Stefan Heinlein: Downing Street Nr. 10, die Adresse des britischen Premierministers und seit 13 Jahren fest in der Hand der Labour Party. Doch jetzt könnte es einen Mieterwechsel geben, morgen wird in Großbritannien gewählt und in allen Umfragen haben die konservativen Tories die Nase vorn. Allerdings: trotz des lupenreinen Mehrheitswahlrechtes könnte es eng werden für Parteichef David Cameron. Eine absolute Mehrheit ist nicht sicher.
Über den britischen Wahlkampf möchte ich jetzt reden mit dem CDU-Partei- und –Fraktionsvorsitzenden in Niedersachsen, David McAllister. Guten Morgen!
David McAllister: Guten Morgen!
Heinlein: Ihr Name, Herr McAllister, verrät es: Sie haben britische, genau genommen schottische Wurzeln und am vergangenen Wochenende waren Sie unterwegs auf der Insel, um vor Ort Eindrücke vom Wahlkampf zu sammeln. Hat Sie beeindruckt, was Sie gesehen und erlebt haben?
McAllister: Es ist unglaublich spannend in dieser heißen Wahlkampfphase. Ich war von Freitag bis Sonntag in London, habe mir dort den Wahlkampf der Konservativen angeschaut, und die Engländer sagen, "It's to close to call", und so ist es auch: Es wird ein wahres Herzschlagfinale. Der Wahlkampf wird auf hohem Niveau geführt und insbesondere die drei TV-Debatten haben doch zu einem großen Interesse in der englischen und britischen Gesellschaft geführt.
Heinlein: Auf hohem Niveau dieser Wahlkampf, sagen Sie, und die britischen Zeitungen, die britischen Medien beziehen ja klar Stellung, ganz offen für oder gegen einen Kandidaten. Wie gefällt Ihnen dieses Verhalten der Medien?
McAllister: Das ist eine übliche Tradition in Großbritannien, dass kurz vor der Wahl fast alle Zeitungen sich für einen Kandidaten und für eine Partei aussprechen. So etwas kennen wir in Deutschland nicht und man sollte auch nicht jede Tradition aus Großbritannien nach Deutschland übertragen. Aber auffällig ist, dass viele Zeitungen, die beim letzten Mal noch für Gordon Brown und für Labour sich ausgesprochen haben, beziehungsweise damals noch für Blair, sich jetzt doch eindeutig für Cameron und die Tories positionieren.
Heinlein: Was wir hier in Deutschland auch nicht kennen, ist das lupenreine britische Mehrheitswahlrecht. Es sorgt in der Regel für klare Mehrheiten. Halten Sie dieses System insgesamt für gerechter und für besser?
McAllister: Das Mehrheitswahlrecht ist britische und angelsächsische Tradition und die ganz überwiegende Mehrheit der Briten will daran auch nicht rütteln, und normalerweise führt auch dieses Mehrheitswahlrecht zu klaren Verhältnissen, wenn zwei starke Parteien vorhanden sind. Dadurch, dass wir jetzt in diesem Wahlkampf drei in etwa gleich starke Parteien haben, kann es möglicherweise morgen zu ganz ungewöhnlichen Ergebnissen kommen.
Heinlein: Halten Sie es denn für möglich, dass nach diesen Wahlen das Wahlsystem verändert und reformiert werden könnte? Diese Diskussion, wenn ich es richtig einschätze, hat ja in Großbritannien schon begonnen.
McAllister: Ich glaube das eher nicht, denn sowohl die Konservative, wie die Labour Party sind grundsätzlich für die Beibehaltung des Mehrheitswahlrechts. Das ist eher ein Thema der Liberal-Demokraten. Das könnte höchstens ein Thema sein, wenn es zu einer Koalitionsregierung unter Beteiligung der Liberal-Demokraten kommen würde, denn die würden das sicherlich zur Bedingung machen, dass es behutsame Änderungen im Mehrheitswahlrechtssystem gibt.
Heinlein: Wäre es denn gut oder schlecht für die britische Demokratie, wenn es diesmal zu einer Koalition kommen könnte, denn das gab es bisher ja nur einmal in der britischen Nachkriegsgeschichte?
