"Die Siebte Kavallerie in Fort Yuma, die man auch ausreiten lassen kann. Aber die muss man nicht unbedingt ausreiten (lassen). Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt."
Eine Botschaft des damaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück, SPD, im März 2009 – gerichtet an die Eidgenossen in der Schweiz.
"Und wenn das allein schon Nervosität hervorruft, ja dann kommt da ja richtig Zug in den Kamin!"
Peer Steinbrück, bekannt für seine verbalen Zündeleien, goss damals vor zwei Jahren gleich mehrfach genüsslich Öl ins Feuer. Bis heute wirken seine Worte grenzüberschreitend nach. Im sogenannten Steuerstreit mit der Schweiz – also der Auseinandersetzung um das Bankgeheimnis und um die Schwarzgeldkonten deutscher Staatsbürger – hielt der damalige Bundesfinanzminister statt Zuckerbrot die Peitsche für angebracht. Im Mai 2009 schließlich verglich der Sozialdemokrat die Schweiz auch noch mit Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, und brachte das Fass damit zum Überlaufen. Allerdings waren Steinbrücks Wortattacken gegen die Schweizer Bankenwelt, wenige Monate vor der Bundestagswahl 2009, sorgfältig terminiert. Damals führte die SPD aus der Großen Koalition heraus einen mühsamen Wahlkampf und rang um ihr Profil.
Die Parallelen zur Gegenwart sind unübersehbar, denn wieder steht im kommenden Jahr eine Bundestagswahl an, und so nutzen die Genossen die Kontroverse, um mit dem ur-sozialdemokratischen Thema Gerechtigkeit beim Wähler zu punkten. Peer Steinbrück ist in diesen Tagen auffällig schweigsam, doch sein Konkurrent in der K-Frage, SPD-Parteichef Sigmar Gabriel, hat bereits auf Wahlkampf-Modus umgeschaltet:
"Das Steuerabkommen soll ja die Steuerhinterziehung gerade legalisieren. Das ist ja das, was wir für unmöglich halten. Jeder normale Arbeitnehmer wird gar nicht gefragt, dem wird das Geld gleich abgezogen. Der sieht das gar nicht, das Finanzamt kassiert das sofort. Und hier haben wir ja mit Schweizer Banken Formen der organisierten Kriminalität. Das ist das, was mich richtig aufregt."
Das umstrittene Doppelbesteuerungs-Abkommen soll ab 2013 gelten und sieht für Kapitalerträge deutscher Kunden bei Schweizer Banken eine Steuer vor, die so hoch ist wie in Deutschland. Deshalb verteidigt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble das Abkommen unermüdlich:
"Wenn man einmal diese etwas billige Polemik beiseite schiebt, dann ist ja für die Zukunft sichergestellt, dass Kapitalanlagen in der Schweiz genauso steuerlich behandelt werden wie in Deutschland. Und deswegen glaube ich, es ist eine gute Regelung, und sie stellt sicher, dass wir für die Zukunft eben alle Kapitalanlagen in der Schweiz genauso der Besteuerung unterziehen wie in Deutschland."
"Eine gute Regelung": Das sieht die SPD – auch in Nordrhein-Westfalen - entschieden anders. Gestärkt durch eine klare Mehrheit im Landtag leistet der größte und mächtigste SPD-Landesverband jetzt Schützenhilfe im nahenden Bundestagswahlkampf. Landesfinanzminister Norbert Walter-Borjans führt die Kavallerie an.
"Ich sag jetzt mal ganz krass: Man muss denen, die da – wir reden jetzt von mindestens zweistelligen Millionenbeträgen – in der Schweiz geparkt haben, ein bisschen kriminelle Energie schon unterstellen."
Der Sozialdemokrat provoziert die Schweizer und die schwarz-gelbe Bundesregierung schon seit langem durch mehrere hoch umstrittene CD-Käufe. Erst in der vergangenen Woche wurde bekannt, dass NRW wieder Daten deutscher Kontoinhaber in der Schweiz erworben hat. Diese Praxis werde er auch in Zukunft beibehalten, kündigte Norbert Walter-Borjans an – wenn es Indizien dafür gebe, dass die Daten für die Steuerfahnder hilfreich seien. Für heute stand ein Treffen des Ministers mit dem Schweizer Botschafter Tim Guldimann auf dem Programm. In der "Rheinischen Post" heißt es dazu, das Treffen solle "das gegenseitige Verständnis vertiefen". Das wird notwendig sein, denn in der Schweiz ist das Bankgeheimnis ein hohes Gut – für die Einkäufe des nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten gibt es dort nur wenig Verständnis. Zumal sich Deutsche und Schweizer im bilateralen Steuerabkommen eigentlich auf das weitere Vorgehen verständigt hatten. Bis vor kurzem hätten die Schweizer dieses Abkommen unterstützt, sagte der Schweizer Botschafter in Deutschland, doch er wolle nicht ausschließen, dass die Zustimmung wegen der fortgesetzten Gerüchte über Ankäufe von gestohlenen Daten abnehme.
