"Die Union kann mit selbstbewusster Gelassenheit gegenüber einem inhaltlich unpräzisen SPD-Kanzlerkandidaten gewinnen", so McAllister. Schulz müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, auf schwierige Wirtschaftsfragen einfache Antworten zu geben, meinte der CDU-Europapolitiker. Schulz müsse auch sagen, in welcher Regierungskonstellation er Kanzlerkandidat sei.
Bei der Bundestagswahl im September stehe Deutschland vor einer Richtungsentscheidung. Entweder werde die "Politik der Verantwortung und Stabilität" von Bundeskanzlerin Angela Merkel fortgesetzt, sagte McAllister. Oder es werde möglicherweise ein rot-rot-grünes Bündnis gebe, das nicht für Vertrauen, Stabilität und Verantwortung stehe.
Die Union wolle in der nächsten Zeit ihr Wahlprogramm mit Inhalten füllen. Der Wahlkampf werde nicht dadurch belastet, dass es keine Einigung mit der CSU über eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlinge gebe. Es sei aber klar, dass die Flüchtlingszahlen "runter" müssten. Flüchtlinge, die aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland gekommen seien, müssten das Land verlassen.
Das komplette Interview zum Nachlesen:
Sandra Schulz: Und am Telefon ist jetzt David McAllister, CDU-Präsidiumsmitglied und im Europäischen Parlament Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Schönen guten Morgen.
David McAllister: Einen schönen guten Morgen.
Schulz: Als wie stark haben Sie denn das Gegrummel im Unions-Lager wahrgenommen, eben darüber, dass kein profilierter Unionskandidat oder Kandidatin zur Wahl stand?
McAllister: Frank-Walter Steinmeier hat sich am Samstag in der CDU/CSU-Fraktion vorgestellt in der Bundesversammlung und da war die Stimmung sehr ordentlich, positiv. Es war eine gute Diskussion. Und ich gehe davon aus, dass die allermeisten meiner CDU/CSU-Kollegen gestern Frank-Walter Steinmeier gewählt haben. Und das Ergebnis mit 931 Stimmen ist ja auch ein starkes und überzeugendes Ergebnis der überparteilichen Koalition in der Bundesversammlung.
Schulz: Was ist denn mit denen aus Ihrem Lager, die es ja aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gemacht haben? Die AfD hat sieben Stimmen mehr bekommen als in ihrem Lager. Welchen Reim machen Sie sich darauf?
McAllister: In einer geheimen Wahl ist es absolute Spekulation, sich Gedanken zu machen, woher diese Stimmen kommen könnten. Ich meine, 931 Stimmen für Herrn Steinmeier sind ein starkes Ergebnis. Natürlich hätten wir uns gerne auch einen eigenen Bundespräsidenten aus unseren Reihen vorstellen können, aber es haben eben nicht sollen sein. Einige Persönlichkeiten standen nicht zur Verfügung. Und wir mussten auch immer damit rechnen, dass wir alleine auch keine Mehrheit haben. Und es wäre dann auch schwierig gewesen, in einem dritten Wahlgang eine Mehrheit zu finden. So finde ich es persönlich gut, dass wir in diesen schwierigen außenpolitischen Zeiten einen ganz erfahrenen Diplomaten im Schloss Bellevue haben werden.
Schulz: Also auch für die Union gestern ein richtig erfolgreicher Tag?
McAllister: Das war gestern eine Bundesversammlung, wo wir aus meiner Sicht einen hervorragenden Bundespräsidenten gewählt haben, der unser Land gut vertreten wird die nächsten Jahre. Aber Herr Steinmeier selbst hat gestern gesagt, dass seine Wahl zum Bundespräsidenten überhaupt kein Signal für die bevorstehenden Wahlen in Deutschland sein kann.
Schulz: Ja, würde ich an seiner Stelle auch sagen. - Wenn das so ist und diese Signale jetzt da so durchaus positiv sind, warum hat die Kanzlerin sich dann mit Händen und Füßen gegen Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsidentenkandidat gewehrt?
