Die derzeitige und zukünftige Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen in Deutschland wird immer noch maßgeblich durch ihre soziale Herkunft, Einkommen und Bildungsstand der Eltern geprägt. 65 Prozent der Schülerinnen und Schüler an Gymnasien hatten im vergangenen Jahr Eltern, die ebenfalls Abitur oder Fachhochschulreife in der Tasche hatten. An Hauptschulen war das statistische Bild entsprechend.
Für Thomas Krüger von der Bundeszentrale für politische Bildung ein Skandal: "Man kann fast sagen, Bildung vererbt sich. Das finde ich in einem der reichsten Länder der Welt ein massives Problem, wenn die sozioökonomische Situation in den Familien maßgeblich dafür verantwortlich ist, wie die eigene Entwicklungschance im Bildungsbereich aussieht und Bildung ist nun mal die Schlüsselressource im 21. Jahrhundert und hier werden gerade bestimmte Kinder und Jugendliche schlicht abgehängt."
Kinder in Hartz-IV-Familien erfahren Ausgrenzung an der Schule
Zum Beispiel der Sohn dieser Frau, die von Sozialleistungen lebt. Sein Abitur hat er verfehlt, weil er mitten in der Vorbereitung auf die Prüfungen vom Jobcenter zu Bewerbungsgesprächen gebeten wurde.
"Da war dann eine Sachbearbeiterin, die hat meinen Sohn ständig eingeladen und dann waren es nachher zig Bewerbungen. Diese Last wird einem Schüler, der ALG II durch die Mutter leider in Anspruch nehmen muss, wird ihm schon aufgebürdet und in dem Moment ist der schon in einer Falle. Er war mit den Nerven am Ende. Das müssen sie sich mal vorstellen, ein 17-Jähriger, der dann ein Jahr davor so traktiert wird vom Jobcenter, dass er selbst seinen Lebensweg nicht mehr richtig schafft und diesen Abschluss. Er war schon selbstmordgefährdet."
Geld, das er mit Ferienjobs verdient hat, musste er bis auf 100 Euro wieder abgeben und in der Schule wurde er ausgegrenzt.
"Wenn jetzt mein Sohn einen Schulausflug mitmachen konnte, dann wurde er da noch gegängelt, weil da dann leider eine Lehrerein das vor der ganzen Klasse ausgeplaudert hat und hat gemeint, oh, ich warte noch auf den Bildungspaket-Sozialantrag von Dir und die ganze Klasse hat dann gewusst, dass er Sozialhilfeempfänger ist."
Frühkindliche Bildung als Schlüssel für Chancengerechtigkeit
Gut 15 Prozent aller Kinder und Jugendlichen gelten in Deutschland als armutsgefährdet. Das beeinflusst nicht nur Bildungschancen und soziale Teilhabe, sondern führt auch dazu, dass diese Kinder schlechtere Chancen haben, gesund aufzuwachsen, sagt Mareike Bünning vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Dabei spielten sowohl das mangelnde Wissen um eine gesunde Lebensführung, als auch die fehlenden finanziellen Mittel dafür eine Rolle:
"Eigentlich schon rund um die Geburt beginnt das, dass beispielsweise Mütter mit niedrigerem sozioökonomischen Status in der Schwangerschaft öfter rauchen und die diejenigen aus benachteiligten Familien treiben weniger Sport, sie ernähren sich weniger gesund, sind öfter übergewichtig und werden dann auch selbst beispielsweise öfter zu Rauchern."
Für Thomas Krüger von der Bundeszentrale für politische Bildung ist die frühkindliche Bildung von Kindern in der Kita ein Schlüssel für mehr Chancengerechtigkeit. Neben der Gesellschaft seien aber auch die Eltern in der Verantwortung:
"Auf der einen Seite fehlt es an der Unterstützung in der eigenen Familie auf der anderen Seite ist die Familie in der sogenannten Hartz-IV-Falle, das heißt jede Kindergelderhöhung wird sofort wieder von Hartz IV einkassiert. Das heißt man kann irgendwo auch verstehen, wenn Eltern an der Situation verzweifeln."
Trotz guter konjunktureller Situation sei Kinderarmut in Deutschland immer noch ein Thema, kritisiert Krüger. Wichtig seien neben besseren Chancen auf Bildung für alle auch individuelle Förderung und eine Stärkung des Selbstwertgefühls von Kindern und Jugendlichen durch mehr Mitbestimmung und Teilhabe.
Allerdings wächst die Wirtschaft in Deutschland schneller als die Bildungsausgaben, so die Statistiker. Zwar sind die Ausgaben für Kindertageseinrichtungen gemessen am Bruttoinlandprodukt in den letzten elf Jahren gestiegen, dafür war der Anteil der Ausgaben für Schulen rückläufig. Eine Rolle dabei spielen auch ein Rückgang der Schülerzahlen und der gesetzliche verankerte Ausbau der Kinderbetreuung. Jedes dritte Kind unter drei Jahren besucht inzwischen eine Kita.