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Das Wrack von Kea
Eine Insel erinnert an den Untergang der "Britannic"

Die "Britannic" war das Schwesternschiff der legendären "Titanic". Sie sank vor fast hundert Jahren im Ersten Weltkrieg vor der griechischen Insel Kea nach der Explosion einer deutschen Mine. Dort liegt das Wrack noch immer, zusammen mit anderen untergegangenen Schiffen. An die Geschichte der "Britannic" soll jetzt auf der Insel Kea erinnert werden.

Von Wolfgang Landmesser |
    "That’s about the area, about two miles from the island.” Jiannis Tsavelákos, Chef der Tauchschule "Kea divers", hat uns mit dem Motorboot zu der Stelle gebracht, wo die 'Britannic' liegt, etwa dreieinhalb Kilometer vor Kea, in 120 Metern Tiefe.
    Die See ist ruhig an diesem Junitag, tiefblau der Ozean, strahlendblau der Himmel. Es fällt schwer, sich die Katastrophe vorzustellen, die hier am 21. November 1916 passierte – vor fast hundert Jahren. Die "Britannic" war gerade dabei, den Kanal zwischen den Inseln Makronisos und Kea zu durchfahren, erzählt Simon Mills. "Sie kam aus dieser Richtung, mit einer Geschwindigkeit von 21 Knoten, um 12 Minuten nach acht Uhr morgens gab es einen großen Knall, hier drüben irgendwo."
    Unterhalb der "Britannic", dem Schwesterschiff der "Titanic", war eine deutsche Mine explodiert. Das im Ersten Weltkrieg für Verwundetentransporte umgebaute Schiff war unterwegs nach Limnos, wo es ein großes Lazarett gab – für Soldaten, die bei den Kämpfen um die Dardanellen verwundet worden waren.
    Simon Mills ist einer der besten Kenner der "Britannic", schließlich ist er ihr Eigentümer. In den 1990er-Jahren kaufte er das Wrack von der britischen Regierung. Am Anfang wollte er, dass seine "Britannic" da unten in der Tiefe möglichst unberührt bleibt – und keiner in ihre Nähe kommt. Doch inzwischen geht es ihm vor allem darum, die Geschichte des Wracks aufzuarbeiten – und die Öffentlichkeit daran teilhaben zu lassen.
    "Die 'Britannic' ist noch intakt. Wir wissen, wie es innerhalb des Schiffes aussieht. Die medizinischen Einrichtungen sind erhalten. Die Brücke, die Balustraden, es ist alles noch da. Es kann aber nicht so laufen, vom Schiff alles Mögliche weg zu grabschen. Es muss einen Plan geben, was wir tun und warum."
    Mit Simon Mills und Byron Riginos sitzen wir in einem Café am Hafen. Byron ist Vorsitzender des Vereins der Inselfreunde, der eine Konferenz im Herbst vorbereitet, um 100 Jahre danach an die Wracks von Kea zu erinnern. Nur wenige Tage vor der "Britannic" sank auch das französische Schiff "Burdigala", das Soldaten nach Thessaloniki gebracht hatte - ebenfalls Opfer einer deutschen Mine.
    Die Konferenz soll eine Geschichte ins Licht rücken, die kaum jemand kennt. Genauso wie Kea nahezu unbekannt sei, trotz seiner Schönheiten, meint Byron. "Mit der Konferenz wollen wir auch auf Kea aufmerksam machen – als Ziel für Touristen und Taucher. Wir haben hier insgesamt sechs Schiffswracks. Es ist ein einzigartiger Ort mit sehr sauberem Wasser. Ok, die Wracks liegen teilweise sehr tief; das macht es schwierig, sie zu besuchen. Aber wir haben Pläne für ein Museum, um ihre Geschichte bekannter zu machen."
    Ein Exponat im neuen Inselmuseum könnte auch ein Stück von einem Liegestuhl der "Britannic" sein. Sheila McBeth-Mitchell, eine Krankenschwester, die an Bord war, hatte es vom Schiff mitgenommen. "Sie hat das mit Schnitzereien verzierte Teil von einem der Besatzungsmitglieder bekommen, hat es unter ihrem Mantel an Land gebracht und ihr ganzes Leben über aufbewahrt. Ihr Enkel wird es zur Konferenz mitbringen."
    30 der über 1.000 Menschen an Bord kamen beim Untergang der "Britannic" ums Leben, als zwei Rettungsboote in die gigantische Schiffsschraube gerieten. Mit einem Bootskorso wollen die Veranstalter am ersten Konferenztag der Opfer gedenken. Zwei Teams werden auch hinunter tauchen, erzählt Jiannis draußen über dem Wrack der "Britannic".
    "Es wird zwei Tauchgänge geben, um an den Untergang der beiden Schiffe zu erinnern. Zum Gedenken an den 100. Jahrestag werden die Taucher auch Tafeln anbringen." Eine der Gedenktafeln wird Carl Spencer gewidmet sein. Der erfahrene Wracktaucher starb 2009 bei Filmaufnahmen für eine National-Geographic-Dokumentation über die Britannic.