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DAZN-Inhaber
Der Pseudo-Oligarch Leonard Blavatnik

Er gehört zu den geheimnisvollsten Figuren im internationalen Sportbusiness: Leonard Blavatnik. Der in der Sowjetrepublik Ukraine geborene Staatsbürger, ist der Hauptanteilseigner der DAZN Group. Blavatniks vielfältige Firmenbeteiligungen sind undurchsichtig, auch seine Nähe zu russischen Oligarchen steht im Fokus seiner Kritiker.

Von Piet Kreuzer |
Leonard Blavatnik (re.) bei einer Veranstaltung 2018.
Leonard Blavatnik (re.) bei einer Veranstaltung 2018. (dpa / picture alliance / Sergei Savostyanov)
"Und jetzt starten wir das 'Netflix des Live-Sports'", erklärte Jörg Mohaupt bei der Digitalkonferenz Noah im November 2015. Mohaupt ist bei der Investmentfirma Access Industries für Medien und Telekommunikation verantwortlich, wenige Monate vor der Konferenz war der Streamingdienst DAZN an den Start gegangen.
Mittlerweile ist DAZN in mehr als 200 Ländern zu empfangen. Auch in Deutschland kommt eine Sportsbar oder eine Fußballkneipe nicht mehr an DAZN vorbei. Das selbsternannte "Netflix des Live-Sports" zeigt die Freitag- und Sonntagspiele der Bundesliga und hält die Übertragungsrechte für fast alle Partien der Champions League in Deutschland.

Weg vom Erdöl hin zu den Medienrechten

Um den Expansionskurs des Unternehmens zu sichern, hat Access Industries weitere 4,3 Milliarden US-Dollar in das Unternehmen gepumpt. Nach DAZN-Angaben hat Access Industries bestehende Vorzugsaktien umgewandelt, Darlehen zurückgezahlt und neues Kapital in das Unternehmen eingebracht und so DAZN schuldenfrei gemacht.
Hinter Access Industries steht Leonard Blavatnik. In der Ukraine geboren ist er seit 1984 US-Staatsbürger, seit 2010 hat der Unternehmer auch einen britischen Pass und 2017 hat ihn die englische Queen zum Ritter geschlagen. Schritte auf dem Weg zu einem neuen Image. Dazu gehören auch verstärkte Investitionen ins Mediengeschäft – weg von Erdöl und Metallen wie bisher.

Als Philanthrop den Oligarchen-Ruf verwässert

Der erste Coup gelang Blavatnik mit dem Kauf und späteren Börsengang von Warner Music. Weitere Investments gibt es unter anderem beim Audiostreamingdienst Spotify, bei Amazon, Facebook und den Broadway Musical "Hamilton".
"Blavatnik ist in der Lage, auf dem schmalen Grat zwischen diesen beiden Welten zu wandeln. Wenn er tatsächlich Bedenken wegen seines Rufs als 'russischer Oligarch' hatte, hat er große Anstrengungen unternommen, diesen Ruf mit Philanthropie zu verwässern", so wird Diana Pilipenko, eine Expertin für Korruptionsbekämpfung am Center for American Progress in den US-Medien zitiert.

Blavatniks Spenden stoßen auf Widerstand

Das philantropische Engagement des Milliardärs ist äußerst großzügig. Nur einige Beispiele: 2010 gingen 90 Millionen US-Dollar an die Oxford University für die "Blavatnik School of Government", das Tate Modern Museum erhielt 60 Millionen für ein "Blavatnik Building" und 2018 gingen 200 Millionen an die Harvard Medical School für ein "Blavatnik Institute".
Aber die Spenden stoßen auch auf Widerstand. In Oxford gab es Proteste wegen Blavatniks Vergangenheit. Und beim konservativen US-Think Tank Hudson Institute führte eine 50.000 Dollar-Spende Blavatniks zum Rücktritt des Direktors Charles Davidson, dem Gründer der Kleptokratie-Initiative. Kleptokratie heißt nichts anderes als "Herrschaft der Diebe".

Als Oligarch bezeichnet? Dann drohen Klagen

In der New York Post begründete Charles Davidson seinen Rückzug so: "Die russische Kleptokratie ist in den Spenderpool des Hudson Institute eingedrungen. Blavatnik ist genau das, was die Kleptokratie-Initiative bekämpft - den Einfluss von Putins Oligarchen auf Amerikas politisches System und Gesellschaft - und den Import korrupter russischer Geschäftspraktiken und Werte."
Ist Blavatnik ein Oligarch? Seine Pressestelle will diese Behauptung mit harten Bandagen unterbinden. Reporter müssen laut Financial Times bestätigen, ihn in keinem Artikel als Oligarch zu bezeichnen, bevor nicht ein Interview vereinbart wurde. Wer dieses Wort trotzdem verwendet, muss mit Klagen rechnen.
"Die enge technische Definition ist eigentlich, dass ein Oligarch in Großunternehmer ist, der oder die mit seinem Eigentum politischen Einfluss ausübt", sagt Fabian Burkhardt, der sich an der Universität Regensburg mit Russland und den russischen Eliten beschäftigt.

