Die EU fühle sich manchmal an, "wie ein großer Tanker ohne Steuermann, dessen Kurs man nur durch Gewichtsverlagerung ändern könne" - ein Zitat des Grünen-Abgeordneten Jan Philipp Albrecht, der als Berichterstatter des EU-Parlaments einen Konsens zur Datenschutzgrundverordnung zustande bringen sollte. Das hat er auch geschafft - und der lange Prozess der Verhandlungen, Diskussionen und Kompromisse wurde zudem begleitet vom Schweizer Filmemacher David Bernet. "Democracy - im Rausch der Daten", heißt die preisgekrönte Dokumentation.
Wie dieser Apparat funktioniert
Er habe wissen wollen: "Wie funktioniert dieser Apparat" der EU, der von vielen als große Blackbox, als ein schwer bewegliches Ungetüm, empfunden werde, sagte David Bernet im Deutschlandfunk. Ein Ungetüm, das verschiedenste Lobbys, Gesetzgeber unterschiedlicher politischer Ausrichtungen und Staaten formen. Natürlich seien das komplexe Prozesse, die dort ablaufen, aber "Komplexität ist nicht nur ein Nachteil, sondern etwas, was wir erfunden haben, um uns nicht gegenseitig die Köpfe einzuschlagen", sagte Bernet.
Was die Rolle von Kunst und Kultur angehe, die in Initiativen wie "Eurolab" oder "The European Balcony Project" für ein positives Europa-Gefühl werben, so seien deren Einflussmöglichkeiten begrenzt. Er selbst habe erst in Vorbereitung zu diesem Interview einige der Projekte entdeckt. Das Problem sei, dass nur eine bestimmte Klientel angesprochen werde - der Filmemacher meinte: "Wir haben keine gemeinsame Öffentlichkeit in Europa."
Wir haben noch länger mit David Bernet gesprochen -
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Die Entwicklungen im Wahljahr 2019 sehe er kritisch, ihn besorge die Zunahme von nationalistischen Gruppieren, was letztlich auch zu einem Reformstau führen könne. Allerdings sehe er einen Rückzug auf die nationale Integrität nicht als Argument gegen die EU, denn: "Die nationale Selbstvergewisserung ist Teil der EU und macht sie erst möglich. Dasselbe als Gegenargument zu verwenden, ist abstrus", so David Bernet im Deutschlandfunk. Dennoch: "Wir müssen mit Mehrheiten leben, die nicht die unsrigen sind."
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.