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Daub: Millenniumsziele nicht begraben

Beim Zugang zu Wasser, bei der Bildung und der Armutsbekämpfung ist die Weltgemeinschaft vorangekommen, findet Helga Daub (FDP). Die deutsche Regierung will nun auch Ausgaben für den Klimaschutz dem Entwicklungshilfeetat zurechnen. In New York beraten derzeit die UN über die Millenniumsziele.

Helga Daub im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 20.09.2010
    Tobias Armbrüster: Hochgesteckte, aber durchaus realistische Ziele waren es, die die Vollversammlung der Vereinten Nationen vor zehn Jahren im Jahr 2000 verabschiedet hat. Bis zum Jahr 2015 wollten die Mitgliedsländer erreichen, dass sich die Situation der Menschen in den Entwicklungsländern entscheidend verbessert. Unter anderem wollten sie die Zahl der Menschen in Armut und Hunger halbieren und auch die Kindersterblichkeit deutlich senken. Heute kommen nun die Staats- und Regierungschefs der UNO-Mitglieder erneut zusammen, um eine Zwischenbilanz zu ziehen und um einen Aktionsplan zu verabschieden, denn so wie es aussieht, wird keines der acht Millenniumsziele bis 2015 tatsächlich erreicht.
    Wie viel Spielraum hat die Bundesregierung also und warum erscheint der Kampf gegen Hunger und Armut in der Welt so schwer? - Darüber wollen wir mit Helga Daub sprechen. Sie ist Mitglied im Ausschuss für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Schönen guten Tag, Frau Daub.

    Helga Daub: Guten Tag, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Frau Daub, können wir die Millenniumsziele begraben?

    Daub: Aber nein, auf gar keinen Fall, und die Millenniumsziele gehen ja bis ins Jahr 2015, und es ist sehr begrüßenswert, dass man sich nach zehn Jahren trifft, um zu sehen, wo haben wir Erfolge zu verzeichnen, wo haben wir Defizite, wie müssen wir es jetzt treffsicherer machen, um in der Tat die Millenniumsziele bis 2015 zu erreichen.

    Armbrüster: Aber in keinem der acht Ziele sieht es ja bislang so aus, als ob sie über die Zielgerade kommen.

    Daub: Aber es gibt Millenniumsziele, wo wir schon sehr weit vorangekommen sind. Das ist der Zugang zu Wasser, das ist die Bildung, auch bei der Armutsbekämpfung. Also es gibt wirklich Ziele, wo wir schon weit vorangekommen sind. Bei anderen hat es sich in der Tat verschlechtert. Das findet zum Teil in Afrika statt, hat möglicherweise auch etwas damit zu tun, mit der Bevölkerungsentwicklung in Afrika. Das ist ja so ein bisschen, sage ich mal, der Hase und der Igel. Immer wenn man meint, man hat wieder etwas erreicht, hat die Bevölkerung schon wieder sehr zugenommen, und da müssen wir in der Tat sehr viel treffsicherer werden.

    Armbrüster: Aber die Bevölkerungsentwicklung wurde doch in den vergangenen Jahren ziemlich gut vorhergesagt.

    Daub: Richtig. Gleichwohl: Es war dann an manchen Stellen sicherlich nicht treffsicher genug.

    Armbrüster: Also ich meine, überraschend kann das nicht gekommen sein.

    Daub: Nein, überraschend ist das sicherlich nicht gekommen, und es überrascht auch nicht, dass wir bis zum Jahr 2050 neun Milliarden Menschen auf der Erde haben statt 6,1 bislang. Also da wird noch einiges auf uns zukommen. Es sind die Mittel sicherlich sehr viel in Zentren geflossen, sage ich mal, und weniger dort, wie in Afrika, in die Fläche hinein, wo man sehr viel mehr hineingehen muss.

    Armbrüster: Frau Daub, die Entwicklungsländer haben sich darauf verständigt, ihre Etats für Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen.

    Daub: Jawohl!

    Armbrüster: Deutschland hat diesen Wert noch nie erreicht. Auch in diesem Jahr werden wir bei 0,4 Prozent sein. Warum ist es so schwer, diese Zusage einzuhalten?

