Archiv


Das Wetter wird extremer

Hitzewellen in Europa, zunehmende Dürre in Afrika und steigende Meeresspiegel - darauf muss man sich laut dem am Freitag (18.11.2011) erscheinenden Bericht des Weltklimarats (IPCC) einstellen. Im Sommer würden sich künftig trockenes Klima und sintflutartige Regenfälle abwechseln, sagt der Klimaforscher Mojib Latif.

Mojib Latif im Gespräch mit Georg Ehring | 17.11.2011
    Georg Ehring: Dass der Mensch die Erde erwärmt, ist in der Wissenschaft mittlerweile unstrittig. Doch wenn es um die Häufigkeit von Wirbelstürmen, von Hitzewellen oder von Dürren geht, da halten sich viele Klimaforscher bisher noch zurück. Der IPCC hat die weltweit verfügbaren Erkenntnisse zu diesem Thema zusammengefasst, morgen soll ein Bericht hierüber in Kampala, der Hauptstadt Ugandas, verabschiedet werden. Wichtige Inhalte sind aber schon bekannt, und darüber möchte ich jetzt mit Professor Mojib Latif sprechen. Er ist Klimaforscher beim Leibnitz Institut für Meereswissenschaften. Guten Tag, Herr Professor Latif.

    Mojib Latif: Ja, guten Tag.

    Ehring: Auf welche Temperaturen müssen wir uns denn künftig im Hochsommer einstellen, hier bei uns in Deutschland?

    Latif: Ja das wird natürlich davon abhängen, wie wir uns in der Zukunft verhalten, das heißt also, wie viel von diesen Treibhausgasen wie Kohlendioxid wir in den nächsten 50 bis 100 Jahren in die Luft blasen. Aber im schlimmsten Fall, wenn wir gar nichts tun, wenn wir die ganze Kohle verbrennen, die wir noch haben, und so weiter, dann werden wir im weltweiten Durchschnitt Temperaturen bekommen, die liegen bei fünf bis sechs Grad über den heutigen. Und da sich das Land stärker erwärmt als das Meer, heißt das dann, dass wir deutlich über die 45-Grad-Marke kommen in Richtung 50 Grad.

    Ehring: Was heißt das dann für Regenhäufigkeiten und so etwas?

    Latif: Auf der einen Seite: Gerade im Sommer werden wir diese extremen Temperaturen bekommen, auch sehr starke Trockenheit, dann aber eben auch extreme Niederschläge. Bei hohen Temperaturen befindet sich sehr viel Feuchtigkeit in der Luft, und wenn die Wetterlage entsprechend ist, dann wird man eben Starkniederschläge bekommen. So eine leichte Tendenz sehen wir ja schon in den letzten Jahrzehnten, dass es mehr Starkniederschläge gibt, aber das wird sich dann natürlich deutlich intensivieren und dann haben wir eben so ein Wechselspiel: Auf der einen Seite sehr heiße, trockene Bedingungen, auf der anderen Seite dann immer wieder sintflutartige Niederschläge.

    Ehring: Deutschland ist ein Land auf der Welt. Heiße Länder sind ja möglicherweise dann noch stärker betroffen. Wie sieht es denn aus für Afrika, für Asien?

    Latif: Ja. Im Innern der Kontinente, da gerade Afrika, werden die Temperaturen noch weiter steigen. Dort können es zum Teil sogar acht Grad oder neun Grad sein. Das sind unglaubliche Verhältnisse. Man muss einfach sehen, dass wir dann in Bereiche vorstoßen, was das Klima angeht, die wir Menschen noch nie erlebt haben. Wenn wir uns die letzten Millionen Jahre angucken, dann sehen wir natürlich auch Warmphasen, aber diese Warmphasen, die waren bestenfalls ein Grad wärmer als heute im globalen Durchschnitt, und wir würden hier in Bereiche vorkommen, die wir uns eigentlich gar nicht so richtig vorstellen können. Wir müssten 50, 60 Millionen Jahre zurückgehen, um solche Klimazustände überhaupt zu finden. Damals hatten wir eine eisfreie Erde, extreme Temperaturen auch an den Polen. Also eigentlich möchte man gar nicht so richtig daran denken, und deswegen wäre schon wichtig, auch was dagegen zu tun.

    Ehring: Sind das jetzt Extremszenarien, wenn die Welt gar nichts gegen den Klimawandel tut, oder ist da ein gewisser Klimaschutz schon mit einberechnet?

    Latif: Na ja, da sind natürlich sozusagen die extremsten Sachen unterstellt, das heißt, es gibt überhaupt keinen Klimaschutz. Das bedeutet auch, dass insbesondere, wenn das Öl knapper werden wird, dass wir dann immer mehr Kohle verbrauchen, denn das schlimme ist ja, dass die Kohlevorräte noch mindestens 200 Jahre halten werden, und dann würden wir CO2-Werte in der Luft bekommen, die möglicherweise das Fünffache des heutigen Wertes betragen, vielleicht sogar noch mehr. Und unter dieser Voraussetzung würden wir dann solche extremen Klimasituationen bekommen.

    Ehring: In eineinhalb Wochen beginnt ein Klimagipfel in Südafrika. Kann die Welt den extremen Klimawandel denn noch stoppen?

    Latif: Ja natürlich! Das Klima ist ja träge und wir sprechen ja hier über die Entwicklung innerhalb der nächsten 100 bis 200 Jahre. Wir stehen am Anfang der Entwicklung, das ist ganz wichtig, und im Prinzip hätten wir es noch in der Hand, das Klima auf einem halbwegs akzeptablen Niveau zu stabilisieren. Aber leider – das wissen ja fast alle inzwischen – passiert auf den Klimakonferenzen leider relativ wenig Verbindliches, und es ist auch jetzt schon durchgesickert, dass in Durban auch nichts Verbindliches passieren wird, und so kommen wir von einem Jahr zum nächsten immer wieder in neue Rekordwerte, was den weltweiten CO2-Ausstoß angeht, und ich hoffe, dass sich das dann in den nächsten 10 oder 20 Jahren zumindest stabilisiert und dass wir danach dann deutlich mit einer Reduktion beginnen.

    Ehring: Professor Mojib Latif, herzlichen Dank.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.