McAllister: Die Briten haben aufgrund der Erfahrung des Wahlsystems halt keine praktischen Erfahrungen mit Koalitionsregierungen. Das was bei uns in der Bundesrepublik im Regelfall der normale Zustand ist, dass es nach einer Wahl keine absolute Mehrheit einer Partei und einer Fraktion gibt, das wird in Großbritannien als Hung Parliament bezeichnet. Man muss sehen, wie das dann läuft.
Ich glaube auch, dass der Wahlausgang noch lange nicht entschieden ist. Es gibt mehrere Optionen, dass es eine absolute Mehrheit der Konservativen gibt, es könnte auch eine Koalitionsregierung geben, nicht unbedingt nur unter Beteiligung der Liberal-Demokraten - es gibt auch noch andere Koalitionspartner für Labour und für die Tories – bis hin zu einer Minderheitenregierung. Großbritannien hat große Erfahrung mit unterschiedlichen Modellen. Aber es könnte sein, dass es ab morgen Abend doch etwas ganz Neues im britischen politischen System der letzten Jahrzehnte geben wird, nämlich eine Koalitionsregierung.
Heinlein: Sie haben während Ihres Besuches auf der Insel, Herr McAllister, auch mit dem Parteichef der Konservativen, David Cameron, sprechen können. Er ist ja ähnlich jung wie Sie, erst 43 Jahre alt und international eher unerfahren. Hat er denn das Zeug, um Großbritannien aus der tiefen wirtschaftlichen Krise zu führen?
McAllister: In jedem Fall. David Cameron ist eine faszinierende Persönlichkeit und hat in den letzten Jahren die britischen Konservativen in beeindruckender Art und Weise modernisiert. Die britischen Konservativen waren ja nach den nacheinander mehrfach stattfindenden Wahlniederlagen in einem doch sehr, sehr schwierigen, zum Teil auch deprimierenden Zustand, und er hat diese Partei inhaltlich modernisiert, insbesondere in der Familienpolitik, in der Umweltpolitik und in der Integrationspolitik, und er hat darüber hinaus dieser Partei auch ein neues Gesicht gegeben, mit ihm an der Spitze selbst, aber auch mit vielen neuen Kandidaten, insbesondere mehr Frauen und Kandidaten mit Migrationshintergrund. Ich traue ihm das absolut zu und er wird ein guter britischer Minister werden. Ich persönlich drücke ihm von Herzen die Daumen.
Heinlein: Die Partei – Sie haben es beschrieben, Herr McAllister – ist ja das eine, aber die praktische Regierungspolitik das andere, und seine Aufgabe ist ja, Großbritannien aus dieser tiefen wirtschaftlichen Krise zu führen. Wird die künftige Devise sein nach Winston Churchill, "Blut, Schweiß und Tränen für die Briten"?
McAllister: Großbritannien steckt in einer sehr, sehr schwierigen Situation. Die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise hat dieses Land sehr viel härter getroffen als uns beispielsweise in Deutschland. Und egal wer die nächste Wahl gewinnt, die notwendige Haushaltskonsolidierung wird sehr, sehr große Anstrengungen von allen Beteiligten abfordern. Nicht ohne Grund fordern die Tories, innerhalb der ersten 50 Tage nach der Wahl einen Nothaushalt vorzulegen mit einem Einsparvolumen von mehreren Milliarden Pfund. Derjenige, der der nächste britische Premierminister wird, steht vor riesigen Herausforderungen. Das werden auch zum Teil sehr unpopuläre Entscheidungen sein, die die Regierung zu treffen hat, aber sie sind notwendig.
Heinlein: Könnte dann der Stern von David Cameron rasch verblassen?
