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"Das wäre eine Win-Win-Situation"

Er rechne mit einer Verlängerung der Laufzeiten eher im zweistelligen Jahresbereich, sagt der Generalsekretär des baden-württembergischen CDU-Landesverbandes, Thomas Strobl. Bevor man Strom aus osteuropäischen Atommeilern einkaufe, sollte man die eigenen und sicheren Kraftwerke nutzen, bis sie durch erneuerbare Energien ersetzt werden könnten.

Thomas Strobl im Gespräch mit Gerwald Herter |
    Gerwald Herter: Das FDP-geführte Wirtschaftsministerium verfolgt eine andere Linie als die FDP-Umweltpolitiker. Selbst in der CSU gibt es Atomkraftkritiker und in der CDU sowieso. Als wäre das nicht genug, kommt dazu noch eine Art von Nord-Süd-Konflikt zwischen den Bundesländern.

    Ich bin jetzt mit dem Generalsekretär der CDU Baden-Württemberg, dem Bundestagsabgeordneten Thomas Strobl verbunden. Guten Morgen, Herr Strobl.

    Thomas Strobl: Herzliches guten Morgen!

    Herter: Herr Strobl, das Schöne an einer Volkspartei ist, dass es ein so breites Spektrum von unterschiedlichen Meinungen gibt, bei der CDU seit einiger Zeit auch in Sachen Atomkraft. Wollen Sie jetzt billigen Strom oder wollen Sie Sicherheit?

    Strobl: Nein, wir wollen selbstverständlich beides, wobei ganz klar zu sagen ist, die Sicherheit steht vor der Klammer, sie geht vor. Aber nehmen Sie etwa das GKN 1, ein älteres Kraftwerk in Baden-Württemberg, dem vor kurzem wieder durch eine internationale Untersuchung attestiert worden ist, dass es eines der sichersten Kraftwerke in Europa ist, auf dem höchsten technologischen Stand ist, und warum sollen wir in diesem absolut sicheren Kraftwerk nicht noch für einige wenige Jahre auch sehr günstigen Strom produzieren.

    Herter: Was wollen Sie denn als Gegenleistung von der Industrie? Die großen deutschen Stromkonzerne bieten angeblich 30 Milliarden Euro für längere Laufzeiten.

    Strobl: Wir haben immer gesagt, wir werden einer Laufzeitverlängerung nur unter der Bedingung zustimmen, dass mehr als die Hälfte der durch eine Laufzeitverlängerung zusätzlich generierten Gewinne in die erneuerbaren Energien gesteckt werden. Das ist ein Modell, das wir in Baden-Württemberg vor einigen Jahren entwickelt haben. Ich finde, das ist die richtige Bedingung, damit kommen wir zu einem Technologieschub für die erneuerbaren Energien in Milliardenhöhe, damit können wir den Technologievorsprung, den wir in einigen Bereichen, etwa bei der Fotovoltaik oder bei der Windenergie haben, weiter ausbauen. Die Asiaten sind uns hier sozusagen dicht auf den Fersen.

    In Bereichen, in denen wir nicht so stark sind, Stichwort Speichertechnologie, können wir aufholen. Deswegen ist es wichtig, dass wir diese Milliarden-Investition in Forschung und Entwicklung bei den erneuerbaren Energien machen. Das wäre eine Win-Win-Situation. Wir lassen ganz pragmatisch ohne Ideologie, solange wir sie brauchen, so lange wie nötig, so kurz wie möglich, die Kernkraftwerke, die sicher sind, weiter laufen und haben einen Milliarden-Gewinn für die erneuerbaren Energien auf der anderen Seite.

    Herter: Dann wäre gar keine Laufzeitverlängerung doch am besten, wenn man die neuen Energien fördern will?

    Strobl: Nein! Wir hätten ja dann diese großen Gewinne, die wir abschöpfen können und für die erneuerbaren Energien verwenden können, in Milliardenhöhe nicht. Auf der anderen Seite wird ja gar nicht bestritten, es wird von niemandem bestritten, dass im Augenblick die erneuerbaren Energien die Kernkraft nicht substituieren können. Wir brauchen noch einige Jahre, bis die erneuerbaren Energien so weit aufwachsen, dass wir dann ein Kernkraftwerk nach dem anderen vom Netz nehmen können. Wir sind gegen politisch gewillkürte, ideologisch begründete Termine, Kernkraft vom Netz zu nehmen, sondern wir wollen sie dann vom Netz nehmen, wenn sie durch erneuerbare Energien ersetzt werden können, und das ist eben im Augenblick noch nicht der Fall.

    Herter: Wie sehr drängt die Zeit? Sie haben den Zustand von Atomkraftwerken in Baden-Württemberg angesprochen. Nun sind da auch besonders alte Meiler darunter, trotz des guten Zustands. Wann wollen Sie unbedingt eine Entscheidung spätestens?

