Benjamin Hammer: Am Freitag ist Facebook an die Börse gegangen. Die gesamte Finanzwelt hat hingeschaut und die Gründer des Sozialnetzwerks sind auf einen Schlag sehr, sehr reich geworden. Ein wenig untergegangen ist im Börsentrubel, dass der Freitag zur wichtigen Probe für das nun börsenorientierte Unternehmen wurde. Wie können wir mit den Daten unserer Nutzer Geld verdienen, ohne unsere Nutzer durch zu große Eingriffe in die Daten zu verprellen? Diese Frage stellt sich das Unternehmen seit Jahren. Am Freitag endete die Frist, bis zu der Facebook-Nutzer Einspruch einlegen konnten gegen neue Datenschutzbestimmungen. Es wurde zu einer kleinen Ohrfeige für Facebook, Zehntausende Nutzer haben Nein gesagt zu neuen Datenschutzbestimmungen. Aber was steht da überhaupt drin und wie geht es jetzt weiter? Im Studio ist bei mir Christian Solmecke, er ist Rechtsanwalt aus Köln und hat sich auf Internet-Themen spezialisiert. guten Tag, Herr Solmecke.
Christian Solmecke: Halli hallo!
Hammer: Sind Sie eigentlich bei Facebook?
Solmecke: Ja, ich habe einen Facebook-Account, nutze den allerdings privat kaum, beruflich schon sehr viel.
Hammer: Machen Sie sich also auch keine Sorgen um Ihre Daten, weil da keine privaten Daten drin sind?
Solmecke: Ganz genau. Das was ich dort poste, das kann man sowieso öffentlich auch auf unserer Kanzlei-Internetseite nachlesen. Ich nutze es sozusagen mehr zu Marketing-Zwecken und um mit den Mandanten in Kontakt zu bleiben.
Hammer: Jetzt hat Facebook neue Datenschutzbestimmungen entworfen und sie online gestellt und bis Freitag konnten Facebook-Nutzer diese Richtlinien kommentieren. Tausende haben Einspruch eingelegt und die Regeln damit zunächst gestoppt. Was würden diese Regeln denn eigentlich ändern?
Solmecke: Oh, da war eine ganze Menge von Sachen, die geändert werden sollten. Eigentlich hatte Facebook gesagt, wir wollen es für den User besser machen. Aber wenn man mal genau hingeguckt hat und sich die 14 Seiten Datenschutzbestimmungen wirklich auch mal durchgelesen hat, dann sah man, dass zum Beispiel Facebook künftig sich das Recht behalten möchte, die Daten überhaupt nicht mehr zu löschen in gewissen Fällen, und was für Fälle das sind, das ist da auch gar nicht gesagt worden, und das war das Schlimme an diesen Regelungen, dass die extrem schwammig gehalten sind und keiner genau weiß: Was darf dieser Megakonzern künftig erstens mit meinen Daten machen, und zweitens: Wie lange dürfen die meine Daten überhaupt speichern?
Hammer: Können Sie da ein Beispiel nennen für eine schwammige Formulierung?
Solmecke: Ja. Da war zum Beispiel drin, dass man die Daten lösche, wenn man das Konto löscht, und dann steht da aber als schwammige Formulierung: "Unter Umständen können wir die Daten aber länger behalten." Unklarer geht es ja nicht. Oder genauso schwammig: "Wir nutzen Deine Daten nur in Deinem Sinne", steht da drin. "Allerdings ist es so, dass wir Deine Daten auch an unsere Dienstleister weitergeben können, wenn es dazu dient, Facebook zu verbessern." Und alles kann dazu dienen, Facebook zu verbessern. Das heißt, da sind so ein, zwei Sätze auf den 14 Seiten, wo ich sage, das geht gar nicht, damit haben die eine ganz offene Klausel sich gesichert und können dann letztlich machen, was sie wollen mit unseren Daten.
Hammer: Sie haben gesagt, "unter Umständen" steht da drin. Das steht auch in den neuen Datenschutzrichtlinien von Google: "Unter Umständen verknüpfen wir personenbezogene Daten" bla bla bla, dann geht es weiter. Ist das rechtens? Ist das konform mit deutschem und europäischem Recht?
Solmecke: Nein, das ist nicht rechtens. Man muss schon dem Nutzer klar sagen, was mit seinen Daten gemacht wird. Das verstößt eindeutig gegen deutsches Datenschutzrecht. Aber jetzt haben wir das nächste Problem: Facebook Europa ist ein irländischer Konzern, und da ist schon unklar: Welches Recht findet hier überhaupt Anwendung? Es gibt Datenschützer, die sagen, leider können wir hier gar nichts machen, da müssen die irischen Datenschutzbehörden ran. Und Deutschland? Denen sind die Hände gebunden, zumindest was den Datenschutz betrifft, nicht was die Allgemeinen Geschäftsbedingungen betrifft. Das ist noch mal ein separates Thema. Da geht es darum, was darf Facebook mit meinen Fotos machen und mit meinen urheberrechtlich geschützten Werken machen? Das ist noch mal in einem gesonderten Werk geregelt, was ebenso lang ist, und das unterliegt glücklicherweise deutschem Recht.