McAllister: Nochmals: Wir waren mit Abstand die stärkste Fraktion in der Bundesversammlung. Wir hätten uns einen eigenen Kandidaten vorstellen können, aber es hat sich diese Konstellation nicht ergeben. Und am Ende haben wir uns im CDU-Präsidium einvernehmlich darauf verständigt, gemeinsam mit der CSU auch Herrn Steinmeier zu unterstützen. Deshalb war das gestern ein Ergebnis auch aus Sicht der Union, was absolut in Ordnung geht.
Schulz: Jetzt zieht ein Mann nach Bellevue, der sich über Jahrzehnte als Sozialdemokrat profiliert hat. Die Umfragewerte der Sozialdemokraten gehen durch die Decke, dank des Schulz-Effekts, dank dieser Kandidatenentscheidung. Sind damit die Weichen gestellt fürs Wahljahr 2017? Wird es ein rotes Jahr?
"Momentan gibt es einen gewissen Hype um den Kanzlerkandidaten der SPD"
McAllister: Nochmals: Die Wahl gestern hat überhaupt nichts mit den bevorstehenden Landtagswahlen und mit der Bundestagswahl zu tun. Die Bundestagswahl ist am 24. September, wie wir jetzt wissen. Das ist noch ein langer Weg dorthin. Momentan gibt es einen gewissen Hype um den Kanzlerkandidaten der SPD, aber das ist ja oftmals in der Politik so. Zu Anfang gibt es eine Euphorie und die kann dann auch schnellstmöglich wieder zurückgehen.
Schulz: Viele Wahlforscher fühlen sich erinnert an die Situation, als Gerhard Schröder '98 seine Kanzlerkandidatur erklärt hat. Der Martin Schulz, der scheint im Moment ja wirklich alles richtig zu machen. Der hat zuletzt in Umfragen, was die direkte Beliebtheit betrifft, die Kanzlerin sogar überholt. Was will die Union denn jetzt machen gegen diesen Schulz-Effekt?
McAllister: Deutschland steht am 24. September nach meiner Auffassung vor einer Richtungsentscheidung, und zwar vor folgender Richtungsentscheidung: Entweder es gibt eine Politik, die für Stabilität, Vertrauen und Verantwortung steht, unter Führung unserer bewährten Bundeskanzlerin Angela Merkel. Oder es gibt eine Alternative zu einer unionsgeführten Bundesregierung, und das wäre am Ende womöglich ein Rot-Rot-Grünes Bündnis. Und das steht gerade nicht für Stabilität, Vertrauen und Verantwortung. Vor dieser Richtungsentscheidung werden die Deutschen stehen und deshalb ist es wichtig, dass wir im Wahlkampf deutlich machen, wo die unterschiedlichen Schwerpunkte der Parteien liegen. Und dass wir auch unseren Landsleuten ein konkretes Angebot machen, wofür wir in den nächsten vier Jahren nicht nur außen- und europapolitisch, sondern ganz besonders auch innen-, finanz- und wirtschaftspolitisch stehen.
Schulz: Wie wollen Sie das denn deutlich machen? Martin Schulz wird jetzt als Newcomer gesehen, hat auf Anhieb diese guten Umfragewerte geschafft. Und Angela Merkel steht ja sicherlich für viele Menschen für ein "weiter so", hat sich, nachdem sie ihre Kandidatur erklärt hat, auch ausgesprochen schwer getan, was sie denn künftig eigentlich anders machen soll. Welche Antwort will die Union auf die Frage geben?
McAllister: Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten Zeit haben, ein gemeinsames Wahlprogramm mit der CSU zu formulieren. Und dort werden wir ganz konkrete Antworten geben auf die Herausforderungen, vor denen Deutschland steht. Im Übrigen geht es in der Tat beim Bundestagswahlkampf um Inhalte. Und Herr Schulz, der Kandidat der SPD, muss jetzt auch Inhalte liefern. Vor allen Dingen muss er auch erklären, wie er seine ganzen sozialen Wohltaten, die er allen und jedem jeden Tag überall verspricht, dann auch finanzieren kann. Ich glaube, wir können mit selbstbewusster Gelassenheit gegenüber einem inhaltlich unpräzisen SPD-Kanzlerkandidaten gewinnen.
Schulz: Aber mit erheblicher Nervosität, was sich an dem Vergleich zeigt, den Wolfgang Schäuble jüngst gezogen hat mit Donald Trump zu Martin Schulz?
