Thielko Grieß: Überweisungen von Deutschland ins Ausland, die werden abgewickelt über internationale Standards, die unter der Abkürzung SWIFT bekannt sind. Die Dienste von SWIFT, die nehmen auch Terrorfahnder in Anspruch, die auf der Suche sind nach den Geldströmen, die den internationalen Terrorismus am Laufen halten, und offenbar auch der amerikanische Geheimdienst NSA. Der soll sich einige der Daten allerdings auch außerhalb der Regel zueigen gemacht haben. So gibt es Edward Snowden an. Das Europäische Parlament will deshalb noch heute Mittag darüber abstimmen, diesen Datenaustausch mit den USA auszusetzen.
Am Telefon ist Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter in Schleswig-Holstein. Guten Tag!
Thilo Weichert: Ich grüße Sie.
Grieß: Ist ein entschlossenes Ja zum Datenaustausch nur noch in gebückter Haltung vor den USA möglich?
Weichert: Nein und teilweise dann doch wieder ja. Der Datenaustausch mit den USA bestand noch nie auf einer sauberen rechtlichen Grundlage, weil wir schon seit Jahrzehnten wissen und seit Jahren wissen, dass in den USA keine Datenschutzstandards bestehen, die unseren Vorstellungen hier in Europa und in Deutschland entsprechen. Auf der anderen Seite gibt es natürlich schon auch Gründe, jetzt die Daten mit den transatlantischen Partnern auszutauschen.
Aber das, was jetzt lange vermutet wurde und jetzt durch die Snowden-Enthüllungen offensichtlich ist, nämlich dass die USA-Behörden Daten in einer Art und Weise nutzen und missbrauchen, wie sie für uns absolut inakzeptabel ist, führt eigentlich ganz zwangsläufig dazu, dass wir jetzt diese Kooperationsabkommen kündigen müssen.
Grieß: Aber wir müssen schon noch festhalten, Herr Weichert, dass das ja alles Medienberichte sind, die zurückgehen auf Edward Snowden, den weder Sie noch ich noch viele andere seit vielen Wochen persönlich irgendwo gesehen haben.
Weichert: Das sind nicht nur Medienberichte, sondern das sind nicht dementierte Medienberichte und teilweise sogar bestätigte Medienberichte. Also man muss ganz klar sehen, dass die USA von sich aus solche Medienberichte nicht geschehen lassen würden, wenn sie nicht tatsächliche reale Hintergründe und nicht nur Hintergründe, sondern auch reale Fakten benennen.
Die Argumentation der Bundesregierung oder auch der EVP, das sei ja alles nicht bewiesen, ist leicht vorzubringen, weil natürlich alles, was die USA da machen, im absolut Geheimen stattfindet, keinerlei Rechtsschutz gewährleistet ist, keinerlei Rechtskontrolle, auch nicht durch unabhängige Datenschutzbeauftragte, und jetzt weiterhin, nachdem diese Vorwürfe bekannt geworden sind, dichtgemacht wird von den US-Behörden. Selbst der Bundesinnenminister ist ja mit leeren Händen zurückgekommen aus Washington, als er Informationen haben wollte. Hier wird ganz offensichtlich gemauert vonseiten der USA.
Grieß: Die Zusammenarbeit, Herr Weichert, die im Rahmen des SWIFT-Abkommens stattfindet, die soll ja – so steht es im Abkommen – kontrolliert werden von Beamten der europäischen Polizei, von Europol. Können die es nun nicht richtig, oder dürfen die es nicht richtig?
Weichert: Beides. Die Kontrolle, die die Europol-Beamten tatsächlich durchführen dürfen nach dem Abkommen und sollen, ist eine sehr reduzierte. Sie beschränkt sich sozusagen auf die Draufsicht, nicht auf die Analyse der konkreten Datenströme. Eine andere Kontrolle gibt es insgesamt nicht.
Hinzu kommt, dass Europol jetzt nun definitiv nicht der richtige Kontrolleur ist. Das ist zwar eine europäische Einrichtung, aber die haben genau das gleiche Interesse wie die NSA oder die anderen Sicherheitsbehörden in den USA, nämlich Terroristen zu fangen und nicht den Datenschutz zu verwirklichen. Insofern erhoffe ich mir von der Europol-Kontrolle nicht viel und tatsächlich findet sie auch nicht richtig statt, und selbst die Europol-Beamten scheinen auch viele Defizite festgestellt zu haben, die aber jetzt bisher noch nicht dazu geführt haben zu kündigen. Ich denke, die Kündigung ist nötig.