Hammer: Jetzt hat Facebook gesagt, man werde sich die Kommentare der Nutzer anschauen und dann gucken, wie es weitergeht. Ist doch eigentlich eine klasse Sache, dass Nutzer sich beteiligen dürfen an diesem Prozess, oder?
Solmecke: Ja das Problem ist nur, dass das ganze höchst wahrscheinlich nichts bringen wird. Die Vorgabe war, dass 7000 Menschen sich beteiligen, und dann würde Facebook handeln. Und es war schon unklar: sollen jetzt 7000 Menschen gegen eine Klausel in den 14 Seiten sprechen und dann wird was geändert, oder sollen 7000 Menschen sich einfach nur regen und dann wird was geändert. Und jetzt haben sich 47.000, also das Vielfache von den 7000 geregt. Da muss man sich fragen, was passiert jetzt, wird alles wieder neu überarbeitet, wird alles wieder neu zur Abstimmung gebracht. also auch Unklarheit weiter. Ich war vorhin noch mal auf der Seite, das ist Facebook Site Governance, wo man abstimmen konnte, und da steht jetzt, ja danke, die Abstimmung ist geschlossen, wir gucken jetzt mal, wie wir weiter vorgehen und was wir machen werden. Also ich bin da sehr gespannt, das werden die nächsten Tage jetzt zeigen.
Hammer: Was raten Sie denn Nutzern, die sagen, Facebook ist sehr mächtig, eine Menge meiner Freunde sind da, ich möchte da jetzt nicht austreten, aber ich mache mir Sorgen um meine Daten?
Solmecke: Ich kann das gut verstehen, dass viele dabei bleiben wollen. Der Hype ist einfach riesig. Und ich habe ja gerade gesagt: Wir als Unternehmen sind selbst auch dabei. Man kann nur dazu raten, sehr vorsichtig damit umzugehen, was man dort postet, was man über sich dort preisgibt, und man sollte sich bei jedem Posting darüber im klaren sein, dass man das eventuell nie wieder löschen kann. Und wenn man das im Hinterkopf hat, dann kann eigentlich nichts schiefgehen, dann kann man sich überlegen, ganz genau überlegen, okay, kann ich damit mein Leben lang leben oder nicht?
Hammer: Kurze Frage, kurze Antwort vielleicht. 900 Millionen Nutzer, fürchterlich viele, haben nicht kommentiert. Glauben Sie, dass die Nutzer überhaupt so interessiert sind an Datenschutz?
Solmecke: Die Nutzer sind schon interessiert, aber es war schon ein Hexenwerk, überhaupt erst mal rauszufinden, wo man den Widerspruch erheben kann. Das war nämlich in zehn Unterklicks versteckt. Insofern hat mich gar nicht gewundert, dass sich nur 47.000 beteiligt haben.
Hammer: Facebook will seine Datenschutzbestimmungen reformieren. Wie genau, das werden wir für Sie weiter verfolgen. Bei uns zu Gast war der Rechtsanwalt Christian Solmecke – besten Dank.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Christian Solmecke: Halli hallo!
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Hammer: Machen Sie sich also auch keine Sorgen um Ihre Daten, weil da keine privaten Daten drin sind?
Solmecke: Ganz genau. Das was ich dort poste, das kann man sowieso öffentlich auch auf unserer Kanzlei-Internetseite nachlesen. Ich nutze es sozusagen mehr zu Marketing-Zwecken und um mit den Mandanten in Kontakt zu bleiben.
Hammer: Jetzt hat Facebook neue Datenschutzbestimmungen entworfen und sie online gestellt und bis Freitag konnten Facebook-Nutzer diese Richtlinien kommentieren. Tausende haben Einspruch eingelegt und die Regeln damit zunächst gestoppt. Was würden diese Regeln denn eigentlich ändern?
Solmecke: Oh, da war eine ganze Menge von Sachen, die geändert werden sollten. Eigentlich hatte Facebook gesagt, wir wollen es für den User besser machen. Aber wenn man mal genau hingeguckt hat und sich die 14 Seiten Datenschutzbestimmungen wirklich auch mal durchgelesen hat, dann sah man, dass zum Beispiel Facebook künftig sich das Recht behalten möchte, die Daten überhaupt nicht mehr zu löschen in gewissen Fällen, und was für Fälle das sind, das ist da auch gar nicht gesagt worden, und das war das Schlimme an diesen Regelungen, dass die extrem schwammig gehalten sind und keiner genau weiß: Was darf dieser Megakonzern künftig erstens mit meinen Daten machen, und zweitens: Wie lange dürfen die meine Daten überhaupt speichern?