Der Kauf der Steuer-CDs jedenfalls hat die Angst vor Entdeckung mit sich gebracht – sie hat in den vergangenen Monaten zu vielen neuen Selbstanzeigen geführt. Dem Land Nordrhein-Westfalen bescherte das 300 Millionen Euro an Mehreinnahmen. Doch weil die Daten illegal und anonym aus der Software Schweizer Banken heraus kopiert werden, verläuft die Kontroverse nicht nur auf politischer, sondern auch auf juristischer Ebene. Die Bundesregierung reagiert verärgert und nervös auf die CD-Käufe. Steffen Kampeter, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, kritisiert die Landesregierung in NRW scharf:
"Für die Steuerpolitik gilt nicht: Der Zweck heiligt die Mittel, sondern Rechtsstaatlichkeit geht vor Datenhehlerei."
Neben den Steuer-CDs hat Kampeters politischer Gegenspieler Walter-Borjans noch ein zweites Druckmittel: Denn das Steuerabkommen mit der Schweiz ist noch nicht ratifiziert. Die Abstimmung im Bundesrat steht noch aus, sie ist für den Herbst terminiert. NRW will das Abkommen in der Länderkammer blockieren, gemeinsam mit anderen rot oder grün geführten Bundesländern. Begründung: zu viele Schlupflöcher. Die Front im Bundesrat stehe fest, sagt Walter-Borjans:
"Es gibt für mich keinen Anlass, daran zu zweifeln."
Doch im Gegensatz zu NRW legen sich andere SPD-geführte Länder bisher nicht eindeutig fest, im Bundesrat gegen das Abkommen zu stimmen. Nicht wenigen erscheint die Aussicht auf milliardenhohe Mehreinnahmen durch das Steuerabkommen allzu verlockend. Man habe auch eine moralische Verpflichtung gegenüber dem Steuerzahler, heißt es zum Beispiel aus dem Finanzministerium in Rheinland-Pfalz. Die Zeit drängt allerdings, denn das bilaterale Dokument soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten. NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans kommt der Zeitdruck sehr gelegen. Überhaupt tritt er in diesen Tagen ausgesprochen selbstbewusst auf:
"Jede Umfrage macht deutlich, dass die Bevölkerung, gerade vor diesem Hintergrund der Schulden und der Turbulenzen, die wir jetzt in Europa erleben, ganz klar sagt: Das ist richtig so. Ich kann Ihnen die Mails, die ich in Massen bekomme, und die ganz überwiegend mein Handeln unterstützen, zeigen. Die Leute sind nicht da, wo die, die es gerne anders sähen, sie haben möchten."
"Wir haben jetzt sicherlich ein populistisches Gerechtigkeitsempfinden, was speziell von der SPD besonders an die große Glocke gehängt wird. Das ist Stammtisch-Politik. Das hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun",
meint Stephan Grüter, Fachanwalt für Steuerrecht. Der Kanzlei-Inhaber aus Düsseldorf hat seit dem Beginn der Steuer-CD-Käufe verstärkt mit Selbstanzeigen und Strafmaßnahmen gegen seine Klienten zu tun. Sie seien in der Regel Besserverdienende, sagt Grüter, zum Beispiel Ärzte oder wohlhabende Rentner. Aber auch Taxifahrer zählen zu seinen Mandanten. Manchmal müsse er auch Händchen halten, erzählt der Anwalt, wenn die Steuerfahndung klingelt:
"Das beste Beispiel ist die ältere Dame, deren Tochter erwischt worden ist. Die war einigermaßen zerstreut und verwirrt und wollte auf gar keinen Fall, dass irgendjemand bei ihr zu Hause die Schränke durchwühlt. Andererseits muss man sagen, nachdem wir die Selbstanzeige abgegeben hatten, stellte sie nach einem halben Jahr fest, ups, da ist noch ein Konto, das habe ich leider vergessen mitzuteilen. Das heißt, die Aufgebrachtheit war in dem Fall auch möglicherweise nur gespielt."
Derzeit betreut der Jurist im Bereich des Steuerstrafrechts rund 200 Mandanten. Und natürlich gebe es jetzt, angesichts der Debatte um Schweizer Schwarzgeld-Konten, Bestrebungen, das Geld von der Schweiz in andere sogenannte Steueroasen zu transferieren – das sei eine längst geübte Praxis:
"Nicht erst seit 2008 haben die großen Schweizer Banken Niederlassungen in anderen Offshore-Bereichen unterhalten wie Singapur, Macau oder Dubai, und da waren die großen Geldbeträge ohnehin schon verwaltet. Dann haben wir natürlich auch einen Anteil von Menschen, die sich relativ nüchtern beraten lassen, was die Risiken sind. Und von denen man sagen kann, die sind ziemlich abgezockt, und gerade solche gehören eigentlich, auch wenn das von der Beratung her am entspanntesten ist, am ehesten verurteilt."
