Reuning: Herr Professor Michel, aus der zeitlichen Distanz von neuneinhalb Monaten: Wie bewerten Sie das Ausmaß der Katastrophe?
Michel: Es war ein wirklich sehr einschneidendes Ereignis. Drei Reaktorkerne sind in Fukushima Daiichi geschmolzen, vier Wasserstoffexplosionen haben vier Gebäude sehr stark mitgenommen, Bereiche in Nord-Japan sind durch den Fall-out stark kontaminiert worden. Und es wird noch eine lange Aufgabe sein, das alles wieder in einen vernünftigen Zustand zu bringen.
Reuning: In diesem Jahr wurde ja auch immer wieder der Vergleich gezogen zu Tschernobyl. Wie sehen Sie das? Ist solch ein Vergleich überhaupt sinnvoll?
Michel: Er ist nicht sinnvoll, aus folgendem Grund: Auf der einen Seite sind die freigesetzten Radioaktivität deutlich niedriger in Fukushima, obwohl drei Reaktoren geschmolzen sind. Auf der anderen Seite ist Japan deutlich dichter bevölkert als die Gegend um Tschernobyl herum. Und das muss man deshalb schon differenziert sehen. Aber aufgrund der günstigen Wetterlagen ist die Situation in Japan so, dass die Größe der hochkontaminierten Gebiete wesentlich kleiner ist als die in der Ukraine, in Weißrussland und Russland.
Reuning: Wird es denn Ihrer Einschätzung nach in Japan trotzdem ein Gebiet geben, das für immer Sperrzone bleibt?
Michel: Also 'für immer' ist ein schwieriges Wort an der Stelle. Es ist nicht so kritisch wie in der Sperrzone um Tschernobyl, wo wir neben den Cäsiumisotopen auch noch große Mengen an Plutonium und Strontium haben. In Fukushima ist im wesentlichen Cäsium-137 und Cäsium-134 als langlebige Radionuklide freigesetzt worden. Das kurzlebige Jod-131 ist inzwischen schon zerfallen. Es wird etwa so sein, dass in fünf Jahren die externe Strahlenbelastung um den Faktor 2 sinken wird, einfach deshalb, weil das kurzlebige Cäsium-134 nur zwei Jahre Halbwertszeit hat, und das trägt sehr stark zu diesem Bereich bei. Aber ich rechne damit, dass es in einem Bereich, der sich so vom Kraftwerk nach Nordwesten auf einer Strecke von bis zu 60 Kilometer erstreckt, einen Bereich geben wird, wo die Menschen langfristig nicht hin können. Eine Generation oder zwei Generationen von der Größenordnung.
Reuning: Vor wenigen Tagen hatten japanische Experten einen Bericht veröffentlicht, der dem Betreiber Tepco schwere Vorwürfe macht. Der Konzern sei auf ein solches Unglück vollkommen unvorbereitet gewesen, heißt es da, und er habe fehlerhaft reagiert auf die Bedrohungen. Sehen Sie das ähnlich?
Michel: Also das ist nicht wirklich mein Fach, die Abläufe in den Reaktoren zu bewerten. Aber inzwischen ist wohl klar, dass Tepco davon ausgehen musste, dass Tsunamis entstehen könnten, die höher waren als die 5,70 Meter, gegen die es [das Kraftwerk, die Redaktion] ausgelegt war. 15 Meter war es, man hat mit mehr als zehn Meter vorher gerechnet, hat aber nichts unternommen. Das ist zweifellos ein ganz grober Fehler. Es sind wohl auch während des Ablaufs einige Fehler gemacht worden. Es ist jetzt gerade der Interim-Report der japanischen Wissenschaftlergruppe publiziert worden, aber ich glaube, bis wir ein endgültiges Bild haben, was im Detail falsch gelaufen ist, und wie auch die einzelnen Abläufe der Unfälle waren, da wird noch einige Zeit vergehen.
Reuning: Lässt sich denn schon absehen, wann das Kraftwerksgelände vollkommen saniert sein wird?
Michel: Auf dem Gelände selbst wird man frühestens, würde ich mal sagen, in fünf Jahren darangehen können das Innere der Reaktoren abzutragen, zu verpacken und zu sichern. Wenn wir im nächsten Jahr so weit sind, dass auch die Reaktoren 2 und 3 ihre eigenen Gebäude bekommen, die das Ganze abdecken und damit dann auch die Freisetzung von Radionukliden, die zwar in geringem Maße aber immer noch da sind, zu verhindern, das wird ein langfristiger Prozess sein, also bis die fertig sind, eine Generation.
