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Dating-Apps für Muslime
Der Koran hat nichts dagegen

Das Internet spielt für Muslime bei der Partnersuche eine große Rolle. Man kann sich in Ruhe die Profile anschauen, verletzt dabei keine islamische Regel, hält sich nicht mit einem fremden Mann oder einer fremden Frau im gleichen Raum auf. Spezielle Dating-Apps werben damit, halal zu sein.

Von Kadriye Acar |
    Über die Dating-App Muzmatch kennengelernt, inzwischen verheiratet: ein englisches Paar im Greenwich Park
    Über die Dating-App Muzmatch kennengelernt, inzwischen verheiratet: ein englisches Paar im Greenwich Park (picture-alliance / dpa / Helen Corbett)
    "Ich heiße Aliyah, bin 30 Jahe alt, lebe in Deutschland, bin noch immer unverheiratet und auf der Suche nach einem Mann."
    "Ich heiße Zeynep, bin 29 Jahre alt und möchte jetzt eine feste Bindung. Jetzt ist die Zeit reif dafür."
    Die Schwestern Aliyah und Zeynep führen ein Leben, um das sie von vielen beneidet werden. Aus der ägyptischen Oberschicht stammend wurde ihnen jeder Wunsch erfüllt, sie besuchten die besten Schulen, führen ein privilegiertes Leben. Lange Jahre lebten sie in den Vereinigten Staaten und der Türkei. Vor einem Jahr zogen sie nach Deutschland und suchen über "Islamic Marriage", einer Webseite für heiratswillige Muslime, die es auch als App gibt, den Mann fürs Leben.
    Aliyah: "Wir sind mit dem Smartphone ständig unterwegs. Man chattet, kann entscheiden, wann man reingeht, ob man antwortet. Dann entscheiden, ob man sich trifft. Das Internet können die Eltern nicht kontrollieren."
    Zeynep: "Online ist wesentlich praktischer. Man kann anonym sich das Profil anschauen. Und wenn einer einem nicht gefällt, kann man aus dem Netz verschwinden oder das Profil löschen. Trifft man jedoch einen Heiratswilligen mehrmals persönlich, erwarten alle, dass man bald heiratet. Anders als im Netz muss man sich bei einem persönlichen Treffen vielleicht ein bis zwei Stunden mit jemandem quälen, damit es nicht zu peinlich ist, wenn man direkt weggeht."
    Unverheiratete unter Druck
    Mutter Sakina lässt die Töchter in vielem gewähren – aber beim Thema Online-Dating versteht sie keinen Spaß.
    Sakina Mounir: "Ich will auch, dass meine Töchter heiraten. Aber nicht übers Internet. Ich bin gegen das Online-Dating. So eine Ehe kann nicht funktionieren. Er wird sich im Internet ganz toll präsentieren, aber weiß man, ob das stimmt? Wir müssen doch seine Familie sehen, kennenlernen, wie soll das gehen? Bei der Ehe gibt es keine Alleingänge."
    Die fromme Frau kennt sich sehr gut mit den heiligen Schriften aus. Als ihr ihre Töchter erzählt haben, dass sie via Internet einen Mann suchen, hat sie im Koran recherchiert – aber nichts gefunden, das dagegen spricht. Sie hat ihnen "Das Buch der Ehe" von Al-Ghazali, vorgelegt. Das Standardwerk über die Ehe im Islam.
    Ghazali spricht sich dafür aus, dass die Familien in die Entscheidung über den zukünftigen Partner einbezogen werden. Nur so kann die Harmonie in der Ehe, der Familie gewahrt werden. Der Islam gibt der Frau das Recht, selbst entscheiden zu können, wann und wen sie heiratet. Ohne die Einwilligung der Frau darf eine Ehe nicht geschlossen werden. Aber der Druck auf die unverheirateten Töchter nimmt zu, je älter sie werden. Von freiwillig kann da keine Rede mehr sein.
    Aliyah: "Die Karriere ist mir wichtiger, aber wenn die Umgebung, deine eigene Familie Dir ständig sagt, dass Du heiraten sollst, dann kommt man irgendwann auch zu dem Schluss, dass man heiraten sollte. Wenn man nicht heiratet, ist es nicht schlimm. Aber dann denken die Menschen: was stimmt denn mit der nicht, dass sie nicht verheiratet ist, dass sie keiner genommen hat. Irgendwas ist mit der Frau nicht in Ordnung."
    Die beiden Schwestern arbeiten in leitenden Positionen bei einer Modekette. In Amerika hatten sie schon versucht, über "Minder", eine App für heiratswillige Muslime, den Mr. Right zu finden. In England richtet sich "muzmatch" an heiratswillige Muslime, in Deutschland ist es unter anderem "Islamic Marriage".
    Die Mutter soll es wissen, der Vater besser nicht
    Der Gründer von Islamic Marriage hat seine Frau selber über die eigene Seite kennengelernt. [*]
    "Ja, es war interessant, ich hatte es nicht vor. Nach viel Überredungskünsten von meinem engen Freundeskreis habe ich mich dazu breit schlagen lassen, habe sogar gesagt: Meldest Du dich für mich an? Dann habe ich es doch gemacht und habe meine Frau kennengelernt."
