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"Das wird für Röttgen jedenfalls ein schwieriges Unterfangen"

In der nordrhein-westfälischen CDU kommt es zu einer Kampfkandidatur um den Parteivorsitz. Neben dem früheren Integrationsminister Armin Laschet bewirbt sich nun auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen. Der Bonner Politikwssenschaftler Gerd Languth bewertet Röttgens Lage als schwierig.

Gerd Languth im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Einfach machen sich es die Christdemokraten in Nordrhein-Westfalen dieser Tage in Personalfragen nicht. Erst der Machtkampf um den Fraktionsvorsitz, für sich entschieden ja vom früheren Arbeitsminister Karl-Josef Laumann, und jetzt, da es um den Landesvorsitz der CDU in Nordrhein-Westfalen geht, da gehen auch die Rivalitäten erst richtig los. Gegen den bisherigen Integrationsminister Laschet kandidiert jetzt auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen.
    Wir wollen auch die kommenden Minuten noch auf das Thema verwenden. Am Telefon begrüße ich jetzt Gerd Langguth, den Politikwissenschaftler der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Herr Langguth, guten Tag!

    Gerd Langguth: Guten Tag, Frau Schulz.

    Schulz: Der Schritt von Norbert Röttgen, ist das ein mutiger, oder ein übermütiger?

    Langguth: Es ist vielleicht auch ein verzweifelter, denn was bleibt ihm eigentlich übrig, denn er hat ja schon seit geraumer Zeit Ansprüche angemeldet, indirekt, bisher nie öffentlich, und dann ist ihm Laschet mit dem Vorbreschen, wenn man so will zuvor gekommen, aber noch innerhalb eines vernünftigen Zeitraumes. Und jetzt musste er sich entweder entscheiden: Trete ich an, oder trete ich nicht an. Er hätte natürlich auch eine gute Begründung finden können, nicht anzutreten. Er geht jetzt ein erhebliches Risiko ein, denn er könnte ja verlieren. Denn eins muss man sehen: Formal sind die Machtverhältnisse ja relativ klar. Von den acht Bezirksvorsitzenden, wovon er einer ist, sind sechs für Laschet und der andere Bezirksvorsitzende, der will gerne Generalsekretär unter ihm werden. Auch sonst ist ja die Landesspitze zumindest der Landtagsfraktion ziemlich geschlossen hinter Laschet und das wird jedenfalls für Röttgen ein schwieriges Unterfangen.

    Schulz: Jetzt hat Jürgen Zurheide gerade schon zur Vorsicht mit dem Begriff gemahnt, der Machtkampf. Aber was sagt diese Konstellation, wenn wir sie Machtkampf nennen wollen, über die Partei aus?

    Langguth: Zunächst mal ist es ja gut, wenn gestritten wird und wenn auch die Dinge in der Tat offen entschieden werden, wobei ich übrigens in allen Punkten mit Herrn Zurheide übereinstimme. Nur der Hinweis, dass das Ministerium von Herrn Röttgen in Bonn sich befindet, der Hauptsitz trifft zwar zu, aber das heißt nicht, dass er von daher sehr, sehr häufig automatisch in Bonn ist, sondern er ist natürlich die überwiegende Zeit seiner Tätigkeit in Berlin. Ich will mal so sagen: Für ihn ist es einfach wichtig, er braucht eine eigene Autorität im Verhältnis zur Kanzlerin. Ihm werden ja auch Ambitionen nachgesagt, vielleicht eines Tages mal Kanzler selber werden zu wollen. Jedenfalls ist es wichtig für ihn, dass er nicht nur eine geliehene Autorität, nämlich die der Kanzlerin hat, sondern dass er Parteivorsitzender wird, denn als Parteivorsitzender hat er etwa ein Drittel der Delegierten eines Bundesparteitages hinter sich und das gäbe ihm natürlich eine sehr starke Stellung und das kann ich mir vorstellen. Aber er muss natürlich eine wichtige Frage beantworten, nämlich: Was ist es, wenn er tatsächlich nicht nur Parteivorsitzender wird, sondern wenn er dann auch Spitzenkandidat für die nächste Landtagswahl werden will. Wird er denn dann im Falle eines Misslingens in den Landtag als Oppositionsführer einziehen oder nicht? Und so weit ich das sehe, hat er das bislang offen gehalten.