McAllister: Es kommt in der Politik darauf an, das zu tun, worauf es ankommt, und nicht das zu tun, was gerade ankommt, und wenn David Cameron es schafft, in welcher Regierungskonstellation auch immer, dieses Land zu neuer wirtschaftlicher Stärke zu führen und den Haushalt zu konsolidieren, dann kann er als einer der ganz großen Premierminister der Nachkriegsgeschichte dann auch in Großbritannien in beispielloser Art und Weise Geschichte machen.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der niedersächsische CDU-Partei- und –Fraktionsvorsitzende David McAllister. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Über den britischen Wahlkampf möchte ich jetzt reden mit dem CDU-Partei- und –Fraktionsvorsitzenden in Niedersachsen, David McAllister. Guten Morgen!
David McAllister: Guten Morgen!
Heinlein: Ihr Name, Herr McAllister, verrät es: Sie haben britische, genau genommen schottische Wurzeln und am vergangenen Wochenende waren Sie unterwegs auf der Insel, um vor Ort Eindrücke vom Wahlkampf zu sammeln. Hat Sie beeindruckt, was Sie gesehen und erlebt haben?
McAllister: Es ist unglaublich spannend in dieser heißen Wahlkampfphase. Ich war von Freitag bis Sonntag in London, habe mir dort den Wahlkampf der Konservativen angeschaut, und die Engländer sagen, "It's to close to call", und so ist es auch: Es wird ein wahres Herzschlagfinale. Der Wahlkampf wird auf hohem Niveau geführt und insbesondere die drei TV-Debatten haben doch zu einem großen Interesse in der englischen und britischen Gesellschaft geführt.
Heinlein: Auf hohem Niveau dieser Wahlkampf, sagen Sie, und die britischen Zeitungen, die britischen Medien beziehen ja klar Stellung, ganz offen für oder gegen einen Kandidaten. Wie gefällt Ihnen dieses Verhalten der Medien?
McAllister: Das ist eine übliche Tradition in Großbritannien, dass kurz vor der Wahl fast alle Zeitungen sich für einen Kandidaten und für eine Partei aussprechen. So etwas kennen wir in Deutschland nicht und man sollte auch nicht jede Tradition aus Großbritannien nach Deutschland übertragen. Aber auffällig ist, dass viele Zeitungen, die beim letzten Mal noch für Gordon Brown und für Labour sich ausgesprochen haben, beziehungsweise damals noch für Blair, sich jetzt doch eindeutig für Cameron und die Tories positionieren.
Heinlein: Was wir hier in Deutschland auch nicht kennen, ist das lupenreine britische Mehrheitswahlrecht. Es sorgt in der Regel für klare Mehrheiten. Halten Sie dieses System insgesamt für gerechter und für besser?
McAllister: Das Mehrheitswahlrecht ist britische und angelsächsische Tradition und die ganz überwiegende Mehrheit der Briten will daran auch nicht rütteln, und normalerweise führt auch dieses Mehrheitswahlrecht zu klaren Verhältnissen, wenn zwei starke Parteien vorhanden sind. Dadurch, dass wir jetzt in diesem Wahlkampf drei in etwa gleich starke Parteien haben, kann es möglicherweise morgen zu ganz ungewöhnlichen Ergebnissen kommen.
Heinlein: Halten Sie es denn für möglich, dass nach diesen Wahlen das Wahlsystem verändert und reformiert werden könnte? Diese Diskussion, wenn ich es richtig einschätze, hat ja in Großbritannien schon begonnen.
McAllister: Ich glaube das eher nicht, denn sowohl die Konservative, wie die Labour Party sind grundsätzlich für die Beibehaltung des Mehrheitswahlrechts. Das ist eher ein Thema der Liberal-Demokraten. Das könnte höchstens ein Thema sein, wenn es zu einer Koalitionsregierung unter Beteiligung der Liberal-Demokraten kommen würde, denn die würden das sicherlich zur Bedingung machen, dass es behutsame Änderungen im Mehrheitswahlrechtssystem gibt.
Heinlein: Wäre es denn gut oder schlecht für die britische Demokratie, wenn es diesmal zu einer Koalition kommen könnte, denn das gab es bisher ja nur einmal in der britischen Nachkriegsgeschichte?
