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Über Bunker hinaus
Neue Konzepte für Schutzräume

Ende Juni endet das Forschungsprojekt CiProShel, das neue Konzepte für Schutzräume in Deutschland entwickeln soll. Dabei geht es nicht um den Neubau von Bunkern, sondern den Ausbau bestehender Treppenanlagen oder Kellerräume. Der Ukraine-Krieg rückt das Projekt nun ins Interesse der Öffentlichkeit.

Von Dagmar Röhrlich |
Eine Frau sucht Schutz vor dem Krieg in der Ukraine in einem Keller.
Eine Frau sucht Schutz vor dem Krieg in der Ukraine in einem Keller (picture alliance / AA | Aytac Unal)
Vor fast zwei Jahren begann ein Forschungsprojekt, das neue Konzepte für Schutzräume entwickeln soll. Die Abkürzung: CiProShel, Civil Protection Shelters. In dem Namen steckt zwar Zivilschutz drin – doch den gibt es im Grunde genommen nicht mehr in Deutschland. Bis auf 500 Schutzräume, deren Zustand niemand kennt, ist alles aufgegeben worden. Wie das Ahrhochwasser bewiesen hat, steht es um den Katastrophenschutz nicht besser. Deshalb setzt CiProShel darauf, beide Sektoren gemeinsam anzugehen.
„Das tun wir in einem „Allgefahrenansatz“. Das heißt, wir untersuchen nicht nur Einwirkungen im Rahmen des Zivilschutzes, sondern auch im Rahmen des Katastrophenschutzes, also auch Naturgefahren“, so Norbert Gebbeken von der Universität der Bundeswehr in München.

Schutz vor Tornado oder Explosion

„Letztendlich ist es der Physik völlig egal, ob wir jetzt plötzlich aufgrund des Klimawandels einen Tornado in Deutschland haben und dieser Tornado schleudert uns ein Auto gegen das Haus oder einen Baum, oder aber das kommt von einer Explosion. Das heißt also, uns Ingenieuren ist das völlig egal, ob das eine kriegerische oder natürliche Einwirkung ist.“
Ende Juni soll das Projekt enden. Dann sollen bautechnische Regeln stehen, die dem Selbstschutz dienen und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe als Handreichung zur Information der Bürger.
„Wir arbeiten nicht an den Konzepten für Bunker in dem Sinne, dass wir jetzt zentrale Bunker entweder ober- oder unterirdisch bauen, sondern es sind Schutzräume im Wesentlichen, mit denen wir uns beschäftigen. Das kann zum Beispiel sein, dass in einer bestehenden Schule unterhalb einer Treppenanlage die Möglichkeit besteht, dort einen Schutzraum einzubauen, weil man dann schnell bei diesem Schutzraum ist. Es geht aber auch darum, dass wir bestehende Kellerräume so ausbauen oder verstärken, dass man sie nutzen kann.“
Die Konzepte gehen von unterschiedlichen Schutzlevel aus.
„Wenn wir jetzt sagen, dass wir nur davor schützen wollen, dass Trümmer von einstürzenden Gebäuden uns gefährden könnten, dann ist der Schutz relativ einfach möglich. Wenn es aber kriegerische Waffen sind, wie Drohnen oder andere Raketentragwerke, dann müssen wir sowohl Explosionen als auch Beschuss berücksichtigen. Dann wird es schon etwas aufwendiger, aber technisch ist das möglich.“

Fenster mit nicht splitterndem Glas

Bei Neubauten kann der Schutz gegen Naturkatastrophen oder Angriffe direkt mit konzipiert werden. Das Stichwort: Security by Design. Etwa durch verstärkt eingebaute Fenster mit nicht splitterndem Glas, die weder bei einem Tornado, noch bei einer Explosion bersten, ins Rauminnere geschleudert werden und Menschen verletzen. Für Bestandsbauten müssen andere Konzepte her.
„Da sind wir im Wesentlichen bei Mauerwerk und bei Stahlbeton. Und die bieten natürlich schon einen gewissen Schutz. Und wenn wir dann noch innerhalb von Kellern sind, dann ist man in der Lage, dort ganz gute Schutzräume einzubauen, die möglicherweise auch eine mehrfache Nutzung haben.“
Die Forschungen zu neuen Materialien für Schutzräume im zivilen Bereich, die seit dem Anschlag auf das World Trade Center 2001 gelaufen sind, fließen in das Regelwerk ein. Denn nicht überall lässt sich ein halber Meter Stahlbeton einbauen:
„Das heißt, wir brauchen dort speziell angepasste Hochleistungswerkstoffe, die durchaus auf einer Stahlbetonebene sein können, die aber dann durch Beimischungen, durch besondere Bewährungen so ertüchtigt werden, dass wir mit wenigen Zentimetern schon hohen Schutz erreichen.“

Beton mit Fasern verstärken

Stahlbeton, erklärt der Ingenieur Gebbeken, sei ein sehr guter Werkstoff bei Beschuss, aber nicht unbedingt bei großflächigen Explosionslasten.
„Deswegen müssen wir den Beton so ertüchtigen, dass er plötzlich nicht mehr tut, was er eigentlich tun will. Das heißt also, er zersplittert, er fragmentiert und so weiter. Und das tun wir mit besonderer Bewährung, besonderen Fasern. Das können Kunststofffasern sein, das können Stahlfasern sein. Da gibt es ganz unterschiedliche Möglichkeiten, klassische Materialien so zu ertüchtigen, dass die sich plötzlich verhalten, so duktil wie Stahl zum Beispiel.“
Weil Kriege weit weg schienen, waren ursprünglich Angriffe mit Nuklearwaffen ausdrücklich bei dem Projekt ausgeschlossen worden. Auch chemische und biologische Waffen sind ein Thema. Doch der Schutz davor verlange auch eingebaute Technik und sei schon recht kompliziert, erklärt Norbert Gebbeken. Um die Bevölkerung nicht zu verunsichern, sollte CiProShel eigentlich auf Wunsch des Auftraggebers, des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, kein Aufsehen erregen. Doch auch das hat sich durch den Ukraine-Krieg geändert.