Grieß: Sie haben in der Vergangenheit das bestehende Abkommen, das SWIFT-Abkommen ja schon kritisiert, weil Sie gesagt haben, auch unter den Bedingungen des Abkommens ist es zu leicht für die US-Behörden, an die Daten heranzukommen, und da war noch gar nicht die Rede von Edward Snowden und von der NSA. Dann ist es doch ohnehin gleichgültig, was dort geschieht?
Weichert: (lacht) Nein. Für die Zukunft sollte der Datenschutz gewährleistet werden, auch wenn er in der Vergangenheit nicht gewährleistet war. Wir wissen, dass SWIFT ja seit 2003 abgehört wird oder abgegriffen wird. Das war ehemals eine US-Datenbank, die dann nach Europa transferiert wurde, um nicht mehr dem Zugriff zu unterliegen, und jetzt ist dieses Abkommen da. Ich denke, man sollte sich jetzt nicht einfach achselzuckend abwenden, sondern sollte versuchen, auch die USA unter Druck zu setzen, hier Grundrechtsstandards umzusetzen.
Grieß: Okay, dann machen wir das mal, nicht die Achseln zu zucken, sondern gehen wir mal konkret rein. Wie könnte man das machen? Ist die Lösung womöglich am Ende, dass die Europäer die Bankenabwicklung, die Zahlungsströmabwicklung selber in die eigene Hand nehmen?
Weichert: Das ist sicher eine Möglichkeit. Ich denke, es ist sowieso klar, dass die US-Amerikaner die Auswertung nicht im europäischen Interesse, sondern im eigenen Interesse vornehmen, und wenn dabei etwas herauskommt, was für die Amerikaner und für die Europäer interessant sein könnte, dann geben die die Daten raus. Insofern ist es absolut sinnvoll, dass wir Europäer, aber dann, bitte schön, nach Grundrechtskriterien, verfahrensrechtlichen Vorsorgen, Rechtsschutzmöglichkeiten und so weiter und so fort dann auch entsprechende Analysen vornehmen.
Ob das was bringt, ist eine ganz andere Frage. Wir haben von Anfang an Zweifel, dass jetzt durch das Tracking, wirklich 100 Prozent der Übermittlungen und Transfers grenzüberschreitend zu analysieren, dass das gar nichts bringt, und die wenigen Erfolge, die vorgezeigt wurden, die bestätigen das.
Grieß: Herr Weichert, das Ganze steht natürlich auch im Zusammenhang in Straßburg im Europäischen Parlament mit den Datenschutzbestimmungen, die dort Anfang der Woche Thema waren. Ein Grundsatz soll künftig sein, dass die Verbraucher auch wissen können, wer welche Daten über sie hat. Das soll künftig für Daten gelten, die Facebook oder Google sammelt. Kann man einen ähnlichen Grundsatz auf Bankdaten anwenden?
Weichert: Absolut. Insbesondere dort, wo verdachtslos, voraussetzungslos Daten jetzt ausgewertet werden, haben die Bürgerinnen und Bürger, die in eine Rasterfahndung mit reingezogen werden, einen individuellen und insbesondere kollektiven, also einen demokratischen Anspruch darauf zu erfahren, was mit ihren Daten passiert, und haben zudem den Anspruch, dass hier eine hinreichende Kontrolle stattfindet.
Das war mit dem bisherigen SWIFT-Abkommen nicht gewährleistet, weshalb wir auch vor drei, vier Jahren das heftig kritisiert haben, als das geplant war. Ich denke, wenn jetzt hier die Notleine gezogen wird, ist das mehr als berechtigt.
Grieß: Jetzt haben wir leider nicht mehr sehr viel Zeit, Herr Weichert, 20 Sekunden noch. Deswegen kurze Frage: Wir haben über das Wünschenswerte bisher gesprochen. Sehen Sie auch den politischen Willen, die Abkommen entsprechend umzugestalten?
Weichert: Vonseiten der EU garantiert, vonseiten der USA garantiert nicht, und das ist eine Frage des diplomatischen Geschickes und dann auch des politischen Druckes, der ausgeübt werden muss auf die USA.
Grieß: Letzte Frage: auch vonseiten der Bundesregierung, der möglichen neuen?
Weichert: Die Bundesregierung war absolut unwillig und ist es auch weiterhin, Grundrechte vor Bündnistreue zu stellen, und ich befürchte, dass das in Zukunft sich nicht ganz grundlegend ändern wird.
