Gerhard Polt: Über 70 denk ich an und für sich wenig nach, weil ich würde nachdenken, wenn mir ein Doktor sagt: Jetzt sind Sie 70. Sie dürfen nicht mehr spazieren gehen oder es geht Ihnen schlecht oder irgend so was. Des is, Gott sei Dank, im Moment nicht der Fall. Also ich empfinde es nicht körperlich, dass ich jetzt gehemmt wäre, ich kann Tennis spielen, ich kann schwimmen, ich kann mich also bewegen, ich kann ohne Probleme ein Wiener Schnitzel essen, ich verdaue es. Es geht wunderbar.
Ulrike Knapp: Herr Polt, warum sind Sie nach Italien gegangen? Sie sprechen ja auch gut Italienisch.
Polt: Es ist halt so, Italien ist für jeden, der aus unserer Klimazone dahin kommt und spürt, wie Italien, wenn man da über den Brenner drüber kommt, dann durch Südtirol, da fängt’s ja schon an, dieser italienische Einfluss von der Küche, diese italienisch österreichische Mischküche. Es ist einfach warm. Nicht nur, weil‘s da den Wein gibt, den gibt’s ja woanders auch, gibt’s im Rheinland auch oder in Frankreich, aber das ist eine Form des sich äußern Könnens, oder eine Form, wie schnell man Kontakt schließen kann. Ich hab das noch nie erlebt, dass ich irgendwie abgewimmelt worden wäre. Italiener sind immer höflich, meistens. Also ich hab immer nur Leute kennengelernt, die in kürzester Zeit mir erzählt haben, warum das und das nicht geht und das das unmöglich ist, und dann am Ende ihrer Ausführungen haben's gesagt: Aber es gibt einen Ausweg, es gibt ihn. Also es gibt immer einen Ausweg, und das find ich wunderbar. Es gibt kein Benzin, aber in dem Fall, für dich, gibt’s noch eins. Ein paar Tropfen sind noch drin. Und ich besorg dir das oder wie auch immer. Und es gibt nichts zu essen, aber von irgendwo holen sie etwas her. Und das ist natürlich speziell in Neapel. Da gibt’s ja viele. Der berühmte Komiker Toto, die Italiener haben nicht nur die Commedia dell’arte, sondern sie haben natürlich den Dario Fo oder Eduardo de Filippo, einfach ein unglaubliches Maß an der Geschichte der Komik auch. Und Komik, das wissen wir ja, wirkliche Komik, ohne dass es dramatisch wird, ohne dass es tragisch ist, lässt sich schwer herstellen.
Knapp: Haben Sie denn festgestellt, dass unter Berlusconi sich Italien verändert hat?
Polt: Die politische Kultur wahrscheinlich schon. Die hat sich wahrscheinlich verändert. Aber wenn Sie in ein Krankenhaus gehen müssen, zum Beispiel in Neapel, und Sie haben nicht viel Geld und Sie sind Kunstmaler, dann geht’s Ihnen heut genauso wie vor 30, 40 Jahren oder heute auch nicht viel anders. Das heißt, wenn sie keine Beziehungen haben, wenn Sie kein Geld haben, wenn Sie keine Familie haben, dann sind Sie aufgeschmissen. Und wenn Sie Erdbebenopfer sind in Italien, dann spielt es fast keine Rolle. Ich sag immer, es ist grausam, aber die Leute, die in Friaul vor vielen, vielen Jahren dieses Unglück erleben mussten, denen hat die damalige Regierung nicht geholfen, denen hat die Berlusconi Regierung nicht viel geholfen. Es gibt also viele Italiener, denen keine Regierung geholfen hat.
Knapp: Ist Ihnen eigentlich im Laufe Ihrer Jahre mal aufgefallen, dass die Zeit schneller vergeht oder ist das für Sie gleich geblieben?
