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Dave Grohl-Film "What drives us"
Hommage an den Bandbus

So mancher Musiker und manche Musikerin denkt nostalgisch an die Zeit vor dem Durchbruch zurück, als man dicht gedrängt im Kleinbus von einer Stadt in die nächste gerattert ist. Dave Grohl, Sänger und Gitarrist der Foo Fighters, hat über diese Erfahrung einen Film gemacht. Abgefahren!

Von Kai Löffler |
Ein roter Tourbus steht am Straßenrand.
In diesem Bus ging Rio Reiser in den 80er-Jahren auf Tour – Chris Hahne war mit dabei. (Chris Hahne/ Frans Angevaare)
Achtung, Dave Grohls neuer Film dreht sich nicht etwa um den Tourbus, sondern um den Transporter. Auf Englisch ist das der "Van", sein großer Bruder heißt "Bus". Letzterer ist für solche Bands reserviert, die es geschafft haben. Üppiger Fußraum, separate Ladefläche und - in manchen Fällen - sogar eine Toilette. Für Musiker, die dagegen in einem vollbeladenen Kleinbus unterwegs sind, ist solcher Luxus eine unerreichbar entfernte Utopie.
Ringo Starr: "I think it's great for a band in the van, because you get to know each other, you're locked in. You know, I think that was part of us coming together... as the song says."
Über diese bescheidenen Anfänge vieler Bands spricht Dave Grohl mit so unterschiedlichen Musikern wie Ringo Starr, The Edge von U2, Ian Mackaye von Fugazi, Kira Roessler von Black Flag und D.H. Peligro von den Dead Kennedys, um nur einige zu nennen. Flea ist dabei, außerdem Slash und auch sein Guns 'N Roses Bandkollege Duff McKagan, der auf seine alten Tage immer mehr aussieht wie David Bowie. Und Lars Ulrich, der allerdings zum Thema des Films nicht viel beitragen kann:
Lars Ulrich:" I realized, I actually never toured in a van. So... can I go now?"
Macht nichts, denn "What Drives Us" geht weit über die Minibus-Erfahrung hinaus. So weit, dass auch "Hölzchen auf Stöckchen - der Film" ein passender Titel gewesen wäre. Thema verfehlt? Nicht ganz, denn die Phrase "What Drives Us" hat noch eine zweite Bedeutung: Sie beschreibt neben dem Fahrzeug, das Menschen von A nach B bringt, auch den inneren Antrieb: Die schwer zu fassende Kraft, die Musiker aus der bürgerlichen Existenz in den Proberaum hinein und vor allem Abend für Abend auf die Bühne treibt. Besonders gut illustriert das AC/DC Sänger Brian Johnson, der als Jugendlicher in einer Fabrik gearbeitet hat, bis ihm irgendwann aufgegangen ist, dass er mehr vom Leben will.
Brian Johnson: "I didn't know I could sing. I wanted to be a drummer. And then I went to see how much a kit of drums was. And that was the end of that dream, It was just ridiculous..."
Johnson ist ein toller Erzähler, und in Grohls Film ist er damit in guter Gesellschaft. Ob Flea oder Peligro, für die Musik ein Ausweg aus einem gewalttätigen Elternaus war, oder Annie Clark alias St. Vincent.

Liebesbrief an die goldene Ära des Rock 'n' Roll

St. Vincent: "This is my new reality. I sit in a fart van. And get to Baltimore, and play for the bar staff. It's awesome..."
Mangelhaft belüftete Transporter und ein Bandmitglied mit Blähungen sind eine Erfahrung, die Clark zum Beispiel mit Ringo Starr und Brian Johnson teilt. Auch wenn Grohls Film von Thema zu Thema springt, findet er immer gleich mehrere Musiker, die etwas zu erzählen haben - ob zum Thema Fernweh, Rassismus, Nahtod-Erfahrungen oder die verklärte Sehnsucht nach einer vergangenen Zeit.
Ben Harper: "The guys I was in the van with twenty years ago are still my band. And I don't know if they would be if we didn't have that experience together."
Der Anker, der den Film zentriert ist aber der "Tour Van". Die drei Brüder von "Radkey" sind mit ihm unterwegs, mit dem Vater als Manager und Fahrer, Aerosmith Sänger Steven Tyler benutzt seinen als exotische Kulisse und Dave Grohl selber hat seinen ersten - und inzwischen klapprigen - Minibus zweieinhalb Jahrzehnte später zurückgekauft.
Dave Grohl: "... and every time I take a right, I feel like I'm going to fall out the door. Didn't used to be like that."
"What Drives Us" ist in erster Linie eine charmante Sammlung persönlicher Geschichten aus dem Musiker-Leben, die immer mal wieder auf den Tourbus zurückkommen. Dabei bekommt man das Gefühl, dass der Film Punk sein, einen rebellischen, ungezügelten "Geist" einfangen möchte. In seinen 80 Minuten macht er aber manchmal derart ausschweifende Schlenker, dass er mehr mit einer langen Improvisation von Hawkwind oder Iron Butterfly gemeinsam hat als mit einem Dead Kennedys.

Nett, aber nicht ganz unbescheiden

Anthony Kiedis: "There is no pain when you're on stage. The pain comes during life. And that's the place to fucking exorcize the pain out of your body."
Dabei setzt Dave Grohl neben dem Minibus auch immer wieder seine eigene Band, die Foo Fighters, in Szene. Er mag der netteste Mann des Rock'n'Roll sein, aber nicht unbedingt der Bescheidenste. Dem Film schadet das aber nicht. Der funktioniert vor allem als Liebesbrief an die goldene Ära des Rock 'n' Roll, und je nachdem wer gerade erzählt, ist die längst vorbei, hält bis heute an, oder aber sie existiert nur in den romantischen Vorstellungen der Musiker.
Musik: "Learn to Fly"
Wer sich mit Dave Grohl in den Kleinbus setzt, muss sich darauf einstellen, dass die Fahrt zu keinem Ziel führt - sondern sich 80 Minuten im Kreis dreht. Dabei entstehen ab und zu Längen, und manchmal möchte man das Fenster runterkurbeln, aber glücklicherweise sind die Mitreisenden so interessant, dass man am Ende für jede Umdrehung dankbar ist. Jetzt müsste nur auch die Branche endlich wieder losrollen.