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Das schwache Gelenk

Medizin. -Über 15 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einem Gelenkverschleiß, einer Arthrose. Wenn das Knorpelgewebe erst einmal beschädigt ist, kommt es zur unwiederbringlichen Zerstörung der Gelenke. Die Betroffenen sind dann nur noch eingeschränkt beweglich und haben Schmerzen. Doch es gibt neue Behandlungsmöglichkeiten, um die Gelenke zu retten.

Von William Vorsatz |
    Der Mensch hat 200 Gelenke. Sie alle können verschleißen. Solche Arthrosen entstehen durch Unfälle, Überlastungen oder Krankheiten. Das Knorpelgewebe in den Gelenken garantiert normalerweise die Beweglichkeit. Wenn es zerstört wird, reiben die Knochen im Gelenk jedoch direkt aufeinander und verformen sich. Deshalb müssen Knorpelschäden früh behandelt werden. Siegfried Götte, Vorsitzender der Akademie Deutscher Orthopäden:

    "Im Vordergrund stehen die Arthosen der unteren Extremitäten, also der Beine, also insbesondere das Hüftgelenk und das Kniegelenk, hier können wir dem Patienten sehr gut helfen, bei den oberen Extremitäten steht im Vordergrund die Schulter."

    Knorpelschäden kann der Körper nicht selbst reparieren. Um die schadhafte Stelle herum reibt sich das Knorpelgewebe dann weiter ab. Regenerative Knorpeltherapien ermöglichen jedoch die völlige Wiederherstellung des defekten Knorpels. Allerdings nur, wenn der Defekt am Knorpelgewebe erst wenige Quadratmillimeter groß ist. Solche Knorpeldefekte entstehen meist durch Unfälle, etwa beim Sport. Am besten hilft hier eine Gewebetransplantation. Dazu entnehmen die Mediziner den Patienten reiskorngroße Stückchen Knorpelgewebe. An Gelenkstellen, die nicht so belastet sind. Mit Knorpeltransplantationen haben die Wissenschaftler seit über zehn Jahren Erfahrung. Professor Joachim Grifka von der Universitätsklinik in Regensburg:

    "Die ersten Erfahrungen haben die Züchtung der Knorpelzellen und die Einbringung der Zellen dann als flüssige Lösung genutzt. Dazu musste man sehr aufwendig im Gelenk Kammern präparieren und diese flüssige Lösung mit den Körpereigenen Zellen eingeben."

    Jetzt gibt es erste Langzeitstudien mit einem neuen Verfahren, das seit vier Jahren klinisch angewendet wird. Dazu entnehmen die Chirurgen ebenfalls Knorpelzellen und bringen sie dazu, sich zu vermehren:

    "Und diese Knorpelzellen werden aufgebracht auf ein Vlies, so genanntes matrixgebundenes Verfahren, und dieses Vlies wird dann im Gelenk auf die defekte Stelle aufgebracht, haftet dort, und die Knorpelzellen produzieren dann die Knorpelsubstanz."

    Ein Gelenk lässt sich so praktisch vollständig wiederherstellen. Allerdings geht dies nur bei jüngeren Menschen bis zum Alter von etwa 45 Jahren. Knorpelgewebe von älteren Menschen lässt sich schwieriger oder gar nicht nachzüchten. Außerdem muss der Schaden lokal begrenzt sein und das umgebende Gewebe noch gesund.

    Wenn das Knorpelgewebe schon großflächig zerstört ist und vor allem bei älteren Patienten helfen neue, präzisere Verfahren der Arthroskopie: dabei glätten die Chirurgen das Gelenk und tragen Verknöcherungen ab - durch minimal-invasive Eingriffe. Neuerdings auch bei Hüftarthrosen: Professor Grifka:

    "Arthroskopie im Bereich des Hüftgelenks ist eine jetzt mögliche operative Versorgung, die es vor wenigen Jahren überhaupt noch nicht gab, das ist möglich geworden durch neue Instrumente und Versorgungen, und dann ist es so, dass wir im Bereich des Hüftgelenks jetzt auch die ersten arthrotischen Veränderungen, wie beispielsweise Randkanten, die sich knöchern ausbilden, abtragen können, und damit das Gelenk modellieren und erhalten, anstatt eine Prothese einzusetzen."

    Auch wenn ein Gelenk nicht mehr zu retten ist und durch ein künstliches ersetzt werden muss, können die Experten jetzt besser helfen. Mit Hilfe der computergestützten Navigation setzten sie Ersatzgelenke viel genauer ein. Eine Stereo-Infrarotkamera liefert räumliche Bildinformationen. Der Rechner verarbeitet sie und schlägt vor, wie der Knochen bearbeitet werden muss, um das Implantat exakt zu platzieren.

    "Beispiel Kniegelenk. Der Operateur kann also die Achse des Gelenks nicht ganz so genau rekonstruieren. Auch der erfahrene Operateur - wir wissen von großen Studien, dass die ideale Implantatlokalisation rein in einer Achse, wenn man von vorne das Knie betrachtet, dass es kein O- und kein X-Bein ist - in 75 Prozent der Fälle erreicht wird."

    Mit der Navigationstechnik schaffen es die Chirurgen in 96 Prozent der Fälle. So können sie viele Nachoperationen vermeiden.