Grieß: Thilo Weichert, der Datenschutzbeauftragte des Bundeslandes Schleswig-Holstein, heute Mittag bei uns im Deutschlandfunk. Herr Weichert, danke für das Gespräch und noch einen schönen Tag.
Weichert: Danke, wünsche ich Ihnen auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Am Telefon ist Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter in Schleswig-Holstein. Guten Tag!
Thilo Weichert: Ich grüße Sie.
Grieß: Ist ein entschlossenes Ja zum Datenaustausch nur noch in gebückter Haltung vor den USA möglich?
Weichert: Nein und teilweise dann doch wieder ja. Der Datenaustausch mit den USA bestand noch nie auf einer sauberen rechtlichen Grundlage, weil wir schon seit Jahrzehnten wissen und seit Jahren wissen, dass in den USA keine Datenschutzstandards bestehen, die unseren Vorstellungen hier in Europa und in Deutschland entsprechen. Auf der anderen Seite gibt es natürlich schon auch Gründe, jetzt die Daten mit den transatlantischen Partnern auszutauschen.
Aber das, was jetzt lange vermutet wurde und jetzt durch die Snowden-Enthüllungen offensichtlich ist, nämlich dass die USA-Behörden Daten in einer Art und Weise nutzen und missbrauchen, wie sie für uns absolut inakzeptabel ist, führt eigentlich ganz zwangsläufig dazu, dass wir jetzt diese Kooperationsabkommen kündigen müssen.
Grieß: Aber wir müssen schon noch festhalten, Herr Weichert, dass das ja alles Medienberichte sind, die zurückgehen auf Edward Snowden, den weder Sie noch ich noch viele andere seit vielen Wochen persönlich irgendwo gesehen haben.
Weichert: Das sind nicht nur Medienberichte, sondern das sind nicht dementierte Medienberichte und teilweise sogar bestätigte Medienberichte. Also man muss ganz klar sehen, dass die USA von sich aus solche Medienberichte nicht geschehen lassen würden, wenn sie nicht tatsächliche reale Hintergründe und nicht nur Hintergründe, sondern auch reale Fakten benennen.
Die Argumentation der Bundesregierung oder auch der EVP, das sei ja alles nicht bewiesen, ist leicht vorzubringen, weil natürlich alles, was die USA da machen, im absolut Geheimen stattfindet, keinerlei Rechtsschutz gewährleistet ist, keinerlei Rechtskontrolle, auch nicht durch unabhängige Datenschutzbeauftragte, und jetzt weiterhin, nachdem diese Vorwürfe bekannt geworden sind, dichtgemacht wird von den US-Behörden. Selbst der Bundesinnenminister ist ja mit leeren Händen zurückgekommen aus Washington, als er Informationen haben wollte. Hier wird ganz offensichtlich gemauert vonseiten der USA.
Grieß: Die Zusammenarbeit, Herr Weichert, die im Rahmen des SWIFT-Abkommens stattfindet, die soll ja – so steht es im Abkommen – kontrolliert werden von Beamten der europäischen Polizei, von Europol. Können die es nun nicht richtig, oder dürfen die es nicht richtig?
Weichert: Beides. Die Kontrolle, die die Europol-Beamten tatsächlich durchführen dürfen nach dem Abkommen und sollen, ist eine sehr reduzierte. Sie beschränkt sich sozusagen auf die Draufsicht, nicht auf die Analyse der konkreten Datenströme. Eine andere Kontrolle gibt es insgesamt nicht.
Hinzu kommt, dass Europol jetzt nun definitiv nicht der richtige Kontrolleur ist. Das ist zwar eine europäische Einrichtung, aber die haben genau das gleiche Interesse wie die NSA oder die anderen Sicherheitsbehörden in den USA, nämlich Terroristen zu fangen und nicht den Datenschutz zu verwirklichen. Insofern erhoffe ich mir von der Europol-Kontrolle nicht viel und tatsächlich findet sie auch nicht richtig statt, und selbst die Europol-Beamten scheinen auch viele Defizite festgestellt zu haben, die aber jetzt bisher noch nicht dazu geführt haben zu kündigen. Ich denke, die Kündigung ist nötig.
Grieß: Sie haben in der Vergangenheit das bestehende Abkommen, das SWIFT-Abkommen ja schon kritisiert, weil Sie gesagt haben, auch unter den Bedingungen des Abkommens ist es zu leicht für die US-Behörden, an die Daten heranzukommen, und da war noch gar nicht die Rede von Edward Snowden und von der NSA. Dann ist es doch ohnehin gleichgültig, was dort geschieht?
