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"Dass er es jetzt macht, hat auch mit anderen Skandalen zu tun"

Mit der neuen Haltung zu Drohnen und zum Lager Guantanamo will US-Präsident Barack Obama von anderen Problemen ablenken, sagt der Politikwissenschaftler Andrew Denison. Obamas Regierung war zuletzt unter anderem wegen des Ausspionierens von Journalisten in die Kritik geraten.

Andrew Denison im Gespräch mit Dirk Müller |
    Dirk Müller: Will er wirklich seine Hausaufgaben machen, will er wirklich seine Versprechungen einlösen, die er während des Wahlkampfes gemacht hat? Bei seinem ersten Wahlkampf hat er diese Versprechungen bereits gemacht. Dann muss Barack Obama vor allem zwei Fragen dringend lösen: einmal Guantanamo, zum Zweiten die umstrittenen Angriffe aus der Luft via Drohnen. Nutzt der Präsident die Freiheit seiner zweiten Amtszeit, die dadurch definiert ist, dass er nicht wiedergewählt werden muss?

    Mehr Transparenz, mehr Offenheit, mehr Regeln – das ist das Credo aus dem Weißen Haus, gehört eben von Barack Obama, zum Thema Antiterrorpolitik. Darüber sprechen wollen wir nun mit dem amerikanischen Politikwissenschaftler Andrew Denison. Guten Tag.

    Andrew Denison: Schönen guten Tag, Herr Müller.

    Müller: Herr Denison, bleibt Barack Obama ein grandioser Versprecher?

    Denison: Ja gut, Anspruch und Wirklichkeit klaffen immer auseinander in der Politik. Das ist vielleicht auch die Kunst der Politik, das erträglich zu machen. Aber sicher war es so, dass hier zwei Versprechungen existierten, die nicht erfüllt worden sind, zwei große Fragezeichen über Obamas Außenpolitik, über die Nachhaltigkeit und Angemessenheit seiner Politik, und ich denke, er hat versucht, hier nicht nur Versprechungen zu halten, sondern eine offene Flanke vorsorglich – und dafür muss man ihn auch loben – besser zu verteidigen, zu konsolidieren, ihr eine Basis zu geben, um jetzt in den nächsten Wochen auf der Weltbühne mehr Einfluss zu haben.

    Müller: Das heißt, bislang hat es bei diesen Themenfeldern – fangen wir vielleicht mit der umstrittenen Drohnenpolitik an, mit den umstrittenen Drohnenangriffen – keine vernünftige akzeptable politische Grundlage gegeben?

    Denison: Es war eine vorübergehende Politik, die drohte, eine ständige Strategie zu werden, und da war es notwendig, mehr Zurechenbarkeit und Transparenz zu bringen, eine rechtliche Grundlage. Ja, der Verfassungsrechtler Barack Obama weiß, wie wichtig diese Verfassung von Amerika ist und wie sehr sowohl Guantanamo, wie auch diese gezielte Tötung von Terroristen gegen bestimmte Grundprinzipien von Rechtsstaatlichkeit nach amerikanischem Verständnis verstoßen, und da sucht er jetzt Dialog. Keine einfache Antwort, wann man sich dafür entscheidet oder nicht, aber wenigstens ein Schritt, denke ich, das legitimer und nachhaltiger zu machen.

    Müller: Da sagen ja viele in der Wissenschaft, auch in der Rechtswissenschaft, gerade die sich mit dem internationalen Recht auseinandersetzen, die sich mit dem Völkerrecht auseinandersetzen, dass es illegal ist, was dort läuft, aus Sicht jedenfalls der Wissenschaft mit Blick auf das, was von Washington aus befohlen wird, die gezielte Tötung von vermeintlichen Terroristen. Habe ich Sie jetzt auch richtig verstanden, Sie sagen auch, wenn es geprüft wird, dann kommt heraus, es ist illegal?

    Denison: Nein, es ist legal, würde, glaube ich, Barack Obama sagen, und Herr Müller, das wirft eine andere Frage auf, die Obama angesprochen hat. Direkt nach 9/11, direkt nach dem Angriff auf die Türme, kam vom amerikanischen Kongress mit großer Entschlossenheit eine Autorisierung für militärischen Machteinsatz gegen all die, die das gegen uns gemacht haben, also ein Krieg gegen diese sehr diffuse Al Kaida. Die NATO hat auch kurz danach zum ersten Mal in ihrer ganzen Geschichte Artikel fünf eingesetzt und gesagt, wir sind jetzt im Krieg gegen diese Leute, die das gemacht haben, ohne einzugrenzen, welche Leute das sind.

    Der UNO-Sicherheitsrat hat auch gesagt, das ist das Recht auf Selbstverteidigung nach Artikel 51. Obama sagt jetzt zwölf Jahre später, dieser Blankoscheck - erst mal vom amerikanischen Kongress - ist zu breit angelegt und wir müssen davon runterkommen und wir müssen wie in den 90er- und den 80er-Jahren wieder mit juristischen und rechtlichen und polizeilichen Methoden vorgehen und uns in diese Richtung bewegen. Gleichzeitig aber, glaube ich, hat er wieder unterstrichen, auch durch Demonstranten ist das unterstrichen worden mit diesen Zwischenrufen, das ist keine einfache Lösung, weil es gibt keine entschlossene Meinung zu diesen neuen Herausforderungen.

