Monika Seynsche: Vor fünf Jahren legte die mehrheitlich dem Staat gehörende Deutsche Energieagentur eine Studie vor, in der sie vorrechnete, dass Deutschland 850 Kilometer mehr Hochspannungskabel braucht, wenn der Umstieg auf die erneuerbaren Energien bezahlbar sein und nicht zu Stromausfällen führen soll. Schon damals hatte die DENA eine Nachfolgestudie angekündigt und die ist heute vorgestellt worden. Sönke Gäthke hier im Studio, Sie haben die Studie gelesen, haben sich die Zahlen jetzt geändert?
Sönke Gäthke: Die Zahlen haben sich tatsächlich etwas geändert. Zunächst erstmal brauchen wir überhaupt erstmal die Menge an Kabeln, die die letzte DENA-Studie festgestellt hat. Wir haben erst 90 gebaut, 760 müssen wir noch bauen bis 2015. Danach müssen wir noch - was in der letzten Studie auch nicht drin war - die Offshore-Windparks anschließen, die jetzt in der Nordsee oder in der Ostsee gebaut werden, und die vielleicht auch noch mit Norwegen verbinden. Das sind dann nochmal so 1500 Kabel Hochspannungsgleichstromübertragung. Und darauf kommen dann auch nochmal die Überlandleitungen von Norden nach Süden und das sind mindestens 1700 Kilometer, wenn nicht gar 3600.
Seynsche: Sie sagen 3600 oder 1700, wieso sind diese Zahlen so unterschiedlich?
Gäthke: Die DENA und die beteiligten Forscher und Arbeitsgruppen haben einfach mehrere Szenarien durchgerechnet. Die haben sich angeguckt, was in jedem Bereich von Deutschland heute an Stromübertragungskapazitäten da ist. Sie haben sich angeguckt, was heute dort an Energie hergestellt wird und was zukünftig an Energie dort erzeugt wird, wenn wir den Windausbau so vorantreiben. Und was dann an mehr Energie da war, dafür braucht man ja neue Stromleitungen. Und die haben sie dann durchgerechnet und haben gesagt, wenn wir da die klassische Technik behalten, brauchen wir 3600 Kilometer.
Seynsche: Und wann bräuchten wir dann 1700 Kilometer?
Gäthke: Die brauchen wir, wenn wir eben nicht auf die klassische Technik setzen, sondern wenn wir auf neue Techniken setzen. Die Techniker denken da an Hochtemperaturkabel. Die haben einfach folgenden Vorteil: Wenn man Strom durch ein Kabel leitet, wird es warm. Wird es warm, dehnt es sich aus. Hängt es an einem Mast, hängt es dann ganz einfach durch. Das kann nicht zu tief durchhängen, sonst gibt es Überschläge in ... Kurzschluss - Strom ist weg. Deshalb: Wenn man jetzt ein neues Material einsetzt, was das Kabel nicht mehr so stark durchhängen lässt, kann man einfach mehr Strom durchbringen - bis zu 80 Prozent. Und dann könnte man mehr Strom durchbringen als heute, aber mit weniger Länge.
Seynsche: Das klingt aber prinzipiell erstmal ganz gut, oder?
Gäthke: Das klingt ganz gut, aber es gibt noch zwei Haken an der Geschichte. Zum Einen sind diese Kabel noch nicht Stand der Technik, sie müssen erst noch getestet werden. Und mit den 1700 Kilometern wäre es auch nicht getan. Man müsste zusätzlich noch 5700 Kilometer altes Kabel austauschen, also die alten Kabel von den Masten runternehmen, und die neuen wieder raufhängen. Und ob das ohne Planfeststellungsverfahren geht, vermag ich nicht zu sagen.
Seynsche: Die Bundesregierung plant doch aber auch, Hochspannungsgleichstromleitungen für den Windstrom zu testen. Hat die DENA die auch schon berücksichtigt?
Gäthke: Die hat sie auch schon berücksichtigt. Und wenn man sich jetzt sich nur Deutschland anguckt, dann bringt es wirtschaftlich gesehen nicht allzu viel, auf diese neue Technik zu setzen. Zum Einen schlägt die Hochspannungsgleichstromleitung die anderen untersuchten Leitungen erst ab einer Entfernung von 400 Kilometern, und auch nur dann, wenn wir mindestens vier Gigawatt Leistung übertragen wollen. Und selbst wenn wir so eine Leitung von Schleswig-Holstein nach Bayer bauen wollten, müssten wir zusätzlich noch 3100 Kilometer konventionelle Hochspannungsleitungen aufstellen - und all das käme uns insgesamt immer noch teurer als die 3600 Kilometer. Aber das ist jetzt eben der Blick auf Deutschland. Wenn man das Ganze in einer europäischen Initiative eingliedern würde, könnte das ganz anders aussehen.
