herzen. Denn er soll ja ein Volkserzieher sein."

    Tatsächlich erweisen sich viele Arbeitsdienstführer bald als ungeeignet. Hierl muss "Diebstähle, Korruptionen und leichtfertiges Verschleudern von Dienstgeldern" seiner Untergebenen eingestehen. Der Dienstpflichtige Wolfgang Oelze beschreibt seine Vorgesetzten als
    "Die verkrachtesten Figuren, die ich je irgendwo auf der Welt getroffen habe, das waren diese Arbeitsdienstführer. Das waren Leute, die eben arbeitslos gewesen waren und richtig gescheiterte Existenzen. Die waren dann zum Arbeitsdienst gegangen."

    Die Genfer Abrüstungskonferenz verhindert im Sommer 1933 die Einführung der Arbeitsdienstpflicht in Deutschland. Zu dieser Zeit fürchtet Hitler noch außenpolitische Verwicklungen.

    "Mein Führer, ich melde 52 000 Arbeitsmänner zum Appell angetreten." Hitler: "Heil, Arbeitsmänner" "Heil, mein Führer" Hierl: "Spaten über! Spaten ab!"

    Die Präsentation von 50.000 in der Sonne blitzenden Exerzierspaten auf dem Reichsparteitag 1934 bedeutet den Durchbruch für den Reichsarbeitsdienst in der öffentlichen Anerkennung.

    Am 26. Juni 1935 wird der Arbeitsdienst per Gesetz für die jungen Männer Pflicht und zugleich Voraussetzung für den zeitgleich eingeführten Wehrdienst. Junge Frauen werden vor dem Krieg noch nicht eingezogen.

    Jährlich 150.000 Dienstpflichtige, Tendenz steigend, arbeiten nun für 25Pf Tagessold als Erntehelfer, beim Autobahnbau und bei der Errichtung von Freilichtbildbühnen, den so genannten Thingplätzen. Sie wohnen in Barackenlagern, werden ab 1938 auch an leichten Waffen geschult. Nach Kriegsbeginn setzt die Wehrmacht die Arbeitsmänner zu Hilfsdiensten hinter der Front ein. Im Gegenzug sperrt man in die alten Arbeitsdienstlager ausländische Zwangsarbeiter.

    Literatur:

    Peter Dudek: "Erziehung durch Arbeit" Opladen 1988
    Benno Hafeneger: "Alle Arbeit für Deutschland"Köln 1988
    Henning Köhler: "Arbeitsdienst in Deutschland" Berlin 1967
    Kiran Klaus Patel: "Soldaten der Arbeit" Göttingen 2003