    Strobl: Nun muss man sagen, ich halte es für bedauerlich, dass wir erst nach einem Jahr zu Ergebnissen kommen, dass es ein Jahr lang dauert, bis seitens der Bundesregierung Fakten aufgearbeitet werden. Das ist ein zu langer Zeitraum. Wir brauchen jetzt einfach rasch Ergebnisse. Man merkt ja auch, wie die Diskussion zunehmend zerfasert. Es gibt ja bald keine Meinung mehr, die nicht vertreten wird, und es gehört schon auch ein Stück weit zum Handlungsauftrag einer Bundesregierung, in dieser wichtigen Frage jetzt endlich die Hausaufgaben zu machen und valide belastbare und vernünftige Ergebnisse zu produzieren, insbesondere aber auch Ergebnisse, die das beinhalten, was wir vor der Bundestagswahl gesagt haben - das gilt für CDU, CSU und FDP -, was wir nach der Bundestagswahl miteinander besprochen haben und in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben haben.

    Herter: Herr Strobl, ist Norbert Röttgen einfach der falsche Mann im Umweltministerium?

    Strobl: Nein, das möchte ich so nicht sagen. Aber wir müssen schon anmahnen, dass nunmehr nach exakt einem Jahr Ende September wirklich Ergebnisse auf den Tisch kommen, mit denen wir arbeiten können und die dem entsprechen, was wir vor der Wahl und nach der Wahl miteinander besprochen haben.

    Herter: Im Schnitt 14 Jahre Laufzeitverlängerung, das war am Wochenende schon zu lesen und das klingt doch einigermaßen realistisch, oder?

    Strobl: Ich habe mich noch nie auf solche Jahreszahlen festgelegt. Für mich ist einfach entscheidend: Wir lassen die Kernkraftwerke so lange laufen, wie wir sie brauchen. Bevor wir Strom aus dem Ausland einkaufen, bevor wir Strom aus Osteuropa und den dortigen Kernkraftwerken einkaufen, lassen wir doch lieber unsere viel sichereren Kraftwerke noch einige Jahre weiterlaufen, bis sie durch die Erneuerbaren ersetzt werden können, ganz pragmatisch, ganz vernünftig, ganz ohne Ideologie. Mein Eindruck ist allerdings nach dem, was bisher auf dem Tisch liegt, dass wir eher eine Laufzeitverlängerung im zweistelligen Jahresbereich brauchen als eine im einstelligen.

    Herter: Ein interessanter Hinweis, Herr Strobl. Sie sind auch ein profilierter Kommunalpolitiker. Die Stadtwerke Schwäbisch Hall und etwa 150 andere Stadtwerke sind gegen AKW-Laufzeitverlängerungen. Gibt Ihnen das nicht zu denken?

    Strobl: Nein. Das hat natürlich mit wirtschaftlichen Gründen zu tun, das ist auch nachvollziehbar. Die Stadtwerke selber besitzen ja in nennenswertem Umfang keine eigenen Kernkraftwerke. Deswegen haben sie ein Interesse daran, selber in ihren Kraftwerken den Strom zu produzieren und damit natürlich auch Geld zu verdienen. Das ist wirtschaftlich motiviert, das kann ich gut nachvollziehen, aber das kann letztlich die Entscheidung nicht maßgeblich beeinflussen.

    Herter: Können Sie auch gut nachvollziehen, dass zum Beispiel in Niedersachsen die Begeisterung für die Atomkraft wenig ausgeprägt ist – Stichwort Gorleben, Asse? Können Sie das verstehen?

    Strobl: Das kann ich natürlich nachvollziehen. Niedersachsen selbst hat keinen Anteil, keinen signifikanten Anteil an der Kernenergie. Deswegen gibt es unterschiedliche Auffassungen. Aber klar ist auch: Je länger man solch eine Frage treiben lässt, umso mehr und umso unterschiedlichere Auffassungen gibt es natürlich. Das ist einer der Nachteile, weil man hier nicht schnell gehandelt und entschlossen gehandelt hat, sondern die Angelegenheit dilatorisch und damit einfach auch zu lange liegen lassen hat.

    Herter: Eine klare Kritik am Bundesumweltminister. – Ihr CDU-Fraktionskollege Middelberg, ein Niedersachse, sagt, die Südländer, also auch Sie, müssten ihren Blick öffnen. Werden Sie das noch tun?

    Strobl: Wir haben einen ganz offenen und einen ganz klaren Blick. Insbesondere haben wir einen Blick, der nicht von Ideologie, sondern ausschließlich von Vernunft geprägt ist. Wir lassen die Kernkraftwerke so lange laufen, wie wir sie in Deutschland brauchen, wir kaufen nicht Strom aus dem Ausland zu und wir schaffen durch eine Milliarden-Investition eine gute Zukunft für die erneuerbaren Energien.

    Herter: Das war der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Strobl im Interview mit dem Deutschlandfunk. Vielen Dank und schönen Tag, Herr Strobl.

    Strobl: Danke! Auch Ihnen einen guten Tag.