Polt: Die Zeit gäbe es ja gar nicht, wenn man sie nicht messen würde. Sie wird ja immer gemessen. Also Zeit spielt eine große Rolle, weil sie ja auch ... also aus der Zeit macht man Geld. Also ich mein damit,wenn ein Skifahrer über die Piste fährt und er ist eine 1000stel-Sekunde schneller oder langsamer, dann spielt das unter Umständen eine Riesenrolle für seine persönliche Weiterentwicklung. Also da wird Zeit in solchen 1000stel gemessen. Jetzt, wenn man eine Uhr hat, kann man auf die Uhr schaun, macht’s tick tick, das ist ja wie Stille. Stille kann man auch nur messen, wenn ich ein Geräusch höre. Also kann ich Zeit nur messen, wenn ich irgendwie sozusagen Gradmesser habe.
Knapp: Also für Sie ist die Zeit gleich geblieben. Für Sie vergeht Sie nicht schneller als gestern. Und die Zukunft wird auch nicht kleiner?
Polt: Auf die Frage würde ich so nicht antworten wollen, weil das käme drauf an. Ich kenne Leute, die teilen ihren Tag in sechs Mahlzeiten ein. Der macht ein frühes Frühstück, trinkt er nur das, dann kommt das, dann kommt die Weißwurscht, dann kommt ein Mittagessen spät, dann gibt’s einen Nachmittagskaffee, dann tut er zu Abend essen, und auf die Nacht gibt’s noch irgendeine Nachtsuppen. Das heißt, er hat seine Zeit zwischen verschiedenen Ritualen. Und wenn jetzt die Weißwurscht zum Beispiel rausfliegt, dann hat er vielleicht ein anderes Zeitgefühl, weil die übersprungene Weißwurscht ihn irgendwie Zeit klaffen lässt. Da klafft was. Das ist gar nicht beunruhigend: Mensch, jetzt vergeht die Zeit langsam. Er kann sich an nichts festhalten wie an diese Weißwurscht.
Knapp: Und wie darf man sich den Tag im Leben eines Gerhard Polt vorstellen, wenn er nicht auf der Bühne steht?
Polt: Ja genau so.
Knapp: Gibt’s irgendwelche Beschäftigungen, Sie arbeiten ja nicht, Sie beschäftigen sich ja nur?
Polt: Richtig.
Knapp: Gibt es das dann, dass Sie gar nichts tun? Sie haben ja sehr viele Termine.
Polt:Die Frage ist ja nur, wenn man sagt, gar nichts machen. Es gibt kaum was, dass man gar nichts macht. Das müsste man schon präzisieren. Wenn da eine Katze kommt und schnurrt und man streichelt drüber, dann ist das auch was. Man hat ja nicht nichts gemacht. Man gibt ihr vielleicht auch was zum Fressen oder genauso Hund. Also dass man nichts tut, das kann ich mir schwer vorstellen. Man denkt dann vielleicht oder man schnauft, man schnäuzt. Das sind alles Tätigkeiten.
Knapp: Welche Rolle spielt denn der Zufall in Ihrem Leben?
Polt:Ich glaub, eine ganz Große. Alles endscheidend, alles entscheidend. Zufall ist ein schönes Wort: Da fällt einem etwas zu, womit man nicht rechnet, und das ist ständig so. Wenn man will, kann man immer staunen, jeden Tag, was einem da zu fällt. Das Unvorhergesehene, das ist ein ganz entscheidender Moment im Leben. Für mich jedenfalls, ich sprech' ja nur für mich. Nicht das Unvorhersehbare, das kann man ja suchen, man sucht ja manchmal was, wahr zu machen. Das Unvorhergesehene ist spannend. Gott sei Dank gibt’s das, und zwar ständig.
Knapp: In Ihrem Leben hat es ja auch ständig stattgefunden.