McAllister: Die Briten haben aufgrund der Erfahrung des Wahlsystems halt keine praktischen Erfahrungen mit Koalitionsregierungen. Das was bei uns in der Bundesrepublik im Regelfall der normale Zustand ist, dass es nach einer Wahl keine absolute Mehrheit einer Partei und einer Fraktion gibt, das wird in Großbritannien als Hung Parliament bezeichnet. Man muss sehen, wie das dann läuft.
Ich glaube auch, dass der Wahlausgang noch lange nicht entschieden ist. Es gibt mehrere Optionen, dass es eine absolute Mehrheit der Konservativen gibt, es könnte auch eine Koalitionsregierung geben, nicht unbedingt nur unter Beteiligung der Liberal-Demokraten - es gibt auch noch andere Koalitionspartner für Labour und für die Tories – bis hin zu einer Minderheitenregierung. Großbritannien hat große Erfahrung mit unterschiedlichen Modellen. Aber es könnte sein, dass es ab morgen Abend doch etwas ganz Neues im britischen politischen System der letzten Jahrzehnte geben wird, nämlich eine Koalitionsregierung.
Heinlein: Sie haben während Ihres Besuches auf der Insel, Herr McAllister, auch mit dem Parteichef der Konservativen, David Cameron, sprechen können. Er ist ja ähnlich jung wie Sie, erst 43 Jahre alt und international eher unerfahren. Hat er denn das Zeug, um Großbritannien aus der tiefen wirtschaftlichen Krise zu führen?
McAllister: In jedem Fall. David Cameron ist eine faszinierende Persönlichkeit und hat in den letzten Jahren die britischen Konservativen in beeindruckender Art und Weise modernisiert. Die britischen Konservativen waren ja nach den nacheinander mehrfach stattfindenden Wahlniederlagen in einem doch sehr, sehr schwierigen, zum Teil auch deprimierenden Zustand, und er hat diese Partei inhaltlich modernisiert, insbesondere in der Familienpolitik, in der Umweltpolitik und in der Integrationspolitik, und er hat darüber hinaus dieser Partei auch ein neues Gesicht gegeben, mit ihm an der Spitze selbst, aber auch mit vielen neuen Kandidaten, insbesondere mehr Frauen und Kandidaten mit Migrationshintergrund. Ich traue ihm das absolut zu und er wird ein guter britischer Minister werden. Ich persönlich drücke ihm von Herzen die Daumen.
Heinlein: Die Partei – Sie haben es beschrieben, Herr McAllister – ist ja das eine, aber die praktische Regierungspolitik das andere, und seine Aufgabe ist ja, Großbritannien aus dieser tiefen wirtschaftlichen Krise zu führen. Wird die künftige Devise sein nach Winston Churchill, "Blut, Schweiß und Tränen für die Briten"?
McAllister: Großbritannien steckt in einer sehr, sehr schwierigen Situation. Die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise hat dieses Land sehr viel härter getroffen als uns beispielsweise in Deutschland. Und egal wer die nächste Wahl gewinnt, die notwendige Haushaltskonsolidierung wird sehr, sehr große Anstrengungen von allen Beteiligten abfordern. Nicht ohne Grund fordern die Tories, innerhalb der ersten 50 Tage nach der Wahl einen Nothaushalt vorzulegen mit einem Einsparvolumen von mehreren Milliarden Pfund. Derjenige, der der nächste britische Premierminister wird, steht vor riesigen Herausforderungen. Das werden auch zum Teil sehr unpopuläre Entscheidungen sein, die die Regierung zu treffen hat, aber sie sind notwendig.
Heinlein: Könnte dann der Stern von David Cameron rasch verblassen?
McAllister: Es kommt in der Politik darauf an, das zu tun, worauf es ankommt, und nicht das zu tun, was gerade ankommt, und wenn David Cameron es schafft, in welcher Regierungskonstellation auch immer, dieses Land zu neuer wirtschaftlicher Stärke zu führen und den Haushalt zu konsolidieren, dann kann er als einer der ganz großen Premierminister der Nachkriegsgeschichte dann auch in Großbritannien in beispielloser Art und Weise Geschichte machen.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der niedersächsische CDU-Partei- und –Fraktionsvorsitzende David McAllister. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.