Genau hier offenbart das deutsch-schweizerische Steuerabkommen seine größten Schwachstellen. Denn es garantiert – für die Kritiker unbegreiflich – eine Amnestie für Fälle aus der Vergangenheit: Je nach Art und Dauer der Geldanlage sind Schweizer Banken ab dem kommenden Jahr zwar verpflichtet, deutsches Schwarzgeld nachträglich mit einem Pauschbetrag von 21 bis zu 41 Prozent zu besteuern und das Geld an den deutschen Fiskus zu überweisen. Doch den Kontoinhabern wird im Gegenzug Anonymität und Straffreiheit zugesagt. Bis zum 1. Januar stehen Betrügern zudem noch alle Wege offen, ihr Geld rechtzeitig vor Inkrafttreten des Abkommens abzuziehen, beziehungsweise in ein Steuerparadies wie Singapur zu transferieren. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, CDU, verteidigt das Dokument zwar und verspricht Mehreinnahmen in Milliardenhöhe, aber er klingt dennoch hilflos:
"Die Schweizer haben ein Bankgeheimnis, das gilt für die Zukunft nicht mehr und nach diesem Abkommen. Aber für die Vergangenheit heben sie es sich auf. Wir müssen die Schweizer Rechtslage respektieren. Wenn die deutschen Strafverfolgungsbehörden Kenntnis von Tat und Täter bekommen, verfolgen sie die natürlich im Rahmen der deutschen Strafgesetze, aber es gilt der alte Satz: Sie hängen keinen, sie hätten ihn denn."
"Also, ganz objektiv: Das Abkommen ist nicht gut gelungen",
sagt Steuerfachanwalt Stephan Grüter.
"Als Anwalt wünscht man sich natürlich für seine Mandanten, dass sie gegebenenfalls auch die Möglichkeit haben, etwas zu umgehen. Das heißt, wir bemühen uns als Anwalt natürlich auch, die Lücke zu finden, und vor dem Hintergrund beurteile ich das Abkommen natürlich sehr positiv, weil da jede Menge Lücken drin sind. Vor dem Hintergrund, dass allerdings die Steuerehrlichkeit gefördert werden soll, dass tatsächlich mit dem Abkommen eine Amnestie erreicht werden soll, beurteile ich das Abkommen als Katastrophe."
Auch Landesfinanzminister Norbert Walter-Borjans macht kein Geheimnis daraus, dass er von dem Abkommen nichts hält. Er bleibt dabei: Wolfgang Schäuble habe sich von der Schweiz über den Tisch ziehen lassen. Die Schweizer sehen das naturgemäß anders. Sie haben ihrerseits das Gefühl, über den Tisch gezogen worden zu sein. Und nicht nur Deutschland macht Druck, insbesondere die USA, aber auch Großbritannien, Frankreich und Italien haben sich mit der Schweizer Regierung und den Banken angelegt. Mit dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen versucht die Schweizer Regierung einen Befreiungsschlag. Finanzministerin Eveline Widmer Schlumpf bezeichnete das Abkommen nach der Unterzeichnung als fair:
"Es ist ja für die Schweiz wichtig, es ist auch für die Bundesrepublik Deutschland wichtig, weil es beiden Staaten jetzt hilft, wieder in geordneten Bahnen die Beziehungen zu pflegen und sich nicht immer nur mit der Vergangenheit zu beschäftigen."
Ähnlich sehen das die Schweizer Bankiers: Auch sie halten das Abkommen für eine vertretbare Lösung. So wie Jakob Schaad von der Schweizerischen Bankiervereinigung:
"Die Schweiz hat Deutschland gegenüber sicherlich Zugeständnisse gemacht. Wir sind Deutschland entgegengekommen. Aber ich denke, am Ende stehen sich beide besser: Deutschland bekommt Steuereinnahmen und der Finanzplatz Schweiz kann seinen Ruf als steuerkonformen Finanzplatz festigen."
Doch die stärkste Partei des Landes, die Schweizerische Volkspartei, will das nicht gelten lassen, denn die Banken, so SVP Nationalrat Christoph Mörgeli, hätten ein Eigeninteresse:
"Wir müssen natürlich sehen, dass die Bankiers ihre eigenen Interessen vertreten, und die Bankiers wollen jetzt mit solchen Verträgen zuungunsten von ihren Kunden und auch zuungunsten der Schweiz davon ablenken, dass sie in der Vergangenheit nicht alles richtig gemacht haben. Aber es ist nicht Ordnung, dass die Allgemeinheit, dass der gesamte Finanzplatz, dass das ganze Land Schweiz leidet, nur weil einzelne Bankiers und Banken Fehler gemacht haben."
Fehler gibt man also zwischenzeitlich zu, und deshalb sei die Abgeltungssteuer die richtige Lösung, betont Jakob Schaad von der Schweizerischen Bankiervereinigung:
"Ich glaube, es ist eine pragmatische, aber auch eine faire Lösung. Denn mit der Abgeltungssteuer stellen sie sicher, dass alle Steuern bezahlen, und wir können den Schutz der finanziellen Privatsphäre, der in der Schweiz wichtig ist, wahren."
Die SVP ist da aber ganz anderer Meinung. Das Abkommen sei eine Mogelpackung, meint Nationalrat Mörgeli, denn die Abgeltungssteuer garantiere gar keine Anonymität, wie Banken aber auch die deutsche Opposition aus unterschiedlichen Perspektiven heraus betonen:
"Das ist nicht der Fall, wenn Sie den Text im Detail lesen, ist einerseits eine Kontrolle durch die deutschen Finanzaufsichtsbehörden jederzeit vor Ort möglich. Andererseits sind auch Anfragen in den ersten zwei Jahren, bis zu 1.300 Anfragen möglich. So dass also von einem Schutz der Kunden von einer Anonymität, wie man sie vorgibt, in der Realität überhaupt nicht die Rede sein kann."
