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Datenschutz
"Facebook muss sein Geschäftsmodell überdenken"

Sammelklage unzulässig, Einzelklage möglich: Das Urteil gegen Facebook wegen zu laxer Datenschutzpraxis wertet Ingo Dachwitz von netzpolitik.org als Erfolg. Dem Unternehmen drohten nun weitere Millionenstrafen. Es sei Zeit für Facebook, seine Geschäftspraktiken zu überdenken, sagte Dachwitz im Dlf.

Ingo Dachwitz im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Smartphone mit Facebook-Logo
    Taktik nicht aufgegangen: Weitere Klagen gegen Facebook laufen wegen Datenschutzverstößen (imago / Zumapress)
    Tobias Armbrüster: Zu dem Urteil in Sachen Facebook heute am Europäischen Gerichtshof bleiben natürlich noch einige Fragen. Wir wollen das besprechen mit Ingo Dachwitz, Medienwissenschaftler und Redakteur bei Netzpolitik.org. Das ist eine Organisation, die die politischen Aspekte der Digitalisierung immer wieder kritisch beleuchtet. Schönen guten Abend, Herr Dachwitz.
    Ingo Dachwitz: Guten Abend.
    Armbrüster: Herr Dachwitz, eine Sammelklage gegen Facebook ist derzeit nicht möglich, aber eine Einzelklage als Verbraucher schon. War das jetzt heute ein Sieg oder eine Niederlage für den Netzaktivisten Max Schrems?
    Dachwitz: Grundsätzlich ist es schon ein Sieg, würde ich sagen, weil die Taktik, die Facebook gefahren hat, nämlich das Verfahren so lange wie möglich zu blockieren und sich auf die dahinter liegenden Fragen einfach nicht einzulassen, sondern durch Verfahrenstricks oder Zweifel am Verfahren das Verfahren aufzuhalten, ist letztendlich nicht aufgegangen. Max Schrems hat die Möglichkeit, seinen Fall und seine Beschwerden vor Gericht zu verhandeln.
    Es ist gleichzeitig natürlich ein großer Wermutstropfen, dass die zig Tausenden, die das mit ihm machen wollten, oder die sich durch ihn dort vertreten lassen wollten, die Möglichkeit jetzt nicht haben.
    "Größere Dimension als ein individuelles Problem"
    Armbrüster: Welche Möglichkeiten hätte er denn gehabt, oder was wäre besser für ihn gewesen, wenn er diese Menschen alle hinter sich gehabt hätte, und was ist jetzt der Nachteil für ihn als Einzelner?
    Dachwitz: Na ja. Die Dimension des Falls, um den es geht, ist eine Dimension, die größer ist, als dass er ein individuelles Problem hat, sondern es sind ja grundlegende Fragen im Hinblick auf das Geschäftsmodell und den Schutz der Privatsphäre und der informationellen Selbstbestimmung der Nutzerinnen und Nutzer, also durchaus ein Fall, der über das individuelle Befinden von Herrn Schrems hinausgeht. Von daher wäre es natürlich schon auch ein deutliches Zeichen gewesen, wenn dort der Wille von diesen Tausenden, die ihn unterstützt haben dabei, oder die sich dort mit vertreten lassen wollten, explizit mit verhandelt werden würde.
    Der Österreichische Datenschützer Max Schrems steht in Wien vor einem Grafitti
    Klage gegen Facebook: Österreichisch Datenschützer Max Schrems (picture alliance/ dpa - Matthias Röder)
    Armbrüster: Würden Sie denn sagen, ist der Europäische Gerichtshof eingeknickt vor Facebook?
    Dachwitz: Das würde ich so an der Stelle nicht sagen. Eingeknickt – Facebook wird sich verantworten müssen und das Verfahren wird stattfinden. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass ab Mai 2018, ab Ende Mai die Datenschutz-Grundverordnung gilt, die wiederum eine explizite Möglichkeit zur Vertretung durch Verbände und Organisationen in Sachen Datenschutz ermöglicht, ist das jetzt im größeren Bild dann doch zu verkraften, dass es hier leider nicht möglich war, dass alle Leute, die gerne mitmachen würden, mitklagen.
    "Nutzer werden nicht vernünftig informiert"
    Armbrüster: Herr Dachwitz, Max Schrems sagt nun in seiner Klage, Facebook sammelt viele Daten seiner Nutzer und leitet die weiter an andere. Was ist daran eigentlich so schlimm?
    Dachwitz: Das Geschäftsmodell von Facebook als Werbeplattform ist es, möglichst viel über seine Nutzerinnen und Nutzer zu wissen und mit diesem Wissen dann Handlungen vorzubereiten oder zu ermöglichen und zugeschnittenen Zugang zu ermöglichen über Werbung. Die Kritik daran ist, neben einfach dem umfassenden Einblick, den das Unternehmen hat in das Privatleben, in das Verhalten und durch seine Analysen auch in die Psyche seiner Nutzerinnen und Nutzer, tatsächlich die Frage der Selbstbestimmung.
    Bei den Nutzerinnen und Nutzern kann man nicht davon ausgehen, dass sie im Bilde darüber sind, weil sie nicht vernünftig informiert werden darüber, wie die Praxis tatsächlich aussieht. Facebook kauft ja beispielsweise auch von Datenhändlern noch Informationen dazu über seine Nutzerinnen und Nutzer, um das Schattenprofil, das Datenprofil noch zu vervollständigen, beispielsweise mit Informationen über das Offline-Einkaufsverhalten, oder auch das oft kritisierte Verhalten Aufzeichnen auf Drittseiten. Nicht nur, wenn man bei Facebook auf der Seite ist, sondern auch, wenn man sich sonst irgendwo im Netz bewegt, gehen diese Informationen ja an Facebook, und das verstößt gegen die informationelle Selbstbestimmung.