Hammer: Können Sie da ein Beispiel nennen für eine schwammige Formulierung?
Solmecke: Ja. Da war zum Beispiel drin, dass man die Daten lösche, wenn man das Konto löscht, und dann steht da aber als schwammige Formulierung: "Unter Umständen können wir die Daten aber länger behalten." Unklarer geht es ja nicht. Oder genauso schwammig: "Wir nutzen Deine Daten nur in Deinem Sinne", steht da drin. "Allerdings ist es so, dass wir Deine Daten auch an unsere Dienstleister weitergeben können, wenn es dazu dient, Facebook zu verbessern." Und alles kann dazu dienen, Facebook zu verbessern. Das heißt, da sind so ein, zwei Sätze auf den 14 Seiten, wo ich sage, das geht gar nicht, damit haben die eine ganz offene Klausel sich gesichert und können dann letztlich machen, was sie wollen mit unseren Daten.
Hammer: Sie haben gesagt, "unter Umständen" steht da drin. Das steht auch in den neuen Datenschutzrichtlinien von Google: "Unter Umständen verknüpfen wir personenbezogene Daten" bla bla bla, dann geht es weiter. Ist das rechtens? Ist das konform mit deutschem und europäischem Recht?
Solmecke: Nein, das ist nicht rechtens. Man muss schon dem Nutzer klar sagen, was mit seinen Daten gemacht wird. Das verstößt eindeutig gegen deutsches Datenschutzrecht. Aber jetzt haben wir das nächste Problem: Facebook Europa ist ein irländischer Konzern, und da ist schon unklar: Welches Recht findet hier überhaupt Anwendung? Es gibt Datenschützer, die sagen, leider können wir hier gar nichts machen, da müssen die irischen Datenschutzbehörden ran. Und Deutschland? Denen sind die Hände gebunden, zumindest was den Datenschutz betrifft, nicht was die Allgemeinen Geschäftsbedingungen betrifft. Das ist noch mal ein separates Thema. Da geht es darum, was darf Facebook mit meinen Fotos machen und mit meinen urheberrechtlich geschützten Werken machen? Das ist noch mal in einem gesonderten Werk geregelt, was ebenso lang ist, und das unterliegt glücklicherweise deutschem Recht.
Hammer: Jetzt hat Facebook gesagt, man werde sich die Kommentare der Nutzer anschauen und dann gucken, wie es weitergeht. Ist doch eigentlich eine klasse Sache, dass Nutzer sich beteiligen dürfen an diesem Prozess, oder?
Solmecke: Ja das Problem ist nur, dass das ganze höchst wahrscheinlich nichts bringen wird. Die Vorgabe war, dass 7000 Menschen sich beteiligen, und dann würde Facebook handeln. Und es war schon unklar: sollen jetzt 7000 Menschen gegen eine Klausel in den 14 Seiten sprechen und dann wird was geändert, oder sollen 7000 Menschen sich einfach nur regen und dann wird was geändert. Und jetzt haben sich 47.000, also das Vielfache von den 7000 geregt. Da muss man sich fragen, was passiert jetzt, wird alles wieder neu überarbeitet, wird alles wieder neu zur Abstimmung gebracht. also auch Unklarheit weiter. Ich war vorhin noch mal auf der Seite, das ist Facebook Site Governance, wo man abstimmen konnte, und da steht jetzt, ja danke, die Abstimmung ist geschlossen, wir gucken jetzt mal, wie wir weiter vorgehen und was wir machen werden. Also ich bin da sehr gespannt, das werden die nächsten Tage jetzt zeigen.
Hammer: Was raten Sie denn Nutzern, die sagen, Facebook ist sehr mächtig, eine Menge meiner Freunde sind da, ich möchte da jetzt nicht austreten, aber ich mache mir Sorgen um meine Daten?
Solmecke: Ich kann das gut verstehen, dass viele dabei bleiben wollen. Der Hype ist einfach riesig. Und ich habe ja gerade gesagt: Wir als Unternehmen sind selbst auch dabei. Man kann nur dazu raten, sehr vorsichtig damit umzugehen, was man dort postet, was man über sich dort preisgibt, und man sollte sich bei jedem Posting darüber im klaren sein, dass man das eventuell nie wieder löschen kann. Und wenn man das im Hinterkopf hat, dann kann eigentlich nichts schiefgehen, dann kann man sich überlegen, ganz genau überlegen, okay, kann ich damit mein Leben lang leben oder nicht?
Hammer: Kurze Frage, kurze Antwort vielleicht. 900 Millionen Nutzer, fürchterlich viele, haben nicht kommentiert. Glauben Sie, dass die Nutzer überhaupt so interessiert sind an Datenschutz?
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