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"Das Rennen ist nicht gelaufen"

Laut Katrin Göring-Eckardt ist Joachim Gauck für alle Parteien wählbar. Die Kandidatur des ehemaligen Chefs der Stasi-Unterlagen-Behörde sei ein Signal, "dass hier nicht Parteipolitik gemacht wird".

Katrin Göring-Eckardt im Gespräch mit Christoph Heinemann | 04.06.2010
    Christoph Heinemann: Katrin Göring-Eckardt ist Abgeordnete im Bundestag für Bündnis 90/Die Grünen und Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Guten Morgen!

    Katrin Göring-Eckardt: Schönen guten Morgen!

    Heinemann: Frau Göring-Eckardt, die Koalition liegt in der Bundesversammlung 20 Stimmen über der absoluten Mehrheit, 40 bis 50 Stimmen vor Rot-Rot-Grün. Ist das Rennen gelaufen?

    Göring-Eckardt: Also, wenn wir denken würden, das Rennen ist gelaufen, dann hätte die Opposition natürlich keinen Kandidaten nominiert, sondern wir glauben, dass mit Joachim Gauck, der ja ein wirklich lager-, parteiübergreifender Kandidat ist, das Rennen eben nicht gelaufen ist.

    Heinemann: Wieso haben Sie nicht jemanden nominiert, den auch die Linke wählen kann?

    Göring-Eckardt: Erstens wüsste ich nicht, warum die Linke, wenn sie es sich gut überlegen würde, Joachim Gauck nicht wählen könnte. Schließlich ist die Frage der Aufarbeitung der Vergangenheit in der DDR im geteilten Deutschland ein Thema, was auch die Partei Die Linke angehen müsste, aber vor allem ging es uns, das ist ganz klar, um das Signal an Angela Merkel – übrigens auch schon, bevor der Name öffentlich wurde –, es ging um das Signal, zu sagen: Wir wollen in dieser schwierigen Situation, in dieser schwierigen Vertrauenskrise, die wir in Deutschland haben, einen Kandidaten vorschlagen, der tatsächlich für alle gemeinsam wählbar ist. Ich glaube, das wäre ein wichtiges Signal gewesen, dass hier nicht Parteipolitik gemacht wird, dass hier nicht die Methode Merkel angewendet wird, sondern dass das Land zusammengeführt wird.

    Heinemann: Frau Göring-Eckardt, rechnen Sie damit, tatsächlich damit, dass Vertreter der Linkspartei, die vormals PDS und davor SED hieß, ausgerechnet den ehemaligen Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde wählen wird?

    Göring-Eckardt: Das ist eine Frage auch davon, wie man mit eigener Vergangenheit umgeht, und deswegen ist nicht die Frage, ob ich damit rechne, sondern die Frage ist ja, ob eine Partei wie Die Linke sich das vorstellen kann und wenn es ihr ernst ist mit der Aufarbeitung der Vergangenheit, was sie ja immer wieder behauptet, dann ist das eine Möglichkeit, jemanden zu wählen, der dezidiert in diesem Land als Demokrat, als freiheitsliebender Mensch auftritt und deutlich macht: Er ist auch niemand, der nicht andere Parteien kritisiert, er hat auch Bündnis 90/Die Grünen kritisiert und auch in diesem Land für Demokratie mit gekämpft und tritt dafür ein.

    Heinemann: Gesine Lötzsch hat es uns eben verraten, um 7.15 Uhr haben wir mit ihr gesprochen, der Vorsitzenden der Linkspartei, sie können sich das nicht vorstellen, die Linkspartei kann sich das nicht vorstellen. Das heißt, mit der Nominierung von Joachim Gauck ist Christian Wulff im Prinzip gewählt.

    Göring-Eckardt: Das glaube ich nicht, weil Joachim Gauck ja jemand ist, der auch weit ins konservative Lager hinein eine wichtige Persönlichkeit ist, und zwar nicht nur wegen seines Einsatzes bei der Stasi-Unterlagen-Behörde, sondern auch in vielen, vielen Gesprächen, mit vielen Aktivitäten nach dieser Zeit, während dieser Zeit, wo es tatsächlich um Demokratie ging, wo es auch um die Frage ging, wie sich Deutschland weiterentwickelt als freiheitliches Land. Ich weiß, dass er sehr, sehr viel Anerkennung auch im konservativen, auch im liberalen Lager hat, und deswegen: Das Rennen ist nicht gelaufen, aber es geht vor allen Dingen auch darum, zu zeigen und deutlich zu machen: Wir wollen in dieser Situation, in dieser schwierigen Situation für mehr Vertrauen in die Gesellschaft in der Politik sorgen.

    Heinemann: Katrin Göring-Eckardt von Bündnis 90/Die Grünen. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Göring-Eckardt: Danke!