McAllister: Herr Schäuble hat nach meiner Auffassung darauf hingewiesen, dass es in außen- und innenpolitisch äußerst anspruchsvollen Zeiten mit sehr komplexen Fragen eben nicht geht, in der Politik einfache und ganz einfache Antworten zu geben. Und diese Kritik muss sich auch Herr Schulz gefallen lassen.
Schulz: Ich will noch mal zitieren, was Wolfgang Schäuble dem "Spiegel" gesagt hat. Er hat gesagt: "Wer wie Schulz populistisch die angebliche Spaltung der Gesellschaft beschwöre, dann folge das der postfaktischen Methode des US-Wahlkampfs." Wie hilfreich ist dieses Raunen jetzt von einem CDU-Spitzenpolitiker aus einer deutschen Volkspartei über angeblich postfaktische Zeiten?
"Herr Schulz muss sich den Vorwurf gefallen lassen"
McAllister: Herr Schulz muss sich schon den Vorwurf gefallen lassen, dass er auf komplexe Fragen der Wirtschafts-, Finanz- und Innenpolitik sehr einfache Antworten gibt. Und das kann man als populistisch bezeichnen. Und deshalb: Wir haben jetzt eine Auseinandersetzung, einen Wettbewerb um die Wahl zum Deutschen Bundestag. Und ich finde es gut, dass dieser Wettbewerb jetzt auch aufgenommen wird. Und nochmals: Ich bin dafür, dass wir Herrn Schulz und seine Sozialdemokraten inhaltlich stellen. Und vor allen Dingen muss er eines auch den Deutschen vor der Bundestagswahl klipp und klar beantworten, in welcher Regierungskonstellation er sich eigentlich vorstellen kann, Kanzlerkandidat zu werden. Er wird diese Frage bis zum 24. September beantworten müssen. Da gibt es kein Herumeiern.
Schulz: Das Problem oder die Situation, dass Sie es mit einem anderen Partner noch, mit der CSU zu tun haben, die einfache und nicht komplexe Lösungen anbietet mit der Forderung nach der Obergrenze, das Problem sehen Sie?
McAllister: Wir haben mit der CSU am Sonntag und Montag als Präsidien in München zusammen getagt und wir haben uns darauf verständigt, dass wir mit einem gemeinsamen Wahlprogramm in die Bundestagswahl gehen. Dass wir gemeinsam auch Angela Merkel als Bundeskanzlerin wieder vorschlagen werden, dass wir als Kanzlerkandidatin mit ihr in den Wahlkampf ziehen. Und wir haben in einem einzigen Punkt, nämlich bei der Obergrenze uns darauf verständigt, dass wir uns in diesem Punkt nicht einigen können auf eine einheitliche Regelung. Das ist allgemein bekannt und das wird auch den Wahlkampf nicht belasten.
Schulz: Damit die Wähler aber trotzdem wissen, woran sie sind, viele fühlen sich jetzt erinnert an den Streit, der die letzte Bundestagswahl begleitet hat. Das war ja der Streit um die Maut. Da war es auch so: Die Kanzlerin, Angela Merkel hat gesagt, die Maut kommt auf keinen Fall, Seehofer hat gesagt, doch, die kommt, und gekommen ist sie. Das wird mit der Obergrenze dann auch so laufen?
McAllister: Nochmals: Wir sind uns einig, dass in der Flüchtlings- und Asylpolitik die Zahl derjenigen, die zu uns kommen, runtergefahren werden muss, dass diejenigen, die bleiben dürfen, dann auch bleiben können und integriert werden. Dass aber diejenigen, die aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen zu uns kommen, dann auch unser Land wieder verlassen müssen. Wir halten als Union die Obergrenze für verfassungsrechtlich problematisch. Bei der CSU gibt es dazu andere Auffassungen. Aber gemeinsam sind wir der Auffassung, dass die Zahlen runterkommen müssen, auch jetzt ja schon deutlich runtergefahren worden sind, um auch dann die entsprechende Aufnahmekapazität Deutschlands gewährleisten zu können.
Schulz: David McAllister, CDU-Präsidiumsmitglied und im Europäischen Parlament Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Ganz herzlichen Dank für Ihre Einschätzungen heute Morgen.
McAllister: Ja, vielen Dank! Schönen Tag.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.