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Das Testament des Teufels

Um die sogenannte Teufelsbibel, eine über 350 Jahre alte Enzyklopädie aus dem Mittelalter, ranken sich noch heute mystische Geschichten. Der Autor Richard Dübell hat nun das etwa 75 Kilogramm schwere Buch, das der Legende nach vom Teufel selbst geschrieben wurde, zum Gegenstand seines neuen, gleichnamigen Mystery-Krimis werden lassen.

Von Ingrid Müller-Münch |
    Prag. Winter 2007. Hinter den altehrwürdigen Mauern des Klementinum, direkt hinter der Karlsbrücke gelegen, liegt derzeit ein besonderer Schatz. Unter strengster Bewachung ist dort ein Beutestück zu bewundern, dass die schwedischen Eroberer 1648, am Ende des Dreißigjährigen Krieges, raubten und nun, über 350 Jahre später, zum ersten Mal für einige Monate ins ehemalige Böhmen entliehen: die sogenannte Teufelsbibel.

    "’Es ist das Testament des Teufels’, krächzte Kardinal Facchinetti plötzlich. ’Der Leibhaftige selbst hat es geschrieben, und es ist nur auf der Welt, um Unheil anzurichten!’"

    Aus der Diaspora zurückgekehrt ist somit das angeblich größte, schwerste und wohl auch teuerste Buch der Welt: Die auch "Codex Gigas" genannte Teufelsbibel, gut einen Meter hoch, einen halben Meter breit, etwa 75 Kilogramm schwer.

    "Einhundertsiebzig Esel mussten für dieses Buch ihr Leben lassen. Das Pergament, auf dem gezeichnet ist, ist Eselshaut."

    Der neueste Historienkrimi des Landshuter Autors Richard Dübell hat seinen Titel dem in Prag ausgestellten Exponat entnommen und heißt schlichtweg: "Die Teufelsbibel". Um genau dieses geheimnisumwobene Mammutwerk rankt der Autor ein grausames Geschehen voller Intrigen und Hinterhältigkeit, ermordeten Päpsten, unmenschlichen Mönchen und verirrten Seelen. "Die Teufelsbibel" umgibt - in der Realität so auch in Dübells Roman - eine Mischung aus Legendenbildung und historischer Wahrheit. Dübell reiste nun extra nach Prag, um die Hauptperson seines neuen Romans im Original zu betrachten.

    "Es war toll, die Teufelsbibel zu sehen. Ich hatte ja keine Chance, weil: Als ich mit dem Buch zu schreiben begann, war sie schon unter Verschluss in der königlichen Bibliothek in Schweden. Und jetzt sie zum ersten Mal live zu sehen, davor zu stehen, nur durch eine Glasscheibe getrennt, war ein sehr, sehr bewegendes Erlebnis für mich."

    Dübells Roman ist eine Mischung aus Historical Mystery und Krimi. So recht etwas für Leser, die schon auf den Spuren des Da-Vinci-Codes wandelten. Er beginnt damit, dass ein kleiner Junge in einem halbverfallenen böhmischen Kloster des Jahres 1572 den Mord an seinen Eltern und acht weiteren Menschen beobachtet und fliehen kann. Ein Mönch hat die Religionsflüchtlinge gemeuchelt, aus Angst davor, sie könnten das Versteck der streng gehüteten Teufelsbibel preisgeben.

    "Wir haben Andrej von Langenfels, der als Kind mit ansehen musste, wie seine Eltern während eines Massakers in einem Kloster umgebracht werden. Und alles, was er weiß, ist, dass sein Vater nach einem Codex gesucht hat, der ihm helfen sollte, alchimistische Experimente zu veranstalten. Sein Vater träumt davon, das Wissen der Welt zu erlangen. Und der beste Wissenschaftler und der beste Alchimist der Welt zu werden. Das kostet ihn das Leben."

    Ein erfolgreicher Alchimist zu werden war damals so eine Art Sechser im Lotto, denn Alchimisten waren fest davon überzeugt, irgendwann mithilfe einer Zauberformel Blei in Gold verwandeln zu können.

    "Diese Geschichten, die irgendwo so einen Inhalt haben, der sehr mysteriös ist, der möglicherweise esoterisch oder übernatürlich wirkt, und der in dem Leser so ein Gefühl des leisen Gruseln hervorruft. Aber, das möchte ich gleich dazusagen, alle meine Romane basieren auf Fakten. Wenn es um Dinge geht, die übernatürlich erscheinen oder so einen mystischen Touch bekommen, dann liegt es an den handelnden Charakteren, dass die dann das glauben. Ich selbst basiere meine Romane ausschließlich auf den harten Fakten."

    Geschickt balanciert der Autor zwischen harten Fakten und Legendenbildung hin und her. Die real existierende Teufelsbibel liefert ihm hierzu reichlich Stoff. Tatsächlich soll sie vor etwa 800 Jahren von einem Benediktinermönch eines ostböhmischen Klosters in jahrelanger Fleißarbeit verfasst worden sein.

    "Im Mittelalter war die Teufelsbibel eine Sammlung mittelalterlichen Wissens. Der Autor hat sie eigentlich so als eine Art Enzyklopädie geplant, und sie war auch sehr lange Gegenstand von Forschungen. Sowohl Forscher aus der Kirche als auch Laien durften in der Teufelsbibel nachlesen und nachschlagen. Das hat sich dann relativ schnell ins Gegenteil verkehrt, bis am Ende die Teufelsbibel tatsächlich versteckt und bewacht war. Aber geplant war sie mal, um das Wissen der Welt zusammenzufassen."

