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Die Briten und ihr Verhältnis zum Geheimdienst

Ein Gesetz soll die Arbeit der britischen Geheimdienste neu regeln. Große Einschränkungen muss die Behörde im Königreich aber nicht befürchten, ihr Ruf ist seit dem Zweiten Weltkrieg durchweg positiv. Und das trotz Kommunikationsüberwachung und Vorratsdatenspeicherung von bis zu einem Jahr.

Von Benjamin Dierks | 13.11.2015
    Ein Passwort wird auf einer Computertastatur eingegeben.
    Kommunikaitonsüberwachung und einjährige Vorratsdatenspeicherung: Für viele Briten kein Problem. (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    John Harper steht vor einem hölzernen Koffer, der eine Art altmodische Schreibmaschine aus schwarzem Metall umschließt.
    Mehrmals drückt der pensionierte Computertechniker das "L" hinunter. Jedes Mal leuchtet darüber ein anderer Buchstabe auf. Was Harper hier vorführt, ist die legendäre Enigma-Maschine. Mit ihr verschlüsselte die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg ihre Kommunikation und machte sie so für den Feind unlesbar – zumindest dachte sie das. Denn hier, im einst geheimen Bletchley Park nordwestlich von London entdeckte ein Team von Codebrechern 1940 einen Weg, den deutschen Code zu entschlüsseln.
    Alles begann in Bletchley Park
    Mithilfe dieser Rechenmaschine, der Turing-Welchman-Bombe, legten die Kryptografen den Code der Deutschen offen. Und wer verstehen will, wie der britische Geheimdienst tickt, findet in Bletchley Park einige Antworten. Die hier ansässige Government Code and Cypher School war der Vorläufer des Datengeheimdienstes GCHQ, der heute weltweit Kommunikation mitschneidet, und sie nahm vieles davon vorweg. Denn es ging schon damals nicht nur ums Codebrechen, sagt Joel Greenberg. Der Mathematiker erforscht die Geschichte von Bletchley Park.
    "Die Kryptografie war nur ein Teil der Operation und wohl der unwichtigste. Wichtiger war die Analyse des Datenverkehrs. Schon ohne die abgefangenen Nachrichten zu entschlüsseln gaben sie Aufschluss darauf, von wem und von wo sie gesendet wurden, und über die Bewegungen des deutschen Militärs.
    Diese Daten nennen wir inzwischen Metadaten. Um die geht es auch heute, wenn der Geheimdienst Telefonverbindungen speichert. Das hat in Bletchley Park angefangen."
    Ein eklatanter Unterschied allerdings besteht. Denn damals betraf die Überwachung des Datenverkehrs nur das feindliche deutsche Militär. Heute werden wahllos Kommunikationsdaten mehrheitlich Unbeteiligter gespeichert, um daraus womöglich Erkenntnisse über Kriminelle und Terroristen filtern zu können.
    "Dieses Prinzip wird heute bei der digitalen Geheimdienstarbeit angewendet, der Überwachung von Mobiltelefonen etwa und dem Versuch, Muster zu erkennen, zum Beispiel wenn Dschihadisten in Syrien mit Sympathisanten in Großbritannien kommunizieren."
    Sir David Omand ist ehemaliger Chef des GCHQ und hat vieles von dem in Gang gesetzt, was der amerikanische Whistleblower Edward Snowden öffentlich gemacht hat.
    Keine Massenüberwachung?
    Omands einfache Logik lautet: Solange wir Daten nur massenweise speichern, nicht aber lesen, ist es auch keine Massenüberwachung. Und dafür sorgten die Gesetze. Die sollen nun, zweieinhalb Jahre nach den Snowden-Enthüllungen, neu geschrieben werden.
    Zwar war das Aufsehen in Großbritannien über das Schnüffeln des GCHQ nicht annähernd so groß wie etwa in Deutschland. Aber dass die Gesetze unübersichtlich seien, das wurde auch hier bemängelt. Nennenswerte Einschnitte für die Geheimdienste gibt es im Entwurf aber nicht. Das GCHQ darf weiter anzapfen und Internet-Anbieter sollen sogar ein Jahr lang speichern, wer welche Website aufgerufen hat. Damit gehen die Briten bei der Vorratsdatenspeicherung weiter als andere europäische Regierungen und als die Vereinigten Staaten.
    O-Ton 9 engl.
    "We do need a very high degree of insurance as citizens that under no circumstances can they be misused."
    Deshalb bräuchten die Bürger eine besonders hohe Absicherung, dass die Daten nicht missbraucht werden, sagt Omand. Gesetze und die parlamentarische Aufsicht der Geheimdienste seien Garant dafür - anders als in den alten Zeiten, als die Regierung noch nicht einmal die Existenz eines Geheimdienstes offiziell eingeräumt hatte. Allerdings ist nicht jeder davon überzeugt, dass sich seit den alten Zeiten so viel geändert hat.
    Kaum Änderungen erwartet
    "In der guten alten Zeit konnte der Geheimdienst machen, was er wollte. Und jetzt in der modernen Zeit mit Parlamentsausschüssen, die ein Auge auf den Dienst haben, kann der Dienst immer noch machen, was er will."
    Harry Ferguson war einst beim britischen Auslandsgeheimdienst Secret Intelligence Service, besser bekannt als MI6. Er räumt Außenstehenden keine große Chance ein, zu verstehen, was innerhalb eines Geheimdienstes vor sich geht.
    "Man hat ja einen Geheimdienst, damit er Dinge machen kann, die man in der Öffentlichkeit nicht zugeben muss. Wenn also ein Geheimdienst sagt: Ihr könnt uns ja ständig kontrollieren, darf man das nicht für bare Münze nehmen. Denn das kann man nicht."