    Schulz: Wenn wir jetzt noch mal bei der Ausgangslage bleiben, bei der Situation, auch bei dem Bild, das die Partei derzeit zeigt. Dieser Machtkampf – das hatten Sie, glaube ich, gerade geschickt umschifft -, was sagt das über die NRW-CDU derzeit?

    Langguth: Zunächst sagt es, dass hier zwei Leute versuchen, an die Spitze zu kommen, die ja bisher politisch völlig einer Meinung waren. Sie sind übrigens beide bis vor kurzem menschlich sehr eng miteinander befreundet gewesen. Aus diesem sogenannten Machtkampf sehe ich zumindest auch keinen Richtungswahlkampf, dass etwa jemand, der etwas konservativer ist, gegen einen, der etwas linker oder liberaler ist, antritt, sondern das ist einfach ein Kampf zweier Personen, die an die Spitze wollen. Ich denke, dass das zumindest ja doch – ich wiederhole mich da – gut für eine Partei ist, wenn es auch entsprechende Alternativen gibt, und hier hat ja auch Röttgen geschickt argumentiert, warum eine Alternative zu Laschet auch sinnvoll ist.

    Schulz: Aber jetzt haben wir diese Auseinandersetzungen beobachtet: erst ging es um den Fraktionsvorsitz, jetzt wie gesagt um den Parteivorsitz, und es geht da noch nicht mal um Sachfragen, sondern es geht jetzt wirklich um persönliche Profile, die sich da durchsetzen wollen. Wäre da nicht ein einheitliches Bild, da es ja inhaltlich gar nicht um so große Differenzen geht, ein viel überzeugenderes?

    Langguth: Ja, sicher! Das kann man natürlich sagen. Aber in der Politik ist es auch anders als selbstverständlich, dass einzelne Personen unterschiedliche Vorstellungen haben beziehungsweise was werden wollen und von daher in Konkurrenz zueinander treten. Das ist ein, finde ich, ganz natürlicher Prozess. Die Frage ist nur: Wer wird dann die Mehrheit dort gewinnen. Und die Frage ist nur: wen will eigentlich die Landespartei bisher haben. Denn das sagte ich ja vorhin schon: Die Mehrheit jeweils der Funktionsträger, die waren ja bisher auf Laschets Seite. Jetzt muss man sehr, sehr sehen, was es tatsächlich bedeutet, wenn es zu einer Basisabstimmung kommt. Bei einer Basisabstimmung hat natürlich im Zweifel derjenige, der einen größeren Bekanntheitsgrat hat – und das ist eben ein Bundesumweltminister -, durchaus respektable Chancen. Das muss jetzt abgewogen werden und da wird jetzt einige Wochen innerhalb der CDU Nordrhein-Westfalens gestritten, aber da gebe ich Herrn Zurheide völlig recht: es ist ja auch gut so, dass keine Friedhofsruhe in einer Partei herrscht, sondern dass die Partei – das muss man ja auch sehen – sich jetzt mal neu aufstellen muss, um zu sehen, wie sie eigentlich wieder in die Offensive kommen will. Sie ist ja nach 39 Jahren für fünf Jahre in Nordrhein-Westfalen mit Rüttgers an die Macht gekommen und ihr blüht natürlich, dass es zu weiteren 39 Jahren kommt. Deswegen ist natürlich schon die prinzipielle Frage, die zu klären ist: Mit welcher Kombination geht man an das Geschehen heran. Um genau die Frage handelt es sich ja letztlich: Will man eine Landeslösung haben, dass man sagt, die Macht ist nur vom Land her zu erobern, durch das tägliche Stellen der Ministerpräsidentin im Landtag und anderswo, oder von Berlin aus oder und auch von Berlin aus. Das ist die prinzipielle Frage, die auch politikwissenschaftlich, finde ich, sehr interessant ist. Und dass da jetzt Röttgen sich gemeldet hat - ich finde, er ist ja ein sehr profilierter Politiker -, das tut der Sache sicherlich gar nicht schlecht. Aber er muss – und ich wiederhole mich – die Frage beantworten, will er denn auch als Oppositionsführer tatsächlich dann eines Tages in den Landtag einziehen, falls es nicht gelingt.

