Politiker mehrerer Parteien haben die massenhafte Veröffentlichung persönlicher Daten im Internet als Angriff auf demokratische Grundwerte verurteilt. SPD-Generalsekretär Klingbeil sagte in Berlin, eine mögliche politische Motivation des Angriffs müsse geklärt werden. Die Unionsfraktion forderte eine schnelle Aufklärung, die FDP kündigte juristische Schritte an.
Der Fraktionschef der Linken, Bartsch, sagte, es sei besonders verwerflich, dass auch Familienangehörige und Kinder betroffen seien. Die Grünen beantragten eine Sondersitzung des Innenausschusses. Parteichef Habeck stellte Strafanzeige gegen Unbekannt. Er gilt als ein Hauptbetroffener des Angriffs.
Bundesinnenminister Seehofer erklärte, die Daten stammten nicht aus den IT-Systemen von Bundestag oder Bundesregierung. Vieles deute darauf hin, dass sie aus sozialen Netzwerken, E-Mail-Accounts oder Clouds entwendet worden seien. Neben hunderten Politikern sind auch Journalisten und Künstler betroffen.
Keine sensiblen Daten von Merkel veröffentlicht
In dem Datensatz tauchen unter anderem eine Faxnummer, eine E-Mailadresse und Schreiben von der und an die Bundeskanzlerin auf. Nach Angaben der stellvertretenden Regierungssprecherin Fietz wurden aber keine sensiblen Daten aus dem Kanzleramt veröffentlicht, auch nicht von Kanzlerin Merkel.
Betroffen seien Politiker und Mandatsträger aller Ebenen - der europäischen und der Bundesebene ebenso wie Abgeordnete von Landtagen sowie kommunale Mandatsträger. Fietz mahnte, die Daten seien mit großer Vorsicht zu handhaben. Ein Großteil sei möglicherweise authentisch, teilweise seien aber potenziell auch gefälschte Daten eingeschleust worden.
Aktuelle und ältere Daten abgegriffen
Der rbb hatte zunächst berichtet, dass alle Parteien im Bundestag betroffen seien, mit Ausnahme der AfD. Aus dem Bundesinnenministerium hieß es dazu, derzeit werde noch geprüft, wer genau betroffen sei. Auch auf welche Weise die Daten erlangt wurden, sei noch nicht mit Sicherheit festzustellen. Ein Hackerangriff könne weder bestätigt noch dementiert werden - man wisse derzeit noch nicht, ob es sich um ein "Leak aus der Administration" oder einen Hackerangriff handle.
Derzeit deute allerdings nichts darauf hin, dass der Datenabfluss über die Regierungsnetze erfolgt sei. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, die Sicherheitsbehörden hätten festgestellt, dass es sich sowohl um "relativ aktuelle als auch um ältere Datenpakete handelt".
BSI, BKA, Verfassungsschutz und Generalbundesanwalt eingeschaltet
Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft übernahm zusammen mit dem Bundeskriminalamt (BKA) das Ermittlungsverfahren. Ein Sprecher ging von "sehr aufwendigen" Ermittlungen aus. "Die Suche nach Tätern im Internet ist immer sehr schwierig. Eine Prognose, wann es erste Informationen zu dem Verfahren gebe, könne nicht gemacht werden.
Bei der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft ist die die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) angesiedelt. Sie dient örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften und der Polizei als Ansprechpartner in allen Fällen der Computer- und Internetkriminalität. In Einzelfällen kann sie als Task-Force Verfahren mit Internetbezug aus allen Bereichen des Strafrechts mit besonders hohen Anforderungen an die technische Beweisführung übernehmen.
Das nationale Cyber-Abwehrzentrum kam zu einer Beratung zusammen. Aus dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hieß es, man habe erst kurz vor den Medien von dem Cyberangriff erfahren. Laut dpa-Informationen geht das Bundesamt gegenwärtig davon aus, dass die Daten aus öffentlichen Bereichen des Internets wie Sozialen Medien oder Webauftritten stammen sowie teilweise aus privaten "Clouddaten".
Auch der Generalbundesanwalt hat sich eingeschaltet. Dazu sei in der Behörde in Karlsruhe ein sogenannter Beobachtungsvorgang angelegt worden, sagte eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums. Damit untersucht der Generalbundesanwalt die Bedeutung des Falls und die kriminelle Relevanz und prüft, ob er weiter tätig wird.
Auch prominente Künstler betroffen
Unter den Opfern des Hackerangriffs sind auch Bundespräsident Steinmeier, die Moderatoren Jan Böhmermann und Christian Ehring, Bands und Künstler wie Marteria und die Band K.I.Z, sowie Journalisten von ARD und ZDF. Der "ARD Faktenfinder" berichtet unter Berufung auf Böhmermanns Manager, es seien keine neuen Daten des Satirikers dabei. Die nun verbreiteten Informationen seien zuvor von Unbekannten gestohlen und veröffentlicht worden.
Veröffentlicht wurden über ein Twitter-Konto zum Beispiel Handynummern, Adressen, Briefe, Chats und private Bilder. Die Daten wurden bereits vor einem Monat online gestellt. Auf Twitter verbreitete ein User ab dem 1. Dezember in einer Art Adventskalender Links auf Textdokumente, in denen wiederum die vertraulichen Informationen stehen. Außerdem sind in den Textdokumenten Links zu vertraulichen Dataien enthalten. Dabei handelt es sich um Scans von Ausweisdokumenten, PDF-Dateien von Briefen, Screenshots von Chat-Verläufen und andere sensible Inhalte. Der Account wurde erst am Freitagvormittag von Twitter deaktiviert.
Gestern war ein Link zu den Daten über den gehackten Twitter-Account eines Youtubers mit zwei Millionen Followern veröffentlicht worden. So wurde der Fall einer größeren Öffentlichkeit bekannt.
Die Veröffentlichung von privaten Daten im Internet wird auch als "Doxing" bezeichnet. Die Betroffenen sollen im Netz vorgeführt werden. Außerdem wollen die Täter einen Missbrauch der Daten ermöglichen. Der Begriff "Doxing" leitet sich vom englichen Wort "docs" (Dokumente) ab.
(vic/jasi)