Weichert: (lacht) Nein. Für die Zukunft sollte der Datenschutz gewährleistet werden, auch wenn er in der Vergangenheit nicht gewährleistet war. Wir wissen, dass SWIFT ja seit 2003 abgehört wird oder abgegriffen wird. Das war ehemals eine US-Datenbank, die dann nach Europa transferiert wurde, um nicht mehr dem Zugriff zu unterliegen, und jetzt ist dieses Abkommen da. Ich denke, man sollte sich jetzt nicht einfach achselzuckend abwenden, sondern sollte versuchen, auch die USA unter Druck zu setzen, hier Grundrechtsstandards umzusetzen.
Grieß: Okay, dann machen wir das mal, nicht die Achseln zu zucken, sondern gehen wir mal konkret rein. Wie könnte man das machen? Ist die Lösung womöglich am Ende, dass die Europäer die Bankenabwicklung, die Zahlungsströmabwicklung selber in die eigene Hand nehmen?
Weichert: Das ist sicher eine Möglichkeit. Ich denke, es ist sowieso klar, dass die US-Amerikaner die Auswertung nicht im europäischen Interesse, sondern im eigenen Interesse vornehmen, und wenn dabei etwas herauskommt, was für die Amerikaner und für die Europäer interessant sein könnte, dann geben die die Daten raus. Insofern ist es absolut sinnvoll, dass wir Europäer, aber dann, bitte schön, nach Grundrechtskriterien, verfahrensrechtlichen Vorsorgen, Rechtsschutzmöglichkeiten und so weiter und so fort dann auch entsprechende Analysen vornehmen.
Ob das was bringt, ist eine ganz andere Frage. Wir haben von Anfang an Zweifel, dass jetzt durch das Tracking, wirklich 100 Prozent der Übermittlungen und Transfers grenzüberschreitend zu analysieren, dass das gar nichts bringt, und die wenigen Erfolge, die vorgezeigt wurden, die bestätigen das.
Grieß: Herr Weichert, das Ganze steht natürlich auch im Zusammenhang in Straßburg im Europäischen Parlament mit den Datenschutzbestimmungen, die dort Anfang der Woche Thema waren. Ein Grundsatz soll künftig sein, dass die Verbraucher auch wissen können, wer welche Daten über sie hat. Das soll künftig für Daten gelten, die Facebook oder Google sammelt. Kann man einen ähnlichen Grundsatz auf Bankdaten anwenden?
Weichert: Absolut. Insbesondere dort, wo verdachtslos, voraussetzungslos Daten jetzt ausgewertet werden, haben die Bürgerinnen und Bürger, die in eine Rasterfahndung mit reingezogen werden, einen individuellen und insbesondere kollektiven, also einen demokratischen Anspruch darauf zu erfahren, was mit ihren Daten passiert, und haben zudem den Anspruch, dass hier eine hinreichende Kontrolle stattfindet.
Das war mit dem bisherigen SWIFT-Abkommen nicht gewährleistet, weshalb wir auch vor drei, vier Jahren das heftig kritisiert haben, als das geplant war. Ich denke, wenn jetzt hier die Notleine gezogen wird, ist das mehr als berechtigt.
Grieß: Jetzt haben wir leider nicht mehr sehr viel Zeit, Herr Weichert, 20 Sekunden noch. Deswegen kurze Frage: Wir haben über das Wünschenswerte bisher gesprochen. Sehen Sie auch den politischen Willen, die Abkommen entsprechend umzugestalten?
Weichert: Vonseiten der EU garantiert, vonseiten der USA garantiert nicht, und das ist eine Frage des diplomatischen Geschickes und dann auch des politischen Druckes, der ausgeübt werden muss auf die USA.
Grieß: Letzte Frage: auch vonseiten der Bundesregierung, der möglichen neuen?
Weichert: Die Bundesregierung war absolut unwillig und ist es auch weiterhin, Grundrechte vor Bündnistreue zu stellen, und ich befürchte, dass das in Zukunft sich nicht ganz grundlegend ändern wird.
Grieß: Thilo Weichert, der Datenschutzbeauftragte des Bundeslandes Schleswig-Holstein, heute Mittag bei uns im Deutschlandfunk. Herr Weichert, danke für das Gespräch und noch einen schönen Tag.
Weichert: Danke, wünsche ich Ihnen auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.