    Schulz: Welche Antwort geben Sie denn auf die Frage, die Sie gerade aufgeworfen haben, die heute natürlich auch viele umtreibt, wer denn die besseren Chancen hat auf den Parteivorsitz, trotz aller Unwägbarkeiten, die Sie auch gerade schon skizziert haben?

    Langguth: Auch da hat Herr Zurheide völlig Recht. Das Problem ist, dass dies im Moment niemand genau sagen kann. Wenn es nur um den Funktionskörper geht, also wenn es um auch Delegierte geht, dann, denke ich, hat im Moment durchaus Laschet die größeren Chancen, weil Laschet einfach auch schon vorgearbeitet hat und weil er auch viele Leute hinter sich hat. Es fällt ja auf, dass die Zahl der Freunde, die sich öffentlich zugunsten von Röttgen geäußert haben, nicht sehr groß ist, wenn man das vergleicht mit der Zahl derjenigen, die sich öffentlich hinter Laschet gestellt haben. Aber wenn es jetzt tatsächlich zu einer Mitgliederbefragung kommt, da steckt niemand drin, weil da sind ja auch Leute dabei, die abstimmen, die ja die Politik vielleicht gar nicht so sehr aus der Nähe beobachten, wie das die Funktionsträger tun. Deswegen: Hinsichtlich einer Mitgliederbefragung möchte ich keine Vorhersage machen.

    Schulz: Wenn wir noch auf die Bundespartei schauen? Wie gesagt, heute kann kein Mensch wissen, wer sich durchsetzt in diesem Zweikampf. Wäre es dann realistisch, das Gedankenspiel, das offenbar schon die Kanzlerin umgetrieben haben soll, Laschet als NRW-Vorsitzender, sollte er sich durchsetzen, und trotzdem Norbert Röttgen als stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender?

    Langguth: Das könnte ja am Ende des Tages eine Art Kompromiss sein, der auch beiden das Gesicht wahren lässt. Man muss natürlich umgekehrt sagen: da wäre ein Vorteil, dass man jetzt dann einen Kompromiss hat. Der Nachteil wäre natürlich nur der: In dem Moment, wenn Laschet Landesvorsitzender ist und gleichzeitig stellvertretender Bundesvorsitzender würde, wäre er natürlich mit der Zeit ein sehr profilierter zusätzlicher nordrhein-westfälischer CDU-Kopf auf Bundesebene, neben Röttgen, der ja sowieso schon in höchstem Maße ein starkes Profil entwickeln konnte. Das muss man einfach sehen. Aber wohl gemerkt: dass was Sie andeuten, das könnte ein Kompromiss sein, der vielleicht doch noch in letzter Minute dann auf der Landesvorstandssitzung am 30. August gemacht wird. Aber da habe ich meine Zweifel, denn eigentlich ist der Brief von Herrn Röttgen so, dass er unumstößlich ist, dass er eigentlich jetzt antreten muss, und wenn er es nicht tut, dann könnte es schon als wankelmütig interpretiert werden.

    Schulz: Der Politikwissenschaftler Gerd Langguth heute in den "Informationen am Mittag" hier im Deutschlandfunk. Haben Sie herzlichen Dank.

    Langguth: Ich danke.