Im schimmernden Anzug steht Hans Petter Melø Dahl, norwegischer Sänger, Komponist und Performer, auf der Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses für den Titelsong "Lazarus". Eine Mischung aus David Bowie und dessen Rolle, Thomas Newton, im Film "Der Mann, der vom Himmel fiel". Ein Mann, der nicht zurückkann zu seinem Heimatplaneten und einem von Liebe bestimmten Leben. Sterben auf der Erde kann er aber auch nicht, nur seine irdischen Weggefährten altern. Die Zeit will für Thomas Newton, den Alien, nicht vergehen.
"Look up here, I'm in heaven / I've got scars that can't be seen"
Es lässt sich kaum ausblenden, dass Bowie wusste, dass er an Krebs sterben würde.
"I've got drama, can't be stolen / Everybody knows me now" (Song: Lazarus)
Bowie selbst hat sich mit Newton sehr identifiziert. Und sollte in diesem Film auch nichts anderes als er selbst sein. Das reichte schon, um einen Alien darzustellen. Das Musical setzt den Film fort, und das bedeutet: Es passiert ... nichts.
Auferstehung durch Vorstellungskraft
Thomas Newton ist in seinem Appartement gefangen. Und noch viel mehr in seinem Kopf. Dort spielt sich ein Großteil der Bühnenhandlung ab, die Grenzen sind nicht immer klar erkennbar. Von dort geistern Figuren wie das "Girl" durch die Szenerie. Es schürt Hoffnung.
"Ich bin hier, um Sie aus Ihrer Wohnung hinaus zurück auf Ihren eigenen Planeten zu bringen. Ich finde, wir sollten eine Rakete bauen."
"Oh, verflucht. Woraus sollen wir denn eine Rakete bauen?"
"Ach, aus irgendwas."
"Also, keine Rakete, die mich tatsächlich durchs Weltall bringt."
"Oh, verflucht. Woraus sollen wir denn eine Rakete bauen?"
"Ach, aus irgendwas."
"Also, keine Rakete, die mich tatsächlich durchs Weltall bringt."
Er tötet das helle Wesen. Es wird wieder auferstehen, durch Newtons reine Vorstellungskraft. Mit "Lazarus" trägt das Musical den Namen eines biblischen Protagonisten, den Jesus von den Toten auferweckt. Bowie und Co-Autor Walsh haben zwei Ebenen à la Shakespeare eingezogen:
Während die traurig-vergebliche Beziehung zwischen Newtons Assistentin und ihrem Mann komische Buffo-Züge aufweist, durchlebt Newton die Tragik, ewig seiner menschlichen Geliebten Mary Lou und seiner Heimat hinterher zu trauern.
Das ganze Appartement hat Bühnenbildner Volker Hintermeier wie ein Raumschiff gestaltet, und am Ende hebt die Kuppel ab. Darunter, im Nebel der Düsen, windet sich der Mörder Valentine, ein böser Todesengel auf Plateau-Stilettos, der sich bei Newton-Bowie eingenistet und seine schwarzen Flügel entfaltet hat. Jetzt lässt er Federn.
17 Songs in zwei Stunden
André Kaczmarczyk singt und spielt Valentine außerordentlich gut. Überhaupt sind alle Ensemblemitglieder gute Sänger. Die Bandmitglieder werden bei einem Solo in warmes Licht getaucht. Am Ende applaudiert das Düsseldorfer Publikum vor Begeisterung lange stehend. Es hat einen Bowie-Hit nach dem anderen erlebt, 17 Songs folgen in zwei Stunden ohne Pause Schlag auf Schlag, und alles ist für sich genommen perfekt - Gesang, Video, Bühne, Schallalalalala...
Nur oft zu schnell. Und etwas fehlt. Hans Petter Melø Dahl kommt als Hauptdarsteller nah dran, an Melancholie und Fremdheit. Oder André Kaczmarczyk mit seinem Spaß am Bösen an Mehrdeutigkeit und Grenzüberschreitung, zwischen Gut und Böse, Mann und Frau, Traum und Wirklichkeit, Fabelwesen und Mensch.
Aber die Inszenierung von Matthias Hartmann ist unkompliziert, eher platt und immer wieder auch kitschig, dabei übrigens dicht an der Vorlage von Bowie und Walsh. Es kommt der Verdacht, dass das Publikum vor allem feiert, was es schon kennt.
Bowie verkörperte eigentlich das Gegenteil, "Kaleidoskop" nennt ihn der Pop-Journalist Tobias Rüther. Aber wer soll das darstellen können.
Bowie verkörperte eigentlich das Gegenteil, "Kaleidoskop" nennt ihn der Pop-Journalist Tobias Rüther. Aber wer soll das darstellen können.