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Das Rennen um den Austragungsort der Winterspiele 2018 hat begonnen

Zwei Wochen nach Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2016 an Rio de Janeiro hat bereits die nächste Olympiabewerbung begonnen. Zum Bewerbungsschluss in der Nacht zum Freitag haben nur drei Städte und Regionen ihr Interesse an den Winterspielen 2018 angemeldet: München, Annecy (Frankreich) und Pyeongchang aus Südkorea. Die Entscheidung fällt am 6. Juli 2011 in Durban.

Von Jens Weinreich |
    Es hätte schlimmer kommen können für München. Rein rechnerisch stehen die Chancen, als erste Stadt nach den Sommerspielen auch die Winterspiele auszutragen, außerordentlich gut. Denn seit 1981 hat es kein so geringes Interesse an Winterspielen gegeben. Damals, als das Zeitalter der olympischen Kommerzialisierung erst eingeläutet wurde, bewarben sich Calgary, Falun und Cortina um die Winterspiele 1988 - Calgary erhielt auf der IOC-Session in Baden-Baden den Zuschlag.

    Im vergangenen Jahrzehnt gab es sechs Bewerbungen für die Winterspiele 2006, die an Turin gingen, sogar acht Offerten für die Winterspiele 2010, die in Vancouver stattfinden, und sieben Anfragen für die Winterspiele 2014, die in Sotschi ausgetragen werden.

    So bietet sich München eine historische Chance. So aber bleibt es beim lang feststehenden Duell zwischen München und Pyeongchang. Annecy ist derzeit nur Außenseiter, man muss abwarten, ob diese Bewerbung tatsächlich ernsthaft betrieben wird oder lediglich als Testballon für die nächste Olympiabewerbung von Paris dient.

    Pyeongchang ist klarer Favorit. Zuletzt unterlagen die Koreaner gegen Vancouver und Sotschi zweimal sehr knapp. Sie haben hunderte Millionen Dollar in die Region investiert und dem IOC über lange Jahre jeden Wunsch erfüllt. Nach dem ungeschriebenen Gesetz der Serie wäre Asien wieder dran, zuletzt immer im Zehnjahresrhythmus: Seoul 88, Nagano 98, Peking 2008 - nun Pyeongchang 2018?

    Es gibt keinen Grund, die Koreaner erneut abzuservieren. Zumal IOC-Präsident Jacques Rogge erst kürzlich nach Rios Olympiasieg gelobt hat, wie wichtig es sei, aus den Schwächen zu lernen, die Ratschläge des IOC zu befolgen und wieder anzutreten.

    Andererseits: Es gibt eben keine verbindlichen Regeln für die Vergabe Olympischer Spiele. Nicht einmal die technischen Analysen, die mit viel Aufwand von einer IOC-Evaluierungskommission erstellt werden, sind bindend. Es entscheiden immer andere, subjektive Faktoren: Machtströmungen, politische Allianzen, personelle Verquickungen - und, ja, auch Korruption ist im Spiel. Südkorea hat wegen Korruption zuletzt zwei IOC-Mitglieder verloren, beide arbeiten aber noch in anderen Funktionen für Pyeongchang. Ein drittes IOC-Mitglied, der langjährige Samsung-Chef Kun Hee Lee, ist derzeit suspendiert. Samsung und Lee stehen weiter absolut hinter der Bewerbung.

    Sportpolitisch droht Pyeongchang die größte Gefahr nicht aus München oder Annecy, sondern aus Japan - sollte die avisierte Olympia-Offerte von Hiroshima und Nagasaki für die Sommerspiele 2020 umgesetzt werden.
    Aber auch für München und seinen eigentlichen Bewerbungschef, DOSB-Präsident Thomas Bach, birgt das Rennen sportpolitischen Zündstoff. Denn Bach ist einer der Anwärter auf die Nachfolge von IOC-Präsident Rogge. Die Winterspiele werden 2011 vergeben. Der IOC-Thron wird 2013 neu besetzt. Ein Doppelsieg gilt derzeit als unwahrscheinlich.

    Der IOC-Vizepräsident äußert sich zu eigenen Ambitionen kaum. Er hat Münchens Bewerbung zur nationalen Aufgabe erklärt und in den drei Jahren als DOSB-Chef Kontinuität und Professionalität in die Außenpolitik gebracht. Mehr als 50 IOC-Mitglieder wurden unter DOSB-Verantwortung jüngst bei der Leichtathletik-WM in Berlin betreut - geräuschlos, nicht skandalumtost wie einst bei der WM in Stuttgart, als sich Berlin um Olympia bewarb.

    So gut war Sportdeutschland international vielleicht noch nie aufgestellt. Selbst Entwicklungshilfeprogramme, von diversen Ministerien finanziert, fließen - nicht rein zufällig - auch in Länder und Regionen, die Stimmengewinn für Deutschland und seine Funktionäre versprechen. Von der neuen Bundesregierung darf sich der bestens vernetzte FDP-Mann Bach noch mehr Unterstützung erwarten.

    Das Problem der Finanzierung konnte allerdings auch der Industrie-Lobbyist Bach nicht lösen. 30 Millionen soll die Bewerbungsphase Münchens kosten, privat finanziert. Das Interesse von Sponsoren hält sich aber weiter in Grenzen, wie immer bei deutschen Olympia-Offerten. Ein Finanzierungskonzept für die beiden vom IOC geforderten Etats, Organisationsetat und Infrastruktur-Etat, liegt immer noch nicht vor.

    Die letzten drei Bewerbungen von Berchtesgaden, Berlin und Leipzig mutierten mitunter zum Selbstbedienungsladen von Politikern und Funktionären, die mit Steuermitteln hantierten. Rechnungshöfe, Rechnungsprüfer und Untersuchungskommissionen rügten teils haarsträubenden Umgang mit Millionen aus öffentlichen Kassen. Ob deutsche Olympiainteressenten in Sport und Politik mit dieser unsäglichen Tradition brechen, eventuell sogar Transparenz walten lassen, ist die spannende Frage der kommenden Monate.