Seynsche: Einfach weil man dann viel, viel größere Entfernungen hätte, die man überbrücken kann?
Gäthke: Man hätte viel größere Entfernungen, die man überbrücken könnte und die Preise würden sich auch eventuell ganz anders verteilen, weil ganz neue Player mit auf den Markt kommen würden.
Seynsche: Wie ist das denn: Vor wenigen Monaten hat die Bundesregierung ja die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke beschlossen. Ist die schon in dieser neuen Netzstudie berücksichtigt?
Gäthke: Die ist schon berücksichtigt worden. Die Deutsche Energieagentur hat dort in den letzten zwei Monaten nochmal durchrechnen lassen, was das verändern würde, und ist dann zu dem Ergebnis gekommen: Es wird sich nichts ändern. Weil die Grundlage die DENA-Studie bis jetzt gleich geblieben ist und die Grundlage ist die, dass der Vorrang für den erneuerbaren Strom bleibt. Und wenn der bleibt, so nimmt die DENA an, wird es auch weiterhin dazu kommen, dass wir Windenergie ausbauen wie bisher. Und dann wird alles Weitere eben auch so bleiben. Was jedoch auffällt in dieser Berechnung, ist, dass die längeren Laufzeiten den Kraftwerkspark ändern werden. Es wird zum einen genauso viele Braunkohlekraftwerke geben wie heute und nicht mehr, wie angenommen wurde. Und es wird weniger, deutlich weniger Gaskraftwerke geben, was, mit Blick darauf, dass wir schnell laufende Kraftwerke brauchen, natürlich ärgerlich ist. Und was auch überhaupt nicht berücksichtigt worden ist, das ist der Photovoltaik-Boom. Wir werden schon 2011 die Zahlen erreichen, die die DENA für 2015 angenommen hat. Und wir werden 2020 so viel Energie mit Sonnenstrom erzeugen können, wie Braun-, Steinkohlekraftwerke und Kernkraftwerke zusammen. Das wird Auswirkungen auf's Netz haben, die so nicht drin stehen.
Sönke Gäthke: Die Zahlen haben sich tatsächlich etwas geändert. Zunächst erstmal brauchen wir überhaupt erstmal die Menge an Kabeln, die die letzte DENA-Studie festgestellt hat. Wir haben erst 90 gebaut, 760 müssen wir noch bauen bis 2015. Danach müssen wir noch - was in der letzten Studie auch nicht drin war - die Offshore-Windparks anschließen, die jetzt in der Nordsee oder in der Ostsee gebaut werden, und die vielleicht auch noch mit Norwegen verbinden. Das sind dann nochmal so 1500 Kabel Hochspannungsgleichstromübertragung. Und darauf kommen dann auch nochmal die Überlandleitungen von Norden nach Süden und das sind mindestens 1700 Kilometer, wenn nicht gar 3600.
Seynsche: Sie sagen 3600 oder 1700, wieso sind diese Zahlen so unterschiedlich?
Gäthke: Die DENA und die beteiligten Forscher und Arbeitsgruppen haben einfach mehrere Szenarien durchgerechnet. Die haben sich angeguckt, was in jedem Bereich von Deutschland heute an Stromübertragungskapazitäten da ist. Sie haben sich angeguckt, was heute dort an Energie hergestellt wird und was zukünftig an Energie dort erzeugt wird, wenn wir den Windausbau so vorantreiben. Und was dann an mehr Energie da war, dafür braucht man ja neue Stromleitungen. Und die haben sie dann durchgerechnet und haben gesagt, wenn wir da die klassische Technik behalten, brauchen wir 3600 Kilometer.
Seynsche: Und wann bräuchten wir dann 1700 Kilometer?