Widerstand gibt es also nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz, räumt der ehemalige Botschafter in Berlin, Thomas Borer, ein, er hält das Steuerabkommen gleichwohl für einen echten Kompromiss, mahnt aber:
"Bei jedem so lange verhandelten Vertrag gibt es eben Kompromisse. Deutschland muss in einigen Bereichen nachgeben, und die Schweiz muss in einigen Bereichen nachgeben. Und ich glaube, die beiden Länder sind gut beraten, wenn sie dieses Steuerabkommen jetzt genehmigen oder ratifizieren und umsetzen."
Das Schweizer Parlament hat das Steuerabkommen verabschiedet, trotz Widerstands der SVP und der Sozialdemokraten, die dieses Abkommen nur für eine Zwischenlösung halten, so Parteipräsident Christian Levrat:
"Es ist im besten Fall eine Übergangsregelung. Unsere Analyse geht davon aus, dass wir innerhalb von wenigen Monaten Verhandlungen werden aufnehmen müssen zum automatischen Datenaustausch."
Doch das ist für die Konservativen in der Schweiz ein Reizwort und löst Verschwörungstheorien aus, SVP Nationalrat Mörgeli spricht vom Wirtschaftskrieg:
"Es handelt sich um einen Wirtschaftskrieg, alles andere wäre Beschönigung. Es ist klar, dass man den Finanzplatz Schweiz schwächen will. Dass der Finanzplatz Schweiz in der Vergangenheit Fehler gemacht hat, das ist sicher klar und das wird auch anerkannt. Aber dass man jetzt mit solchen Abkommen, die weit über OECD-Standards hinausgehen und eben international nicht der Norm entsprechen, vorprescht, das ist für mich unverständlich."
Der Kauf gestohlener Bankdaten CD´s durch deutsche Behörden macht das Ringen um das Steuerabkommen nicht einfacher. Auch im Schweizer Finanzministerium runzelte man die Stirn, als der jüngste Daten-Kauf durch die nordrhein-westfälische Landesregierung bekannt wurde. Sprecher Mario Tuor verdeutlicht die Regierungsposition:
"Für uns ist der Text des Abkommens maßgeblich. Da steht, es ist kein aktiver Erwerb möglich. Aktiv würde nicht heißen, wenn jemand eine CD in einen Briefkasten legt, alles andere erachten wir als aktiv, und deshalb nicht erlaubt."
Wirtschaftsprofessor Peter Kunz von der Universität Bern stützt dagegen die deutsche Position:
"Der Wortlaut der Erklärung von Deutschland ist meines Erachtens klar. Am heutigen Ist-Zustand ändert sich nichts. Das heißt, der bloße Erwerb, das Kaufen von CD-Kundendateien durch deutsche Bundesländer ist ohne weiteres legal. Was nicht legal wäre, ist, wenn jetzt irgendwelche Anstiftungen vorgenommen würden oder Auskundschaftsaufträge erteilt würden. Aber der Status quo, der bleibt bestehen."
SVP Nationalrat Mörgeli spricht dagegen von einer Provokation:
"Es ist zweifellos eine Provokation sowohl gegen außen, gegenüber der Schweiz. Das kommt nicht gut an bei der breiten Bevölkerung, das wird nicht goutiert. Es ist aber natürlich auch ein Signal gegen innen, das zeigen will, wir haben da was, zeigt euch selber an, ihr seid alle in Gefahr, ihr wisst nicht, was von euch da bekannt ist, und es kommt ja da dann auch vermehrt zu Selbstanzeigen. So gesehen ist das das maoistische Trommeln auf den Boden, damit die Schlangen sich erheben und man ihnen den Kopf abschlagen kann."
Dass sich auch die Regierungen in juristischen Feinheiten über aktives oder passives Vorgehen üben, beweist einmal mehr, wie vergiftet das Klima ist. Auch die Schweiz wehrt sich, wie die Ermittlungen des Schweizer Bundesanwalts Michael Lauber gegen deutsche Steuerfahnder zeigen. Lauber muss die Vorwürfe prüfen und hat offenbar klare Indizien:
"Wir haben in diesen Ermittlungshandlungen Anhaltspunkte, die darauf hinweisen, dass aus Deutschland Aufträge erteilt wurden zum Ausspionieren von Informationen der CS."
Das heißt ganz konkret: Der Vorwurf der Industriespionage gegenüber der Credit Suisse steht im Raum. Deutsche Fahnder sollen in der Schweiz aktiv geworden sein und sogar Aufträge erteilt haben, um an gestohlene Bankdaten zu kommen. Das ist in der Schweiz – deutsche Empörung hin, moralische Entrüstung her – ein strafrechtliches Vergehen. Alle Anfragen an die deutschen Behörden in Nordrhein-Westfalen wurden übrigens abgeblockt, auch das findet man in der Schweiz zumindest merkwürdig. 70 Prozent der Schweizer Bürger stehen hinter dem ausgehandelten Steuerabkommen. Die Volksabstimmung, die von den Gegnern geplant wird, dürfte noch keine Chance haben. Aber das könnte sich ändern, wenn weitere Steuer-CDs den Eigentümer wechseln. Sollte der Deutsche Bundesrat aber das Abkommen ablehnen heißt es in der Schweiz: keine Nachverhandlungen.