Polt:Bei jedem, ich glaub, bei jedem Menschen. Wenn einer ausrutscht, dann hat er’s ja drei Sekunden vorher nicht gewusst, dass er ausrutscht. Wenn ihm ein Ziegel auf den Schädel fallt, dann hat er’s ja vorher auch nicht gewusst. Wenn ihm ein Auto von der linken Seite hinten reinfährt, dann hat er’s auch nicht gewusst. Ständig ist es so.
Ulrike Knapp: Herr Polt, warum sind Sie nach Italien gegangen? Sie sprechen ja auch gut Italienisch.
Polt: Es ist halt so, Italien ist für jeden, der aus unserer Klimazone dahin kommt und spürt, wie Italien, wenn man da über den Brenner drüber kommt, dann durch Südtirol, da fängt’s ja schon an, dieser italienische Einfluss von der Küche, diese italienisch österreichische Mischküche. Es ist einfach warm. Nicht nur, weil‘s da den Wein gibt, den gibt’s ja woanders auch, gibt’s im Rheinland auch oder in Frankreich, aber das ist eine Form des sich äußern Könnens, oder eine Form, wie schnell man Kontakt schließen kann. Ich hab das noch nie erlebt, dass ich irgendwie abgewimmelt worden wäre. Italiener sind immer höflich, meistens. Also ich hab immer nur Leute kennengelernt, die in kürzester Zeit mir erzählt haben, warum das und das nicht geht und das das unmöglich ist, und dann am Ende ihrer Ausführungen haben's gesagt: Aber es gibt einen Ausweg, es gibt ihn. Also es gibt immer einen Ausweg, und das find ich wunderbar. Es gibt kein Benzin, aber in dem Fall, für dich, gibt’s noch eins. Ein paar Tropfen sind noch drin. Und ich besorg dir das oder wie auch immer. Und es gibt nichts zu essen, aber von irgendwo holen sie etwas her. Und das ist natürlich speziell in Neapel. Da gibt’s ja viele. Der berühmte Komiker Toto, die Italiener haben nicht nur die Commedia dell’arte, sondern sie haben natürlich den Dario Fo oder Eduardo de Filippo, einfach ein unglaubliches Maß an der Geschichte der Komik auch. Und Komik, das wissen wir ja, wirkliche Komik, ohne dass es dramatisch wird, ohne dass es tragisch ist, lässt sich schwer herstellen.
Knapp: Haben Sie denn festgestellt, dass unter Berlusconi sich Italien verändert hat?
Polt: Die politische Kultur wahrscheinlich schon. Die hat sich wahrscheinlich verändert. Aber wenn Sie in ein Krankenhaus gehen müssen, zum Beispiel in Neapel, und Sie haben nicht viel Geld und Sie sind Kunstmaler, dann geht’s Ihnen heut genauso wie vor 30, 40 Jahren oder heute auch nicht viel anders. Das heißt, wenn sie keine Beziehungen haben, wenn Sie kein Geld haben, wenn Sie keine Familie haben, dann sind Sie aufgeschmissen. Und wenn Sie Erdbebenopfer sind in Italien, dann spielt es fast keine Rolle. Ich sag immer, es ist grausam, aber die Leute, die in Friaul vor vielen, vielen Jahren dieses Unglück erleben mussten, denen hat die damalige Regierung nicht geholfen, denen hat die Berlusconi Regierung nicht viel geholfen. Es gibt also viele Italiener, denen keine Regierung geholfen hat.
Knapp: Ist Ihnen eigentlich im Laufe Ihrer Jahre mal aufgefallen, dass die Zeit schneller vergeht oder ist das für Sie gleich geblieben?
