Archiv


Das Schwarze Loch von nebenan

Astronomie. - Schwarze Löcher zählen sicher zu den faszinierendsten Objekten im Kosmos. Ihre Anziehungskraft ist so stark, dass nichts - nicht einmal Licht - entkommen kann. Doch Schwarze Löcher haben einen Haken: Ihre Existenz ist noch immer nicht nachgewiesen - es gibt nur einige sehr gute Kandidaten. Der beste befindet sich im Zentrum unserer Milchstraße. Über das mögliche Schwarze Loch dort berichtet ein chinesisches Astronomenteam heute in "Nature".

Von Dirk Lorenzen |
    Es ist 26.000 Lichtjahre entfernt, astronomisch gesehen sehr klein und extrem massereich: Sagittarius A*, das Zentrum unserer Milchstraße im Sternbild Schütze. Doch was genau sich dort verbirgt, wie klein und wie massereich dieses Objekt ist, ist bis heute ein Rätsel. Klar ist nur, dass das Objekt Gasmassen anzieht, die im Radiobereich aufleuchten. Und so hat Zhi-Qiang Shen von der Sternwarte Shanghai das Zentrum unserer Milchstraße mit dem Very Long Baseline Array beobachtet, einem Verbund aus zehn Radioteleskopen in den USA:

    "Dieses Instrument liefert den schärfsten Blick ins All - schärfer als alle anderen Instrumenten auf der Erde oder im Weltraum. Unsere Messungen zeigen jetzt, dass das Objekt im Zentrum der Milchstraße in Ost-West-Richtung maximal so groß ist wie der Abstand der Erde von der Sonne."

    Damit erscheint das Zentrum der Milchstraße am Himmel nur so groß wie ein Fußball auf dem Mond! Die Masse des zentralen Objekts kann Zhi-Qiang Shen mit seinen Beobachtungen nicht bestimmen. Doch ein Team um Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching hat vor kurzem anhand der Bewegung der Sterne in der Nähe des Objekts nachgewiesen, dass das Zentrum der Milchstraße mindestens vier Millionen Sonnenmassen enthält. Shen:

    "Die Dichte dort ist extrem hoch, viel höher als bei jedem anderen Kandidaten für ein Schwarzes Loch - und viermal höher, als wir bisher annehmen konnten. Die anderen Kandidaten für ein Schwarzes Loch sind die Zentren recht ferner Galaxien, die sich nicht so detailliert beobachten lassen. In unserer Milchstraße wissen wir jetzt, dass vier Millionen Sonnenmassen in einem Bereich konzentriert sind, der maximal so groß ist wie der Abstand Erde-Sonne. Unserer Meinung nach ist das ein sehr, sehr starker Hinweis, dass Sagittarius A* wirklich ein extrem massereiches Schwarzes Loch ist."

    Mit "normaler" Materie, etwa einem sehr dichten Sternhaufen oder ähnlichem, lässt sich eine so hohe Dichte im Milchstraßenzentrum nicht erklären. Das geht außer mit einem Schwarzen Loch allenfalls noch mit einem hypothetischen Boson-Stern, einem Stern aus schweren Elementarteilchen. Doch Zhi-Qiang Shen ist optimistisch, dass mit den zusammengeschalteten Radioteleskopen bald ein echter Nachweis des Schwarzen Lochs gelingt:

    "Genau am Rand eines Schwarzen Loch werden die Lichtstrahlen wegen der starken Anziehungskraft völlig verbogen. Wir nennen das "den Schatten-Effekt". Derzeit sehen unsere Instrumente nur Strukturen, die etwa doppelt so groß sind wie der erwartete Schatten des Schwarzen Lochs. Natürlich wollen wir möglichst bald den Schatten selbst beobachten - dazu müssen unsere Instrumente bei noch kleineren Wellenlängen arbeiten. Sähen wir dann den Schatten, könnten wir definitiv sagen, dass Sagittarius A* wirklich ein Schwarzes Loch ist."

    Die Astronomen müssten bei einem noch schärferen Blick ins Zentrum der Milchstraße einen runden dunklen Fleck sehen, der von einem strahlend hellen Rand umgeben ist, so die Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie. Shen:

    "Im Moment passen die Beobachtungen gut zur Theorie. Wenn aber mit den besseren Teleskopen in etwa fünf bis zehn Jahren der Schatten nicht zu sehen ist, dann müssten einige Leute schwer nachdenken"