Eine Botschaft des damaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück, SPD, im März 2009 – gerichtet an die Eidgenossen in der Schweiz.
"Und wenn das allein schon Nervosität hervorruft, ja dann kommt da ja richtig Zug in den Kamin!"
Peer Steinbrück, bekannt für seine verbalen Zündeleien, goss damals vor zwei Jahren gleich mehrfach genüsslich Öl ins Feuer. Bis heute wirken seine Worte grenzüberschreitend nach. Im sogenannten Steuerstreit mit der Schweiz – also der Auseinandersetzung um das Bankgeheimnis und um die Schwarzgeldkonten deutscher Staatsbürger – hielt der damalige Bundesfinanzminister statt Zuckerbrot die Peitsche für angebracht. Im Mai 2009 schließlich verglich der Sozialdemokrat die Schweiz auch noch mit Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, und brachte das Fass damit zum Überlaufen. Allerdings waren Steinbrücks Wortattacken gegen die Schweizer Bankenwelt, wenige Monate vor der Bundestagswahl 2009, sorgfältig terminiert. Damals führte die SPD aus der Großen Koalition heraus einen mühsamen Wahlkampf und rang um ihr Profil.
Die Parallelen zur Gegenwart sind unübersehbar, denn wieder steht im kommenden Jahr eine Bundestagswahl an, und so nutzen die Genossen die Kontroverse, um mit dem ur-sozialdemokratischen Thema Gerechtigkeit beim Wähler zu punkten. Peer Steinbrück ist in diesen Tagen auffällig schweigsam, doch sein Konkurrent in der K-Frage, SPD-Parteichef Sigmar Gabriel, hat bereits auf Wahlkampf-Modus umgeschaltet:
"Das Steuerabkommen soll ja die Steuerhinterziehung gerade legalisieren. Das ist ja das, was wir für unmöglich halten. Jeder normale Arbeitnehmer wird gar nicht gefragt, dem wird das Geld gleich abgezogen. Der sieht das gar nicht, das Finanzamt kassiert das sofort. Und hier haben wir ja mit Schweizer Banken Formen der organisierten Kriminalität. Das ist das, was mich richtig aufregt."
Das umstrittene Doppelbesteuerungs-Abkommen soll ab 2013 gelten und sieht für Kapitalerträge deutscher Kunden bei Schweizer Banken eine Steuer vor, die so hoch ist wie in Deutschland. Deshalb verteidigt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble das Abkommen unermüdlich:
"Wenn man einmal diese etwas billige Polemik beiseite schiebt, dann ist ja für die Zukunft sichergestellt, dass Kapitalanlagen in der Schweiz genauso steuerlich behandelt werden wie in Deutschland. Und deswegen glaube ich, es ist eine gute Regelung, und sie stellt sicher, dass wir für die Zukunft eben alle Kapitalanlagen in der Schweiz genauso der Besteuerung unterziehen wie in Deutschland."
"Eine gute Regelung": Das sieht die SPD – auch in Nordrhein-Westfalen - entschieden anders. Gestärkt durch eine klare Mehrheit im Landtag leistet der größte und mächtigste SPD-Landesverband jetzt Schützenhilfe im nahenden Bundestagswahlkampf. Landesfinanzminister Norbert Walter-Borjans führt die Kavallerie an.
"Ich sag jetzt mal ganz krass: Man muss denen, die da – wir reden jetzt von mindestens zweistelligen Millionenbeträgen – in der Schweiz geparkt haben, ein bisschen kriminelle Energie schon unterstellen."
Der Sozialdemokrat provoziert die Schweizer und die schwarz-gelbe Bundesregierung schon seit langem durch mehrere hoch umstrittene CD-Käufe. Erst in der vergangenen Woche wurde bekannt, dass NRW wieder Daten deutscher Kontoinhaber in der Schweiz erworben hat. Diese Praxis werde er auch in Zukunft beibehalten, kündigte Norbert Walter-Borjans an – wenn es Indizien dafür gebe, dass die Daten für die Steuerfahnder hilfreich seien. Für heute stand ein Treffen des Ministers mit dem Schweizer Botschafter Tim Guldimann auf dem Programm. In der "Rheinischen Post" heißt es dazu, das Treffen solle "das gegenseitige Verständnis vertiefen". Das wird notwendig sein, denn in der Schweiz ist das Bankgeheimnis ein hohes Gut – für die Einkäufe des nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten gibt es dort nur wenig Verständnis. Zumal sich Deutsche und Schweizer im bilateralen Steuerabkommen eigentlich auf das weitere Vorgehen verständigt hatten. Bis vor kurzem hätten die Schweizer dieses Abkommen unterstützt, sagte der Schweizer Botschafter in Deutschland, doch er wolle nicht ausschließen, dass die Zustimmung wegen der fortgesetzten Gerüchte über Ankäufe von gestohlenen Daten abnehme.