Michel: Es war ein wirklich sehr einschneidendes Ereignis. Drei Reaktorkerne sind in Fukushima Daiichi geschmolzen, vier Wasserstoffexplosionen haben vier Gebäude sehr stark mitgenommen, Bereiche in Nord-Japan sind durch den Fall-out stark kontaminiert worden. Und es wird noch eine lange Aufgabe sein, das alles wieder in einen vernünftigen Zustand zu bringen.
Reuning: In diesem Jahr wurde ja auch immer wieder der Vergleich gezogen zu Tschernobyl. Wie sehen Sie das? Ist solch ein Vergleich überhaupt sinnvoll?
Michel: Er ist nicht sinnvoll, aus folgendem Grund: Auf der einen Seite sind die freigesetzten Radioaktivität deutlich niedriger in Fukushima, obwohl drei Reaktoren geschmolzen sind. Auf der anderen Seite ist Japan deutlich dichter bevölkert als die Gegend um Tschernobyl herum. Und das muss man deshalb schon differenziert sehen. Aber aufgrund der günstigen Wetterlagen ist die Situation in Japan so, dass die Größe der hochkontaminierten Gebiete wesentlich kleiner ist als die in der Ukraine, in Weißrussland und Russland.
Reuning: Wird es denn Ihrer Einschätzung nach in Japan trotzdem ein Gebiet geben, das für immer Sperrzone bleibt?
Michel: Also 'für immer' ist ein schwieriges Wort an der Stelle. Es ist nicht so kritisch wie in der Sperrzone um Tschernobyl, wo wir neben den Cäsiumisotopen auch noch große Mengen an Plutonium und Strontium haben. In Fukushima ist im wesentlichen Cäsium-137 und Cäsium-134 als langlebige Radionuklide freigesetzt worden. Das kurzlebige Jod-131 ist inzwischen schon zerfallen. Es wird etwa so sein, dass in fünf Jahren die externe Strahlenbelastung um den Faktor 2 sinken wird, einfach deshalb, weil das kurzlebige Cäsium-134 nur zwei Jahre Halbwertszeit hat, und das trägt sehr stark zu diesem Bereich bei. Aber ich rechne damit, dass es in einem Bereich, der sich so vom Kraftwerk nach Nordwesten auf einer Strecke von bis zu 60 Kilometer erstreckt, einen Bereich geben wird, wo die Menschen langfristig nicht hin können. Eine Generation oder zwei Generationen von der Größenordnung.
Reuning: Vor wenigen Tagen hatten japanische Experten einen Bericht veröffentlicht, der dem Betreiber Tepco schwere Vorwürfe macht. Der Konzern sei auf ein solches Unglück vollkommen unvorbereitet gewesen, heißt es da, und er habe fehlerhaft reagiert auf die Bedrohungen. Sehen Sie das ähnlich?
Michel: Also das ist nicht wirklich mein Fach, die Abläufe in den Reaktoren zu bewerten. Aber inzwischen ist wohl klar, dass Tepco davon ausgehen musste, dass Tsunamis entstehen könnten, die höher waren als die 5,70 Meter, gegen die es [das Kraftwerk, die Redaktion] ausgelegt war. 15 Meter war es, man hat mit mehr als zehn Meter vorher gerechnet, hat aber nichts unternommen. Das ist zweifellos ein ganz grober Fehler. Es sind wohl auch während des Ablaufs einige Fehler gemacht worden. Es ist jetzt gerade der Interim-Report der japanischen Wissenschaftlergruppe publiziert worden, aber ich glaube, bis wir ein endgültiges Bild haben, was im Detail falsch gelaufen ist, und wie auch die einzelnen Abläufe der Unfälle waren, da wird noch einige Zeit vergehen.
Reuning: Lässt sich denn schon absehen, wann das Kraftwerksgelände vollkommen saniert sein wird?
Michel: Auf dem Gelände selbst wird man frühestens, würde ich mal sagen, in fünf Jahren darangehen können das Innere der Reaktoren abzutragen, zu verpacken und zu sichern. Wenn wir im nächsten Jahr so weit sind, dass auch die Reaktoren 2 und 3 ihre eigenen Gebäude bekommen, die das Ganze abdecken und damit dann auch die Freisetzung von Radionukliden, die zwar in geringem Maße aber immer noch da sind, zu verhindern, das wird ein langfristiger Prozess sein, also bis die fertig sind, eine Generation.