    "Soziale Infrastruktur, die für viele Leute sehr wichtig ist"
    Armbrüster: Aber müsste man nicht eigentlich von Nutzerinnen und Nutzern erwarten, dass sie sich über so was tatsächlich informieren, bevor sie bei Facebook mitmachen?
    Dachwitz: Ich würde jetzt auch Nutzerinnen und Nutzer nicht komplett aus der Verantwortung an der Stelle entlassen wollen. Aber es ist natürlich ein Dilemma, in dem man sich befindet. Facebook bietet inzwischen eine soziale Infrastruktur, die für viele Leute sehr wichtig ist, und die Alternative ist an der Stelle jetzt ja nur, nicht mitzumachen. Gleichzeitig sehen wir, dass Facebook wirklich daran arbeitet, dass Nutzerinnen und Nutzer nicht komplett informiert sind an der Stelle und das gar nicht wissen. Es gäbe ja Möglichkeiten, tatsächlich ein echtes Einverständnis von den Nutzerinnen und Nutzern einzuholen, indem man wirklich beschreibt, was machen wir eigentlich mit den Daten.
    Armbrüster: Aber man sollte doch eigentlich wissen, dass Facebook ein Unternehmen ist, das nach marktwirtschaftlichen Kriterien arbeitet, das gewinnorientiert arbeitet und das natürlich auch die Daten seiner Nutzer für geschäftliche Zwecke nutzt. Das sind ja eigentlich Allgemeinplätze. Dann komme ich zu dem zurück, was Sie gerade gesagt haben. Wäre da nicht die einfachste Lösung, dass jeder, dem das nicht passt, dem das nicht ganz geheuer ist, dass der einfach nicht mitmacht bei Facebook?
    Dachwitz: So einfach ist es eben nicht. Gerade wenn wir uns Jüngere angucken – nun ist Facebook in der ganz jungen Generation nicht mehr das Top-Netzwerk. Aber trotzdem bedeutet das ja soziale Exklusion, wenn man an der Stelle nicht mitmacht.
    "In der Masse gibt es zu Facebook keine Alternative"
    Armbrüster: Es gibt ja inzwischen jede Menge andere Netzwerke, auch solche, die nicht so sehr Daten sammeln.
    Dachwitz: Jein. In der Masse gibt es zu Facebook keine Alternative und wir haben da das berühmte Problem der Netzwerkeffekte, nämlich dass natürlich der Nutzen eines sozialen Netzwerks immer größer ist, je mehr Menschen, mit denen man vernetzt ist, dort sich auch befinden, mit denen man sich dort vernetzen kann. Das führt natürlich dazu, dass so ein Quasi-Monopolist eine enorme Marktmacht hat, weil es Leuten nicht mehr so leicht möglich ist, sich zu entscheiden, woanders hinzugehen.
    Es gibt ja auch keine Interoperabilität zwischen Netzwerken. Ich kann jetzt zum Beispiel nicht, wenn ich mir einen Account auf Diaspora mache, von dort aus kommunizieren mit jemandem, der auf Facebook ist, weil die nicht kompatibel sind miteinander. Die Wahlmöglichkeiten sind sehr begrenzt und deshalb ist der Punkt an der Stelle, dass mindestens eine Aufklärung stattfinden muss, eine vernünftige Information darüber, damit Nutzerinnen und Nutzer tatsächlich informiert zustimmen, dass man davon ausgehen kann, und am besten muss es Alternativen zu diesem Geschäftsmodell der Datenanalyse und der Auswertung des Verhaltens und der Persönlichkeit geben.
    "Druck auf das Netzwerk erhöhen"
    Armbrüster: Herr Dachwitz, wir können dann festhalten am Ende dieses Tages, dass der Netzaktivist Max Schrems weitermachen kann mit seiner Klage gegen Facebook. Muss sich Facebook jetzt Sorgen machen?
    Dachwitz: Ich finde, Facebook muss sich schon lange Gedanken machen, mindestens um sein Geschäftsmodell. Spätestens mit der Datenschutz-Grundverordnung, mit deren wirksam werden, wird es ja auch für Datenschutzbehörden die Möglichkeit geben, strengere Strafen zu verhängen. Wir haben in den letzten Jahren ja immer wieder gesehen, dass auch durchaus Datenschutzbehörden in Frankreich oder Spanien vermeintliche Höchststrafen verhangen haben gegen das Netzwerk aufgrund seiner intransparenten Datenpraxis, und die Strafzahlung lag dann bei einer Million oder so was. Das ändert sich mit der Datenschutz-Grundverordnung und ich hoffe, dass das Verfahren – es ist ja eines von zig Verfahren, die laufen gegen die Datenpraxis von Facebook – da hilft, Klarheit zu schaffen und den Druck auf das Netzwerk zu erhöhen, diese Praxis, sein Geschäftsmodell an der Stelle, und die Alternativlosigkeit, vor die es die Nutzerinnen und Nutzer stellt, zu überdenken.
    Armbrüster: Hier bei uns im Deutschlandfunk war das Ingo Dachwitz, Redakteur bei Netzpolitik.org. Vielen Dank, Herr Dachwitz, für das Interview.
    Dachwitz: Vielen Dank auch!
    Armbrüster: Und dieses Gespräch haben wir heute Abend vor dieser Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.