Der Kauf der Steuer-CDs jedenfalls hat die Angst vor Entdeckung mit sich gebracht – sie hat in den vergangenen Monaten zu vielen neuen Selbstanzeigen geführt. Dem Land Nordrhein-Westfalen bescherte das 300 Millionen Euro an Mehreinnahmen. Doch weil die Daten illegal und anonym aus der Software Schweizer Banken heraus kopiert werden, verläuft die Kontroverse nicht nur auf politischer, sondern auch auf juristischer Ebene. Die Bundesregierung reagiert verärgert und nervös auf die CD-Käufe. Steffen Kampeter, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, kritisiert die Landesregierung in NRW scharf:
"Für die Steuerpolitik gilt nicht: Der Zweck heiligt die Mittel, sondern Rechtsstaatlichkeit geht vor Datenhehlerei."
Neben den Steuer-CDs hat Kampeters politischer Gegenspieler Walter-Borjans noch ein zweites Druckmittel: Denn das Steuerabkommen mit der Schweiz ist noch nicht ratifiziert. Die Abstimmung im Bundesrat steht noch aus, sie ist für den Herbst terminiert. NRW will das Abkommen in der Länderkammer blockieren, gemeinsam mit anderen rot oder grün geführten Bundesländern. Begründung: zu viele Schlupflöcher. Die Front im Bundesrat stehe fest, sagt Walter-Borjans:
"Es gibt für mich keinen Anlass, daran zu zweifeln."
Doch im Gegensatz zu NRW legen sich andere SPD-geführte Länder bisher nicht eindeutig fest, im Bundesrat gegen das Abkommen zu stimmen. Nicht wenigen erscheint die Aussicht auf milliardenhohe Mehreinnahmen durch das Steuerabkommen allzu verlockend. Man habe auch eine moralische Verpflichtung gegenüber dem Steuerzahler, heißt es zum Beispiel aus dem Finanzministerium in Rheinland-Pfalz. Die Zeit drängt allerdings, denn das bilaterale Dokument soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten. NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans kommt der Zeitdruck sehr gelegen. Überhaupt tritt er in diesen Tagen ausgesprochen selbstbewusst auf:
"Jede Umfrage macht deutlich, dass die Bevölkerung, gerade vor diesem Hintergrund der Schulden und der Turbulenzen, die wir jetzt in Europa erleben, ganz klar sagt: Das ist richtig so. Ich kann Ihnen die Mails, die ich in Massen bekomme, und die ganz überwiegend mein Handeln unterstützen, zeigen. Die Leute sind nicht da, wo die, die es gerne anders sähen, sie haben möchten."
"Wir haben jetzt sicherlich ein populistisches Gerechtigkeitsempfinden, was speziell von der SPD besonders an die große Glocke gehängt wird. Das ist Stammtisch-Politik. Das hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun",
meint Stephan Grüter, Fachanwalt für Steuerrecht. Der Kanzlei-Inhaber aus Düsseldorf hat seit dem Beginn der Steuer-CD-Käufe verstärkt mit Selbstanzeigen und Strafmaßnahmen gegen seine Klienten zu tun. Sie seien in der Regel Besserverdienende, sagt Grüter, zum Beispiel Ärzte oder wohlhabende Rentner. Aber auch Taxifahrer zählen zu seinen Mandanten. Manchmal müsse er auch Händchen halten, erzählt der Anwalt, wenn die Steuerfahndung klingelt:
"Das beste Beispiel ist die ältere Dame, deren Tochter erwischt worden ist. Die war einigermaßen zerstreut und verwirrt und wollte auf gar keinen Fall, dass irgendjemand bei ihr zu Hause die Schränke durchwühlt. Andererseits muss man sagen, nachdem wir die Selbstanzeige abgegeben hatten, stellte sie nach einem halben Jahr fest, ups, da ist noch ein Konto, das habe ich leider vergessen mitzuteilen. Das heißt, die Aufgebrachtheit war in dem Fall auch möglicherweise nur gespielt."
Derzeit betreut der Jurist im Bereich des Steuerstrafrechts rund 200 Mandanten. Und natürlich gebe es jetzt, angesichts der Debatte um Schweizer Schwarzgeld-Konten, Bestrebungen, das Geld von der Schweiz in andere sogenannte Steueroasen zu transferieren – das sei eine längst geübte Praxis:
"Nicht erst seit 2008 haben die großen Schweizer Banken Niederlassungen in anderen Offshore-Bereichen unterhalten wie Singapur, Macau oder Dubai, und da waren die großen Geldbeträge ohnehin schon verwaltet. Dann haben wir natürlich auch einen Anteil von Menschen, die sich relativ nüchtern beraten lassen, was die Risiken sind. Und von denen man sagen kann, die sind ziemlich abgezockt, und gerade solche gehören eigentlich, auch wenn das von der Beratung her am entspanntesten ist, am ehesten verurteilt."