    Die Legende freilich überliefert etwas ganz anderes. Danach hatte ein Benediktinermönch eine Sünde begangen, wurde hierfür lebendig eingemauert, versprach, innerhalb einer Nacht als Sühne ein Buch mit dem gesamten Wissen seiner Zeit zu erstellen, merkte gegen Mitternacht, dass er sich übernommen hatte, rief den Teufel zu Hilfe, machte einen Deal: seine Seele gegen die Fertigstellung des Buches. Und so, heißt es, entstand die Teufelsbibel. All dies hat sich Richard Dübell in seinem Roman über diese Teufelsbibel zunutze gemacht.

    "Es geht darum, dass zu der Zeit, in der der Roman spielt, speziell die Christenheit gespalten ist in Protestanten und Katholiken. Die Christenheit und das Reich sind von allen Seiten bedroht und diverse Kreise, sowohl in der Kirche als auch Laienkreise, suchen jetzt nach einer Möglichkeit, diese Bedrohung abzuwenden. Und man glaubt, dass die seit langem verschollene Teufelsbibel, von der die Legende sagt, dass der Teufel sie selbst geschrieben hat, eine Waffe sein kann. Und nun sucht eine Fraktion nach dieser Waffe, um sie einzusetzen. Während eine andere Fraktion sagt, eine Waffe, die uns das Böse in die Hände gegeben hat, wird sich immer gegen uns selbst richten. Wir müssen verhindern, dass irgendjemand die Teufelsbibel findet und versucht, als Waffe einzusetzen."

    Neben Andrej, der als Kind das Massaker an seinen Eltern beobachtete, beginnt in Dübells Roman auch die junge Agnes irgendwann nach der Teufelsbibel zu suchen.

    "Wir haben Agnes, eine junge Frau, die noch nicht 20 ist, als sie erfährt, dass ihre ganze Lebensgeschichte erstunken und erlogen ist und dass sie aus ganz anderen Verhältnissen kommt und gar nicht in diese Familie gehört, in der sie aufgewachsen ist, und die jetzt versucht, herauszufinden: Wie konnte es denn sein, dass sie in dieser Familie gelandet ist."

    Gemeinsam mit Andrej und ihrem Freund Cyprian nähert sie sich, ohne es zu wissen, immer mehr dem Ort, an dem diese Teufelsbibel versteckt gehalten wird. Und droht dabei einem Geheimnis des "Codex Gigas" auf die Spur zu kommen, das sie das Leben kosten könnte:

    "Im Codex Gigas fehlen, das wissen wir mittlerweile, acht Seiten. Auf diesen acht Seiten waren, wenn man jetzt der Realität folgt, wahrscheinlich Totenlisten von Mönchen drauf. Wenn man aber der Legende folgt und der Theorie, die ich daraus gemacht habe, dann sind diese Seiten der Schlüssel zu dem gesamten Werk. Wir glauben, wir lesen eine sehr seltene lateinische Bibelübersetzung aus dem 4. Jahrhundert. Wir glauben, wir lesen Zaubersprüche und medizinische Rezepte. Tatsächlich ist es ein Code und wenn wir diesen Code entschlüsseln könnten - und der Schlüssel ist auf diesen fehlenden Seiten - dann würden wir das Wissen besitzen, dass der Teufel uns gerne gegeben hätte, damit wir es benutzen und uns selbst vernichten."

    Noch heute haftet der Teufelsbibel ein Fluch an, der sich auch auf den jetzt erschienen gleichnamigen Roman übertragen hat. So reagierte man in der bayerischen Pfarrbücherei Langenbach geradezu mit Abscheu, als Dübell dort aus einem seiner anderen Romane lesen sollte:

    "Als man erfuhr, dass ich die Teufelsbibel geschrieben habe, kam ein Brief, in dem es hieß: Wir wollen lieber Abstand nehmen von dem Herrn Dübell. Wir würden ihn gerne wieder ausladen, denn wir möchten es nicht in unsere Verantwortung übernehmen, dass am Büchertisch dann ein Buch liegt, dessen Titel ’Die Teufelsbibel’ lautet."

    Leser von Richard Dübells fantasievoller Interpretation der Teufelsbibel brauchen ein gutes Namensgedächtnis, sollten sich ein wenig in mittelalterlicher böhmischer Geschichte auskennen und Spaß an historischen Details haben. Dann dürfte diese 666 Seiten umfassende Satansbrut für sie genau das richtige sein.

    Den Namen hat die Teufelsbibel übrigens einer Nachbildung Luzifers mitten im Buch zu verdanken. Allerdings sieht da der Böse eher harmlos und verschmitzt aus:

    "Er hat eine merkwürdige Mütze auf, aus der seine Hörner heraus sehen und die so wie eine Ananas anmutet. Er hat ein grünes Gesicht und hat entweder zwei Zungen, die ihm aus einem sehr grinsenden Mund ragen, und er hat eine sehr, sehr fesche Hose an, die aussieht, als wenn sie ein Erdbeermuster hätte. Er könnte mal eine Maniküre oder Pediküre vertragen und ansonsten sieht er uns freundlich von seiner Seite her an."

    Dübell, Richard: Die Teufelsbibel
    Ehrenwirt Verlag, Bergisch Gladbach 2007, 666 Seiten