Stella Hambergs Skulpturen erzeugen widersprüchliche Reaktionen. Die einen sehen in ihnen eine starke, unabhängige Position, eine neue Bildsprache im problematischen Genre der Großplastik. Sie fühlen sich an Rodin erinnert und sehen mit Stella Hamberg bereits ein neues Kapitel deutscher Kunstgeschichte aufgeschlagen. Andere reiben sich entgeistert die Augen und fragen sich, wie so viel neobarocker Pomp auf einmal wieder möglich ist und ob die Sehnsucht nach den vermeintlich seligeren Zeiten des 19. Jahrhunderts, wie sie schon in der Architektur grassiert, nun auch die Kunst erreicht hat.
Betritt man das neu eingerichtete Albertinum in Dresden, empfangen einem im überdachten Innenhof die drei "Berserker", drei Kolossalstatuen aus patinierter Bronze aus Hambergs Werkstatt. Durch den Ort ihrer Aufstellung wurden sie sofort bundesweit bekannt. Verzückung und Grausen lagen beim Publikum dicht beieinander. Viele lobten die geschickte Auswahl der Skulpturen, die die Traditionslinie des Sächsischen Barock in die Gegenwart transponieren. Andere schmähten Hambergs Figuren aus genau demselben Grund als neue Form der höfischen Kunst. Einer ihrer tonnenschweren "Berserker" ist nun auch in ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung im vergleichsweise zierlichen Fachwerkbau des Mönchehaus-Museums in Goslar zu sehen. Die jugendlich wirkende Hamberg selbst wirkt von den Diskussionen um ihr Werk unbeeindruckt. Die "Berserker" hält sie nicht für monumentale Plastiken, vielmehr habe sie versucht, durch die Zerklüftung der Außenfläche die Figur gleichzeitig zu erschaffen und zu zerstören. Wer genauer hinsieht, sieht nicht nur die schiere Größe, sondern auch die Balance, die Zerbrechlichkeit der Figur. Und dass, obwohl sie in Bronze ausgeführt ist, dem Ewigkeitsmaterial, der kunstgewordenen Herrschaftssymbolik schlechthin. Gerade das ist es, was Hamberg daran reizt:
"Bronze war ja lange so fast ein bisschen verpöntes Material geworden, also man hat das immer nur verbunden mit dieser ganzen Kunstgeschichte, und keiner hat sich mehr daran gewagt, und genau dieser Punkt, dass sich keiner mehr daran wagte, hat mich gereizt, also eigentlich reizen mich immer die Punkte, die kein anderer mehr anpackt."
Irritation verursacht sie aber auch durch andere Werke. Ihre Figurengruppe "Ghost Light" von 2010 halten viele Betrachter spontan für das Werk eines anderes Künstlers, weil die Formensprache darin eine so ganz andere ist als in den Berserkern. Schlichte, betont unexpressive Figuren, die wie teilnahmslos im Raum verteilt sind. Auch hier verrät erst der zweite Blick die für Hamberg scheinbar so typische Intention: Auch hier wieder ein geradezu existenzialistischer Balanceakt, diesmal nicht zwischen Schaffung und Zerstörung einer Figur, sondern zwischen Ausdruck und Nicht-Ausdruck, völliger Reduktion und doch einer körperlichen Präsenz im Raum.
Vorschnelle Reflexe werden Hambergs Arbeiten nicht gerecht, das zeigt auch ein Blick in ihre Biografie. 1998 entschied die gebürtige Hessin Hamberg sich bewusst für ein Studium an der Kunsthochschule in Dresden, weil man da, wie sie sagt, in Ruhe arbeiten könne. Den westlichen Hochschulbetrieb erlebte sie dagegen in seiner ganzen Konzeptualität als eingefahren, etabliert und arrogant. Damit gehört sie zu jener jungen Künstlergeneration, die vor allem in den 90er-Jahren so verblüffend die eher traditionell ausgerichteten Hochschulen in Leipzig und Dresden stürmten und sich offenkundig mit Erfolg vom Kunstsystem des Alten Westens emanzipieren wollten. Mit Martin Honert hatte Hamberg in Dresden zwar auch einen konzeptualistischen Bildhauer als Lehrer, der sie zumindest bei der Themenwahl sichtlich beeinflusst hat – doch in der Formensprache möchte sie den entgegengesetzten Weg gehen: Spontaneität, Emotion, das Risiko des Unvollkommenen, so sagt sie, sei ihr Gegenprogramm gegen die aus ihrer Sicht kopflastige Konzeptskulptur. Innerhalb weniger Jahre ist es Hamberg damit das an sich schon nicht geringe Kunststück gelungen, Skulptur wieder in die öffentliche Diskussion zu bringen.