Genau hier offenbart das deutsch-schweizerische Steuerabkommen seine größten Schwachstellen. Denn es garantiert – für die Kritiker unbegreiflich – eine Amnestie für Fälle aus der Vergangenheit: Je nach Art und Dauer der Geldanlage sind Schweizer Banken ab dem kommenden Jahr zwar verpflichtet, deutsches Schwarzgeld nachträglich mit einem Pauschbetrag von 21 bis zu 41 Prozent zu besteuern und das Geld an den deutschen Fiskus zu überweisen. Doch den Kontoinhabern wird im Gegenzug Anonymität und Straffreiheit zugesagt. Bis zum 1. Januar stehen Betrügern zudem noch alle Wege offen, ihr Geld rechtzeitig vor Inkrafttreten des Abkommens abzuziehen, beziehungsweise in ein Steuerparadies wie Singapur zu transferieren. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, CDU, verteidigt das Dokument zwar und verspricht Mehreinnahmen in Milliardenhöhe, aber er klingt dennoch hilflos:
"Die Schweizer haben ein Bankgeheimnis, das gilt für die Zukunft nicht mehr und nach diesem Abkommen. Aber für die Vergangenheit heben sie es sich auf. Wir müssen die Schweizer Rechtslage respektieren. Wenn die deutschen Strafverfolgungsbehörden Kenntnis von Tat und Täter bekommen, verfolgen sie die natürlich im Rahmen der deutschen Strafgesetze, aber es gilt der alte Satz: Sie hängen keinen, sie hätten ihn denn."
"Also, ganz objektiv: Das Abkommen ist nicht gut gelungen",
sagt Steuerfachanwalt Stephan Grüter.
"Als Anwalt wünscht man sich natürlich für seine Mandanten, dass sie gegebenenfalls auch die Möglichkeit haben, etwas zu umgehen. Das heißt, wir bemühen uns als Anwalt natürlich auch, die Lücke zu finden, und vor dem Hintergrund beurteile ich das Abkommen natürlich sehr positiv, weil da jede Menge Lücken drin sind. Vor dem Hintergrund, dass allerdings die Steuerehrlichkeit gefördert werden soll, dass tatsächlich mit dem Abkommen eine Amnestie erreicht werden soll, beurteile ich das Abkommen als Katastrophe."
Auch Landesfinanzminister Norbert Walter-Borjans macht kein Geheimnis daraus, dass er von dem Abkommen nichts hält. Er bleibt dabei: Wolfgang Schäuble habe sich von der Schweiz über den Tisch ziehen lassen. Die Schweizer sehen das naturgemäß anders. Sie haben ihrerseits das Gefühl, über den Tisch gezogen worden zu sein. Und nicht nur Deutschland macht Druck, insbesondere die USA, aber auch Großbritannien, Frankreich und Italien haben sich mit der Schweizer Regierung und den Banken angelegt. Mit dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen versucht die Schweizer Regierung einen Befreiungsschlag. Finanzministerin Eveline Widmer Schlumpf bezeichnete das Abkommen nach der Unterzeichnung als fair:
"Es ist ja für die Schweiz wichtig, es ist auch für die Bundesrepublik Deutschland wichtig, weil es beiden Staaten jetzt hilft, wieder in geordneten Bahnen die Beziehungen zu pflegen und sich nicht immer nur mit der Vergangenheit zu beschäftigen."
Ähnlich sehen das die Schweizer Bankiers: Auch sie halten das Abkommen für eine vertretbare Lösung. So wie Jakob Schaad von der Schweizerischen Bankiervereinigung:
"Die Schweiz hat Deutschland gegenüber sicherlich Zugeständnisse gemacht. Wir sind Deutschland entgegengekommen. Aber ich denke, am Ende stehen sich beide besser: Deutschland bekommt Steuereinnahmen und der Finanzplatz Schweiz kann seinen Ruf als steuerkonformen Finanzplatz festigen."
Doch die stärkste Partei des Landes, die Schweizerische Volkspartei, will das nicht gelten lassen, denn die Banken, so SVP Nationalrat Christoph Mörgeli, hätten ein Eigeninteresse:
"Wir müssen natürlich sehen, dass die Bankiers ihre eigenen Interessen vertreten, und die Bankiers wollen jetzt mit solchen Verträgen zuungunsten von ihren Kunden und auch zuungunsten der Schweiz davon ablenken, dass sie in der Vergangenheit nicht alles richtig gemacht haben. Aber es ist nicht Ordnung, dass die Allgemeinheit, dass der gesamte Finanzplatz, dass das ganze Land Schweiz leidet, nur weil einzelne Bankiers und Banken Fehler gemacht haben."
Fehler gibt man also zwischenzeitlich zu, und deshalb sei die Abgeltungssteuer die richtige Lösung, betont Jakob Schaad von der Schweizerischen Bankiervereinigung:
"Ich glaube, es ist eine pragmatische, aber auch eine faire Lösung. Denn mit der Abgeltungssteuer stellen sie sicher, dass alle Steuern bezahlen, und wir können den Schutz der finanziellen Privatsphäre, der in der Schweiz wichtig ist, wahren."
Die SVP ist da aber ganz anderer Meinung. Das Abkommen sei eine Mogelpackung, meint Nationalrat Mörgeli, denn die Abgeltungssteuer garantiere gar keine Anonymität, wie Banken aber auch die deutsche Opposition aus unterschiedlichen Perspektiven heraus betonen:
"Das ist nicht der Fall, wenn Sie den Text im Detail lesen, ist einerseits eine Kontrolle durch die deutschen Finanzaufsichtsbehörden jederzeit vor Ort möglich. Andererseits sind auch Anfragen in den ersten zwei Jahren, bis zu 1.300 Anfragen möglich. So dass also von einem Schutz der Kunden von einer Anonymität, wie man sie vorgibt, in der Realität überhaupt nicht die Rede sein kann."