Polt: Die Zeit gäbe es ja gar nicht, wenn man sie nicht messen würde. Sie wird ja immer gemessen. Also Zeit spielt eine große Rolle, weil sie ja auch ... also aus der Zeit macht man Geld. Also ich mein damit,wenn ein Skifahrer über die Piste fährt und er ist eine 1000stel-Sekunde schneller oder langsamer, dann spielt das unter Umständen eine Riesenrolle für seine persönliche Weiterentwicklung. Also da wird Zeit in solchen 1000stel gemessen. Jetzt, wenn man eine Uhr hat, kann man auf die Uhr schaun, macht’s tick tick, das ist ja wie Stille. Stille kann man auch nur messen, wenn ich ein Geräusch höre. Also kann ich Zeit nur messen, wenn ich irgendwie sozusagen Gradmesser habe.
Knapp: Also für Sie ist die Zeit gleich geblieben. Für Sie vergeht Sie nicht schneller als gestern. Und die Zukunft wird auch nicht kleiner?
Polt: Auf die Frage würde ich so nicht antworten wollen, weil das käme drauf an. Ich kenne Leute, die teilen ihren Tag in sechs Mahlzeiten ein. Der macht ein frühes Frühstück, trinkt er nur das, dann kommt das, dann kommt die Weißwurscht, dann kommt ein Mittagessen spät, dann gibt’s einen Nachmittagskaffee, dann tut er zu Abend essen, und auf die Nacht gibt’s noch irgendeine Nachtsuppen. Das heißt, er hat seine Zeit zwischen verschiedenen Ritualen. Und wenn jetzt die Weißwurscht zum Beispiel rausfliegt, dann hat er vielleicht ein anderes Zeitgefühl, weil die übersprungene Weißwurscht ihn irgendwie Zeit klaffen lässt. Da klafft was. Das ist gar nicht beunruhigend: Mensch, jetzt vergeht die Zeit langsam. Er kann sich an nichts festhalten wie an diese Weißwurscht.
Knapp: Und wie darf man sich den Tag im Leben eines Gerhard Polt vorstellen, wenn er nicht auf der Bühne steht?
Polt: Ja genau so.
Knapp: Gibt’s irgendwelche Beschäftigungen, Sie arbeiten ja nicht, Sie beschäftigen sich ja nur?
Polt: Richtig.
Knapp: Gibt es das dann, dass Sie gar nichts tun? Sie haben ja sehr viele Termine.
Polt:Die Frage ist ja nur, wenn man sagt, gar nichts machen. Es gibt kaum was, dass man gar nichts macht. Das müsste man schon präzisieren. Wenn da eine Katze kommt und schnurrt und man streichelt drüber, dann ist das auch was. Man hat ja nicht nichts gemacht. Man gibt ihr vielleicht auch was zum Fressen oder genauso Hund. Also dass man nichts tut, das kann ich mir schwer vorstellen. Man denkt dann vielleicht oder man schnauft, man schnäuzt. Das sind alles Tätigkeiten.
Knapp: Welche Rolle spielt denn der Zufall in Ihrem Leben?
Polt:Ich glaub, eine ganz Große. Alles endscheidend, alles entscheidend. Zufall ist ein schönes Wort: Da fällt einem etwas zu, womit man nicht rechnet, und das ist ständig so. Wenn man will, kann man immer staunen, jeden Tag, was einem da zu fällt. Das Unvorhergesehene, das ist ein ganz entscheidender Moment im Leben. Für mich jedenfalls, ich sprech' ja nur für mich. Nicht das Unvorhersehbare, das kann man ja suchen, man sucht ja manchmal was, wahr zu machen. Das Unvorhergesehene ist spannend. Gott sei Dank gibt’s das, und zwar ständig.
Knapp: In Ihrem Leben hat es ja auch ständig stattgefunden.
Polt:Bei jedem, ich glaub, bei jedem Menschen. Wenn einer ausrutscht, dann hat er’s ja drei Sekunden vorher nicht gewusst, dass er ausrutscht. Wenn ihm ein Ziegel auf den Schädel fallt, dann hat er’s ja vorher auch nicht gewusst. Wenn ihm ein Auto von der linken Seite hinten reinfährt, dann hat er’s auch nicht gewusst. Ständig ist es so.