    Seine Frau erklärt: "Mir war es sehr wichtig, dass er praktizierender Moslem war. Das stand ganz oben auf meiner Liste. Es war auch einer der ersten Fragen, die ich ihm gestellt habe, wo wir uns kennengelernt haben. Ich weiß, dass es für mich das Richtige ist. Deswegen wollte ich auch einen Partner als praktizierenden Moslem. Für mich kam niemals was anderes infrage."
    Seit vier Jahren sind die beiden jetzt verheiratet. Aus einer konservativen türkischen Familie stammend gab es für die Konditorin nicht viele Möglichkeiten, einen Mann kennenzulernen. Nach konservativ-islamischem Verständnis sind die privaten Lebensbereiche von heiratsfähigen Männern und Frauen grundsätzlich getrennt; die Ehe ist der einzige Ort, an dem diese Trennung legitimerweise aufgehoben ist.
    Aber erst einmal dahin kommen. Das Internet hat bei der Partnersuche eine große Rolle. Man kann sich in Ruhe die Profile anschauen, verletzt dabei keine muslimische Regel, hält sich nicht mit einem fremden Mann im gleichen Raum auf. Den aufmerksamen Müttern entgeht zwar auch das nicht – aber diese Generation weiß nicht, ob das Internet halal oder haram ist. Also erlaubt oder verboten. Sie hoffen das Beste und vertrauen auf Allah. Die junge Muslimin sagt:
    "Meine Mutter hat es von Anfang an mitgekriegt. Aber ob es mein Vater jetzt weiß, weiß ich gar nicht. Ich weiß wirklich nicht, ob er jetzt Bescheid weiß. Meine Mutter hat es von Anfang an gewusst. Ich habe von Anfang an reinen Wein eingeschenkt. Habe ich gemeint, hör mal, ich habe da jemanden kennengelernt. Ja, von wo denn? Übers Internet. Nein, nicht schon wieder. Es gab irgendwie keine andere Möglichkeiten, von daher ..."
    "Frauen ergreifen die Initiative"
    Ihr Mann erklärt: "Besonders muslimische Frauen sind emanzipiert geworden. Im positiven Sinne emanzipiert. Also, die Erfahrung, die ich gemacht habe, dass Frauen immer mehr und mehr Initiative ergreifen. Sind trotzdem konservativ und sagen: Der Mann muss zwar den ersten Schritt machen, mich zu fragen, ob ich mich mit ihm treffen möchte. Aber sie gehen auch aktiv rein. Ich habe mittlerweile 40 Prozent Frauen in meiner Kartei drin und das sind Frauen, die bezahlen bei mir und gehen aktiv los und schreiben dem Bruder, dem Mann also, an."
    Weltweit sind 20.000 User bei Islamic Marriage angemeldet. 40 Prozent von ihnen leben in Deutschland. Die App funktioniert, wie alle Dating-Apps auch. Neben den Angaben zur Person und Religion, werden Familienwerte abgefragt, wie konservativ oder ultraliberal. Und dann die Religionszugehörigkeit. Samer Fahed sagt:
    "Islam sunnitisch natürlich, das sind so 80 Prozent, Schiiten haben wir 10 Prozent, andere haben wir auch, Ahmadiya, Wille zur Konvertierung, da haben wir fünf Prozent circa, zwei Prozent Christentum."
    Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen Gruppe – auch innerhalb des Islam – ist für die Schwestern Aliyah und Zeynep sehr wichtig.
    Aliyah: "Für Leute, die eine Minderheit in einem Land sind, kann die Suche nach einem Ehepartner mit derselben Religion, demselben kulturellen Hintergrund sehr schwer werden. Diese Apps ermöglichen, ernsthaft Interessierte zusammenzubringen. Denn die Kulturzugehörigkeit ist wichtig, das darf man nicht unterschätzen. Was aber nicht bedeutet, dass man direkt heiraten muss. Es ist einem ja selbst überlassen, ob man nun zusammenpasst oder nicht."
    Zeynep: "Die Ehe wird zwar zwischen zwei Individuen geschlossen, trotzdem ist das Einverständnis der Eltern sehr wichtig. Denn man bindet sich für ein ganzes Leben, da braucht man die Unterstützung der Familie. Und diese Unterstützung bekommt an eher, wenn der zukünftige Partner aus der gleichen Kultur ist, aus der gleichen Religion kommt. Dass er aus dem gleichen 'Teig' geformt ist."
    Anders als für die Mutter, spielt es für die Schwestern Zeynep und Aliyah keine Rolle, dass sie in einem fremden Land leben. Ihrer Erfahrung nach heiraten die meistens Menschen sowieso innerhalb ihrer eigenen Religion. Was sie aber nicht daran hindert, sich mit anderen Kulturen auszutauschen. Dank Internet ist die Welt – auf den ersten Blick – kleiner und übersichtlicher geworden.

    [*] Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Namen der Gesprächspartner auf Wunsch entfernt.