Widerstand gibt es also nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz, räumt der ehemalige Botschafter in Berlin, Thomas Borer, ein, er hält das Steuerabkommen gleichwohl für einen echten Kompromiss, mahnt aber:
"Bei jedem so lange verhandelten Vertrag gibt es eben Kompromisse. Deutschland muss in einigen Bereichen nachgeben, und die Schweiz muss in einigen Bereichen nachgeben. Und ich glaube, die beiden Länder sind gut beraten, wenn sie dieses Steuerabkommen jetzt genehmigen oder ratifizieren und umsetzen."
Das Schweizer Parlament hat das Steuerabkommen verabschiedet, trotz Widerstands der SVP und der Sozialdemokraten, die dieses Abkommen nur für eine Zwischenlösung halten, so Parteipräsident Christian Levrat:
"Es ist im besten Fall eine Übergangsregelung. Unsere Analyse geht davon aus, dass wir innerhalb von wenigen Monaten Verhandlungen werden aufnehmen müssen zum automatischen Datenaustausch."
Doch das ist für die Konservativen in der Schweiz ein Reizwort und löst Verschwörungstheorien aus, SVP Nationalrat Mörgeli spricht vom Wirtschaftskrieg:
"Es handelt sich um einen Wirtschaftskrieg, alles andere wäre Beschönigung. Es ist klar, dass man den Finanzplatz Schweiz schwächen will. Dass der Finanzplatz Schweiz in der Vergangenheit Fehler gemacht hat, das ist sicher klar und das wird auch anerkannt. Aber dass man jetzt mit solchen Abkommen, die weit über OECD-Standards hinausgehen und eben international nicht der Norm entsprechen, vorprescht, das ist für mich unverständlich."
Der Kauf gestohlener Bankdaten CD´s durch deutsche Behörden macht das Ringen um das Steuerabkommen nicht einfacher. Auch im Schweizer Finanzministerium runzelte man die Stirn, als der jüngste Daten-Kauf durch die nordrhein-westfälische Landesregierung bekannt wurde. Sprecher Mario Tuor verdeutlicht die Regierungsposition:
"Für uns ist der Text des Abkommens maßgeblich. Da steht, es ist kein aktiver Erwerb möglich. Aktiv würde nicht heißen, wenn jemand eine CD in einen Briefkasten legt, alles andere erachten wir als aktiv, und deshalb nicht erlaubt."
Wirtschaftsprofessor Peter Kunz von der Universität Bern stützt dagegen die deutsche Position:
"Der Wortlaut der Erklärung von Deutschland ist meines Erachtens klar. Am heutigen Ist-Zustand ändert sich nichts. Das heißt, der bloße Erwerb, das Kaufen von CD-Kundendateien durch deutsche Bundesländer ist ohne weiteres legal. Was nicht legal wäre, ist, wenn jetzt irgendwelche Anstiftungen vorgenommen würden oder Auskundschaftsaufträge erteilt würden. Aber der Status quo, der bleibt bestehen."
SVP Nationalrat Mörgeli spricht dagegen von einer Provokation:
"Es ist zweifellos eine Provokation sowohl gegen außen, gegenüber der Schweiz. Das kommt nicht gut an bei der breiten Bevölkerung, das wird nicht goutiert. Es ist aber natürlich auch ein Signal gegen innen, das zeigen will, wir haben da was, zeigt euch selber an, ihr seid alle in Gefahr, ihr wisst nicht, was von euch da bekannt ist, und es kommt ja da dann auch vermehrt zu Selbstanzeigen. So gesehen ist das das maoistische Trommeln auf den Boden, damit die Schlangen sich erheben und man ihnen den Kopf abschlagen kann."
Dass sich auch die Regierungen in juristischen Feinheiten über aktives oder passives Vorgehen üben, beweist einmal mehr, wie vergiftet das Klima ist. Auch die Schweiz wehrt sich, wie die Ermittlungen des Schweizer Bundesanwalts Michael Lauber gegen deutsche Steuerfahnder zeigen. Lauber muss die Vorwürfe prüfen und hat offenbar klare Indizien:
"Wir haben in diesen Ermittlungshandlungen Anhaltspunkte, die darauf hinweisen, dass aus Deutschland Aufträge erteilt wurden zum Ausspionieren von Informationen der CS."
Das heißt ganz konkret: Der Vorwurf der Industriespionage gegenüber der Credit Suisse steht im Raum. Deutsche Fahnder sollen in der Schweiz aktiv geworden sein und sogar Aufträge erteilt haben, um an gestohlene Bankdaten zu kommen. Das ist in der Schweiz – deutsche Empörung hin, moralische Entrüstung her – ein strafrechtliches Vergehen. Alle Anfragen an die deutschen Behörden in Nordrhein-Westfalen wurden übrigens abgeblockt, auch das findet man in der Schweiz zumindest merkwürdig. 70 Prozent der Schweizer Bürger stehen hinter dem ausgehandelten Steuerabkommen. Die Volksabstimmung, die von den Gegnern geplant wird, dürfte noch keine Chance haben. Aber das könnte sich ändern, wenn weitere Steuer-CDs den Eigentümer wechseln. Sollte der Deutsche Bundesrat aber das Abkommen ablehnen heißt es in der Schweiz: keine Nachverhandlungen.