Dienstagmorgen in der Kirchstraße in Saarbrücken Brebach. Es ist sieben Uhr und in der Wohnstraße, die zum Werksgelände von Halberg Guss führt, sind die Halberger schon zu hören: Sie singen ihr Lied, eingeübt in fünf langen Wochen Streik: "Für unsere Arbeit kämpfen wir – keiner schiebt uns weg! So wie ein Baum, der ständig steht am Wasser, keiner schiebt uns weg …"
Für die etwa 2.000 Beschäftigten des Automobilzulieferers in Saarbrücken und Leipzig geht es um viel. Der neue Eigentümer, die Prevent–Gruppe, möchte den Standort Leipzig Ende des kommenden Jahres komplett schließen und Saarbrücken verkleinern. Insgesamt sollen etwa 750 Arbeitsplätze wegfallen.
An der Eskalationsschraube gedreht
Vermeidbar sei das, argumentieren die Beschäftigten. Prevent müsse mit den Auftraggebern, darunter Automobilkonzerne wie VW, Daimler und Opel, nur weiterhin ordentlich zusammenarbeiten. Aber Prevent – ein internationaler Mischkonzern, dessen Geschicke von der bosnischen Familie Hastor gelenkt werden, habe das Tischtuch mit VW bewusst zerschnitten, die Geschäftsführung gefährde mit überzogenen Preisforderungen die Existenz des Unternehmens.
"Die waren noch keine zwei Tage hier, da haben sie schon die Lieferungen an VW eingestellt und haben VW mit erhöhen Preisen erpresst", sagt Volker Görgen. Er ist seit 40 Jahren im Unternehmen, er weiß, dass Halberg Guss nicht nur gute Zeiten gesehen hat.
Häufige Eigentümer- und Strategiewechsel waren für den Hersteller von Motorblöcken an der Tagesordnung. Aber jetzt werde das letzte Vertrauen verspielt, so Görgen: "Es wird schwer, durch den Streit mit VW, den die Prevent-Gruppe führt, überhaupt noch irgendetwas von VW zu bekommen. Und das sind 52 Prozent unserer Tonnage. Und wenn die weg sind, dann kann man sich ja vorstellen, was dann passiert."
Wer an der Eskalationsschraube gedreht hat, ob nur Prevent oder auch VW, das lässt sich nicht abschließend klären. Fest steht allerdings, dass Prevent nicht den ersten Konflikt mit dem größten Autobauer der Welt auf dem Rücken der Beschäftigten austrägt, und Unternehmen, die von der Gruppe übernommen werden, ohne mit der Wimper zu zucken in den Ruin führt, wenn VW sich ihren Forderungen nicht beugt.
Pfeifkonzert für den Geschäftsführer
Das sei jedem Mitarbeiter bei Halberg Guss bewusst, sagt Patrick Hallmann: "Das ist einfach nur riesiges kapitalistisches Interesse, die wollen einfach schnell Kohle verdienen, und dann lassen sie verbrannte Erde zurück, das ist schlimm, ganz schlimm."
Denis Legerini, einer der vielen Franzosen bei Halberg, stimmt zu: "Was jetzt da passiert, haben wir noch nie gesehen, so ein Miststück, das nach hier kommt, alles niederlegt, nur um sich die Säcke vollmachen, das ist echt eine Schweinerei."
Während er dieses harte Urteil fällt, erhebt sich bei der Kundgebung vor Tor eins ein Pfeifkonzert. Einer der beiden Geschäftsführer wechselt die Straßenseite vom Werk ins Verwaltungsgebäude, er würdigt die Streikenden keines Blickes und sucht auch nicht das Gespräch. Man gibt sich unnahbar.
Das hätten sie nicht verdient, sagt Arsène Asfeld: "Ja, das ist eine neue Qualität, 1984 hab ich angefangen, dann haben sie die Chefs gewechselt, dann sind sie uns ans Geld, ans Urlaubsgeld, das Weihnachtsgeld, dann haben wir auf Stundenlöhne abgeben müssen, dann sind wir in Insolvenz gegangen später, dann haben wir den Laden richtig rausgerissen, mit samstags, sonntags, feiertags geschafft. Wir haben gekämpft und gekämpft ohne Ende."
Der Streik lässt Kräfte schwinden
Die Gewerkschaft will sich nicht abspeisen lassen, sie möchte über einen Sozialtarifvertrag verhandeln, über Abfindungen, über eine Transfergesellschaft. Finanziert werden soll das Ganze über einen treuhänderisch verwalteten Fonds, der nach Vorstellungen der IG Metall mit 700 Millionen Euro gespeist werden soll - aus Sicht des Unternehmens völlig utopisch.
Die Fronten sind verhärtet, die Positionen weit auseinander. Aber die Idee der Geschäftsführung, den Streik per Gerichtsentscheid zu beenden, scheiterte diesen Montag auch in letzter Instanz vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht in Frankfurt.
Die Moral der Leute, ob in Leipzig oder Saarbrücken, sei ungebrochen, sagt der Betriebsratsvorsitzende Bernd Geier: "Wir geben nicht nach, weil wir hier arbeiten wollen. Halberg ist wie eine große Familie, man zankt, man streitet, am verträgt sich. Die meisten von uns sind 20, 30, 40, 45 Jahre bei uns, und das verbindet."
Aber nach 32 Tagen Streik schwinden die Kräfte, räumt Geier ein: "Natürlich ist es schwer und es ist auch kräftezehrend, früh, Mittag, Nacht, Streikposten. Ist schon schwer, aber die Moral ist noch da."
Familienväter unter Druck
Wer Mitglied in der Gewerkschaft ist und regelmäßig Beiträge entrichtet, ist über Streikgeld abgesichert, aber wer nicht Mitglied der IG Metall ist, der ist auf die Solidarität der anderen angewiesen. Die Bereitschaft, in die Streikkasse einzuzahlen, sei nach wie vor hoch, sagt Patrick Hallmann: "Es nicht so, dass sie prall gefüllt wäre. Die Leute geben, was sie geben können, es ist ein Tropfen auf den heißen Stein, aber es hilft."
Trotz der Geschlossenheit der Belegschaft - fünf Wochen zerren an den Nerven nicht nur bei Familienvater Patrick Hallmann: "Ich sitze als Ernährer der Familie da und habe Zukunftsängste, wo ich mir überlegen muss, was mache ich, wie geht es weiter."
Eine andere Mitarbeiterin sagt: "Katastrophe, Katastrophe ist das, am schläft halt nicht, ist angespannt", und ein Beschäftigter gibt zu bedenken: "Uns Alten passiert nicht mehr viel, aber die Jungen, die wollen doch auch noch schaffen."
Die Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und Geschäftsführung werden, sollten sie denn nun endlich ernsthaft geführt werden, nicht einfach.