    Müller: Ich muss hier noch mal nachhaken, Andrew Denison. Er sagt selbst, der Präsident, das geht nicht ganz mit rechten Dingen zu beziehungsweise da gibt es noch Klärungsbedarf. Deswegen jetzt mehr Offenheit, mehr Dialog, zu versuchen, eine Grundlage zu entwickeln und in irgendeiner Form dann auch umzusetzen. Auf der anderen Seite haben die Aktionen, die Tötungsaktionen, stark zugenommen in den vergangenen Jahren, unter der Verantwortung von Barack Obama, die sind weitergegangen, die sind expandiert. Wie passt das zusammen?

    Denison: Okay, die sind von 2009 bis 2010/11 stark expandiert, weil Obama wusste, wie viele Zivilisten umkommen, wenn man Bodentruppen einsetzt, wie politisch problematisch das ist. Er hat sie eingesetzt, auch um den Rückzug aus Irak zu schützen, und beim Aufbau der amerikanischen und NATO-Streitkräfte in Afghanistan hat er die Drohnen benutzt, um die Rückzugsgebiete in Pakistan anzugreifen, sowohl von Taliban wie Al Kaida. Dann hat er auch Al Kaida-Tochterorganisationen in Jemen und Somalia angegriffen. Aber selbst diese Sachen sind seit 2010 stark runtergegangen.

    Deshalb fragt man, warum hat er diese Rede nicht schon längst gemacht eigentlich, denn es war wirklich problematisch für alle Leute. Dass er es jetzt macht, hat auch mit anderen Skandalen zu tun. Auf der einen Seite haben wir ja gesehen, wie der Innenminister Journalisten ausspioniert hat, und das hat er auch angesprochen, hier hat man auch Grenzen wiederzufinden. Er wollte hier also auch eine offene Flanke im Innern benutzen. Es gab aus dem Senat Kritik, irgendwann werden Drohnen benutzt, um Amerikaner zuhause abzuschießen; er hat gesagt nein, das geht nicht, wir machen das nur im Ausland und nur wenn sie Teil der operativen Planung sind. Er hat diese Zeit genommen, obwohl er sich stark zurückgezogen hat von der Benutzung dieser Drohnen.

    Müller: Ich muss, Herr Denison, ein bisschen auf die Zeit achten, auf die Uhr schauen. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Ein Stichwort fehlt noch in unserer Betrachtung, ein wichtiges Stichwort: Guantanamo. Warum ist das so schwer für den Präsidenten, dieses umstrittene Lager zu schließen?

    Denison: Ja das hat er noch mal unterstrichen. Zwei Gründe. Erstens: Der amerikanische Kongress hat gesagt, er darf die Gefangenen nicht nach Jemen zum Beispiel zurückschicken, und fast die Hälfte davon könnten dahin zurück. Er sagt jetzt, er wird das trotzdem tun – mal sehen. Der zweite Punkt ist: Der amerikanische Kongress sagt, wir wollen diese Gefangenen nicht bei uns in irgendwelchen Bundesstaaten haben in unseren sicheren Gefängnissen, weil sie sind Terroristen und sie sind gefährlich. Der Kongress hat ihn also blockiert, jetzt versucht er, noch mal gegen den Kongress vorzugehen.

    Müller: Wird es in irgendeiner Form Zugeständnisse geben vonseiten der Republikaner? Gibt es dort eine Veränderung in der Position?

    Denison: Ja. Ich glaube, die Kritik, dass Drohnen Zuhause eingesetzt werden von einigen Tea Party-Republikanern, da ist erst mal ein bisschen Luft rausgelassen. Die Republikaner sind die, die blockieren, dass Guantanamo geschlossen wird. Der eine oder andere wird vielleicht seine Logik sehen, wenn er sagt, wenn wir es nicht heute machen, dann haben unsere Kinder in 10 oder 20 Jahren immer noch dieses Gefängnis, also lasst uns jetzt mal Taten schaffen.

    Daher, denke ich, ja: das politische Kalkül ändert sich ein bisschen und vielleicht gibt es Schritte, die Obama dann wiederum helfen werden im Nahen Osten, bei Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern, in Syrien, bei seinem Besuch hier in Deutschland in den nächsten Wochen, also Mitte Juni. In dem Sinne ist es schon ein Schritt in einen größeren Ansatz, mehr Nachhaltigkeit in seine Außen- und Sicherheitspolitik zu bringen, mehr Spezifizität, dass wir nicht alle Probleme endlos lösen können.

    Müller: Der amerikanische Politikwissenschaftler Andrew Denison bei uns heute Mittag live im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch, noch einen schönen Tag.

    Denison: Bitte sehr, Herr Müller.


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