Weitere Informationen:
Mönchehaus Museum Goslar
Betritt man das neu eingerichtete Albertinum in Dresden, empfangen einem im überdachten Innenhof die drei "Berserker", drei Kolossalstatuen aus patinierter Bronze aus Hambergs Werkstatt. Durch den Ort ihrer Aufstellung wurden sie sofort bundesweit bekannt. Verzückung und Grausen lagen beim Publikum dicht beieinander. Viele lobten die geschickte Auswahl der Skulpturen, die die Traditionslinie des Sächsischen Barock in die Gegenwart transponieren. Andere schmähten Hambergs Figuren aus genau demselben Grund als neue Form der höfischen Kunst. Einer ihrer tonnenschweren "Berserker" ist nun auch in ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung im vergleichsweise zierlichen Fachwerkbau des Mönchehaus-Museums in Goslar zu sehen. Die jugendlich wirkende Hamberg selbst wirkt von den Diskussionen um ihr Werk unbeeindruckt. Die "Berserker" hält sie nicht für monumentale Plastiken, vielmehr habe sie versucht, durch die Zerklüftung der Außenfläche die Figur gleichzeitig zu erschaffen und zu zerstören. Wer genauer hinsieht, sieht nicht nur die schiere Größe, sondern auch die Balance, die Zerbrechlichkeit der Figur. Und dass, obwohl sie in Bronze ausgeführt ist, dem Ewigkeitsmaterial, der kunstgewordenen Herrschaftssymbolik schlechthin. Gerade das ist es, was Hamberg daran reizt:
"Bronze war ja lange so fast ein bisschen verpöntes Material geworden, also man hat das immer nur verbunden mit dieser ganzen Kunstgeschichte, und keiner hat sich mehr daran gewagt, und genau dieser Punkt, dass sich keiner mehr daran wagte, hat mich gereizt, also eigentlich reizen mich immer die Punkte, die kein anderer mehr anpackt."
Irritation verursacht sie aber auch durch andere Werke. Ihre Figurengruppe "Ghost Light" von 2010 halten viele Betrachter spontan für das Werk eines anderes Künstlers, weil die Formensprache darin eine so ganz andere ist als in den Berserkern. Schlichte, betont unexpressive Figuren, die wie teilnahmslos im Raum verteilt sind. Auch hier verrät erst der zweite Blick die für Hamberg scheinbar so typische Intention: Auch hier wieder ein geradezu existenzialistischer Balanceakt, diesmal nicht zwischen Schaffung und Zerstörung einer Figur, sondern zwischen Ausdruck und Nicht-Ausdruck, völliger Reduktion und doch einer körperlichen Präsenz im Raum.
Vorschnelle Reflexe werden Hambergs Arbeiten nicht gerecht, das zeigt auch ein Blick in ihre Biografie. 1998 entschied die gebürtige Hessin Hamberg sich bewusst für ein Studium an der Kunsthochschule in Dresden, weil man da, wie sie sagt, in Ruhe arbeiten könne. Den westlichen Hochschulbetrieb erlebte sie dagegen in seiner ganzen Konzeptualität als eingefahren, etabliert und arrogant. Damit gehört sie zu jener jungen Künstlergeneration, die vor allem in den 90er-Jahren so verblüffend die eher traditionell ausgerichteten Hochschulen in Leipzig und Dresden stürmten und sich offenkundig mit Erfolg vom Kunstsystem des Alten Westens emanzipieren wollten. Mit Martin Honert hatte Hamberg in Dresden zwar auch einen konzeptualistischen Bildhauer als Lehrer, der sie zumindest bei der Themenwahl sichtlich beeinflusst hat – doch in der Formensprache möchte sie den entgegengesetzten Weg gehen: Spontaneität, Emotion, das Risiko des Unvollkommenen, so sagt sie, sei ihr Gegenprogramm gegen die aus ihrer Sicht kopflastige Konzeptskulptur. Innerhalb weniger Jahre ist es Hamberg damit das an sich schon nicht geringe Kunststück gelungen, Skulptur wieder in die öffentliche Diskussion zu bringen.
Weitere Informationen:
Mönchehaus Museum Goslar