Nawalny sieht Blavatnik unproblematisch

Der schwedische Ökonom Anders Aslund war in den 1990er Jahren als Wirtschaftsberater in Russland tätig, heute arbeitet er in den USA und ist einer der schärfsten Putin-Kritiker. Er hält Blavatnik für einen der Top-Oligarchen in Russland, der zufällig US-amerikanischer Staatsbürger sei. Auch das von Schach-Champion Garry Kasparow gegründete "Free Russia Forum" ist dieser Meinung. Dagegen verweisen Blavatniks PR-Leute auf ein Zitat des Kreml-Kritikers Alex Nawalny von 2019 in der Financial Times.
"Was Russland und mich betrifft, ist er kein politischer Oligarch. Er kauft hier keine Zeitungen, er schüchtert keine Journalisten ein, er hat im Grunde überhaupt nichts mit Putin zu tun."
Politologe Burkhardt schätzt das ähnlich ein. Schließlich habe Blavatnik 1986 mit seiner Firma Access Industries als Finanzinvestor in den USA begonnen. Er stamme zwar aus der Sowjetunion, sei aber streng gesehen kein russischer Oligarch gewesen. Für die russischen Oligarchen sei er immer jemand gewesen, der aus den USA Kapital mitgebracht hat:
"Allerdings hat er es dann geschafft, in den 1990er-Jahren eben von dieser sehr großen Privatisierungswelle und der Umstrukturierung der russischen Wirtschaft zu profitieren. Vor allem auch mit Hilfe seines ehemaligen Studienkollegen Viktor Wekselberg."

Hat er sich bereichert?

Die Financial Times zitiert Wekselberg damit, dass Blavatnik sein Geld in Russland gemacht habe. Beide investierten seit den 1990er Jahren in Aluminium und wurden so Anteilseigner des weltweit größten Aluminiumsherstellers Rusal. Blavatnik mit seiner in den USA gegründeten Investmentfirma Access Industries, Wekselberg mit seinem Unternehmen Renova.
Gemeinsam mit Wekselberg leitete Blavatnik auch einen der größten russischen Ölkonzerne TNK, der ein Joint Venture mit BP einging. Das Unternehmen mussten sie 2013 auf Druck der russischen Regierung an das staatliche Mineralölunternehmen Rosneft verkaufen. Ein Verlust war dieser Verkauf offenbar nicht.
"Einer der Vorwürfe, die Blavatnik hier gemacht werden, dass diese Unternehmer und dementsprechend auch Blavatnik sehr viel mehr ausgezahlt bekommen haben, als eigentlich deren Anteile darin wert waren. Und ein Vorwurf ist, und es ist recht schwierig zu verifizieren, dass viel mehr bezahlt wurde mit dem Hintergedanken, zumindest seitens des russischen Staates, dass über diesen Mehrgewinn dann im Westen Einfluss genommen werden könnte", sagt Politologe Fabian Burkhardt. Belege für diese These gibt es im Fall von Blavatnik allerdings nicht.

Von Sanktionen bisher verschont geblieben

"Das heißt, man könnte bei ihm eher argumentieren, ja, er hat sicherlich dazu beigetragen, kleptokratische Praktiken und Geld aus zweifelhaften Quellen in den USA zu investieren."
Bei seinen ehemaligen Geschäftspartnern, die Oligarchen Viktor Wekselberg und Oleg Deripaska gibt es es schon sehr viel deutlichere Hinweise darauf, dass diese beiden zumindest versucht haben, im Auftrag der russischen Regierung Lobbying zu betreiben. Gegen beide sind bereits 2018 und auch aktuell wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Sanktionen verhängt worden. Blavatnik selbst blieb bisher von Sanktionen verschont.
"Hilfreich waren sicherlich, seine Spenden in den USA für Demokraten und Republikaner. Zuletzt hat Blavatnik die Amtseinführung von Donald Trump unterstützt."
Wenn aktuell in einer deutschen Fußballkneipe ein Spiel über DAZN gezeigt wird, hängt das mit Leonard Blavatnik zusammen.