Gäthke: Die brauchen wir, wenn wir eben nicht auf die klassische Technik setzen, sondern wenn wir auf neue Techniken setzen. Die Techniker denken da an Hochtemperaturkabel. Die haben einfach folgenden Vorteil: Wenn man Strom durch ein Kabel leitet, wird es warm. Wird es warm, dehnt es sich aus. Hängt es an einem Mast, hängt es dann ganz einfach durch. Das kann nicht zu tief durchhängen, sonst gibt es Überschläge in ... Kurzschluss - Strom ist weg. Deshalb: Wenn man jetzt ein neues Material einsetzt, was das Kabel nicht mehr so stark durchhängen lässt, kann man einfach mehr Strom durchbringen - bis zu 80 Prozent. Und dann könnte man mehr Strom durchbringen als heute, aber mit weniger Länge.
Seynsche: Das klingt aber prinzipiell erstmal ganz gut, oder?
Gäthke: Das klingt ganz gut, aber es gibt noch zwei Haken an der Geschichte. Zum Einen sind diese Kabel noch nicht Stand der Technik, sie müssen erst noch getestet werden. Und mit den 1700 Kilometern wäre es auch nicht getan. Man müsste zusätzlich noch 5700 Kilometer altes Kabel austauschen, also die alten Kabel von den Masten runternehmen, und die neuen wieder raufhängen. Und ob das ohne Planfeststellungsverfahren geht, vermag ich nicht zu sagen.
Seynsche: Die Bundesregierung plant doch aber auch, Hochspannungsgleichstromleitungen für den Windstrom zu testen. Hat die DENA die auch schon berücksichtigt?
Gäthke: Die hat sie auch schon berücksichtigt. Und wenn man sich jetzt sich nur Deutschland anguckt, dann bringt es wirtschaftlich gesehen nicht allzu viel, auf diese neue Technik zu setzen. Zum Einen schlägt die Hochspannungsgleichstromleitung die anderen untersuchten Leitungen erst ab einer Entfernung von 400 Kilometern, und auch nur dann, wenn wir mindestens vier Gigawatt Leistung übertragen wollen. Und selbst wenn wir so eine Leitung von Schleswig-Holstein nach Bayer bauen wollten, müssten wir zusätzlich noch 3100 Kilometer konventionelle Hochspannungsleitungen aufstellen - und all das käme uns insgesamt immer noch teurer als die 3600 Kilometer. Aber das ist jetzt eben der Blick auf Deutschland. Wenn man das Ganze in einer europäischen Initiative eingliedern würde, könnte das ganz anders aussehen.
Seynsche: Einfach weil man dann viel, viel größere Entfernungen hätte, die man überbrücken kann?
Gäthke: Man hätte viel größere Entfernungen, die man überbrücken könnte und die Preise würden sich auch eventuell ganz anders verteilen, weil ganz neue Player mit auf den Markt kommen würden.
Seynsche: Wie ist das denn: Vor wenigen Monaten hat die Bundesregierung ja die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke beschlossen. Ist die schon in dieser neuen Netzstudie berücksichtigt?
Gäthke: Die ist schon berücksichtigt worden. Die Deutsche Energieagentur hat dort in den letzten zwei Monaten nochmal durchrechnen lassen, was das verändern würde, und ist dann zu dem Ergebnis gekommen: Es wird sich nichts ändern. Weil die Grundlage die DENA-Studie bis jetzt gleich geblieben ist und die Grundlage ist die, dass der Vorrang für den erneuerbaren Strom bleibt. Und wenn der bleibt, so nimmt die DENA an, wird es auch weiterhin dazu kommen, dass wir Windenergie ausbauen wie bisher. Und dann wird alles Weitere eben auch so bleiben. Was jedoch auffällt in dieser Berechnung, ist, dass die längeren Laufzeiten den Kraftwerkspark ändern werden. Es wird zum einen genauso viele Braunkohlekraftwerke geben wie heute und nicht mehr, wie angenommen wurde. Und es wird weniger, deutlich weniger Gaskraftwerke geben, was, mit Blick darauf, dass wir schnell laufende Kraftwerke brauchen, natürlich ärgerlich ist. Und was auch überhaupt nicht berücksichtigt worden ist, das ist der Photovoltaik-Boom. Wir werden schon 2011 die Zahlen erreichen, die die DENA für 2015 angenommen hat. Und wir werden 2020 so viel Energie mit Sonnenstrom erzeugen können, wie Braun-, Steinkohlekraftwerke und Kernkraftwerke zusammen. Das wird Auswirkungen auf's Netz haben, die so nicht drin stehen.