    Daub: Zunächst einmal muss ich an dieser Stelle sagen, dass der Haushalt im Regierungsentwurf 6,1 Milliarden Euro vorsieht und der einzige Haushalt ist - wir hatten ja Haushaltswoche letzte Woche -, der zumindest einen leichten Aufwuchs erfährt. Im Grunde genommen kann man sagen, das Vorjahresniveau gehalten, und Sie wissen ja auch, dass wir die Schuldenbremse haben, dass wir gezwungen sind, an einigen Stellen zu sparen. In diesem Haushalt ist nicht gespart worden, und das ist schon mal eine positive Botschaft.

    Armbrüster: Aber viele Leute werden sich fragen, Moment, 0,7 Prozent, das ist ein relativ kleiner Teil. Wieso kann man es nicht schaffen, von 0,4 auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu kommen?

    Daub: Wir haben ja noch fünf Jahre Zeit und dieses Ziel wird intensiv angenommen. Sie kennen ja die Aussage des Ministers, dass es schwer, aber sportlich ist, und die vorherige Regierung oder die vorherigen Regierungen - und ich nehme jetzt mal achteinhalb Jahre, seit man die Millenniumsziele formuliert hat, also von 2000 an - hatten ja Zeit, schon sehr viel mehr zu tun. Man kann nicht alles in einem Jahr schaffen.

    Armbrüster: Ist das also die Schuld der Großen Koalition, oder der rot-grünen Koalition?

    Daub: Rot-Grün und Schwarz-Gelb - - Nein, aber man hätte vielleicht früher schon gezielter und mehr machen können. Sie kennen die Lage, die wir jetzt in Deutschland haben. Die Finanzkrise hat im Übrigen auch hier durchgeschlagen. Es ist - und das sei an dieser Stelle noch mal gesagt - der einzige Haushalt, der nicht gekürzt wird für 2011, sogar einen leichten Aufwuchs erfährt.

    Armbrüster: Frau Daub, Ihre Regierungskoalition hat nun beantragt, die Ausgaben für den Klimaschutz ebenfalls in diese Ausgaben mit einzurechnen. Aber da bleibt die Frage, wie man eigentlich mit Klimaschutz in den nächsten fünf Jahren die Armut bekämpfen kann.

    Daub: Zunächst einmal ist das die Frage, wie man die ODA-Quote, die sogenannte ODA-Quote berechnet, also die öffentlichen Ausgaben, wie die eben in diese Quote einfließen.

    Armbrüster: ODA-Quote, das ist wieder diese Zahl, über die wir reden, über die 0,7 Prozent.

    Daub: Ja, genau. - ... , also wie die Mittel in diese ODA-Quote eben einfließen. Da gibt es durchaus Dinge, die man da mit hinzurechnen kann, und die Ausgaben für den Klimaschutz sind sicherlich Ausgaben, die man hier auch einrechnen kann. Wir wollen jetzt keine Taschenspielertricks machen, bei Gott nicht, aber es ist sicherlich auch eine Sache, was man in diese ODA-Quote einrechnet und was man nicht einrechnet.

    Armbrüster: Aber die Frage bleibt: Wie kann man mit Klimaschutz allein Armut bekämpfen, Hunger bekämpfen, Leute aus der Armut rausholen?

    Daub: Klimaschutz gibt zumindest den Menschen vor Ort, dort wo wir die Probleme haben, wo wir die klimatischen Veränderungen haben und jetzt einiges tun, in der Hoffnung, dass noch sehr viel zu retten ist - deshalb unternehmen wir ja sehr viel in Richtung Klimaschutz, damit es in diesen Regionen die Trockenheit, die Dürre, diese ganzen Dinge, die Überschwemmungen - - Ich meine, man braucht ja nur das Fernsehen anmachen, die Medien lesen, um zu wissen, was da inzwischen los ist. Und wenn es gelingt, einiges dadurch mit Klimaschutz zu mildern, dann ist das doch eine sehr gute Sache.

    Armbrüster: In New York kommen heute die Staats- und Regierungschefs der UNO zusammen, um über die sogenannten Millenniumsziele zu beraten. Wir sprachen darüber mit Helga Daub, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Deutschen Bundestag. Danke für das Gespräch, Frau Daub.

    Daub: Ja. Danke, Herr Armbrüster.