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DDR-Doping
Eine bittere blaue Pille

Als Sportler und Trainer erfolgreich, menschlich umstritten: In seiner pünktlich zu den Olympischen Winterspielen erschienen Biografie bereut Ingo Steuer seine Stasi-Mitarbeit. Zu seiner eigenen Dopinggeschichte äußert er sich nur indirekt - und provoziert so Kritik.

Von Thomas Purschke |
    Dass Steuer seine oberflächliche Entschuldigung im Buch teils im Konjunktiv formuliert, obwohl er durch seine Stasi-Spitzeleien damals definitiv Menschen in Bedrängnis brachte, spricht für sich. Neben selbst skurril anmutenden Details - wie die bei Steuer im Jahr 2013 in der Türkei erfolgte Haar-Verpflanzung samt Foto-Dokumentation wegen einer sich einstellenden Glatze - gibt es dennoch auch einige ernstzunehmende Erkenntnisse im Buch.
    "War das Doping? Ich weiß es nicht"
    So beschreibt der heute 47-jährige Steuer in seiner Biografie indirekt auch das an ihm in der DDR offenbar praktizierte Minderjährigen-Doping. Bevor Ingo Steuer als Jugendlicher im DDR-Sportclub SC Karl-Marx-Stadt vom Einzel-Läufer zum Paarlauf wechselte und 1984 mit Manuela Landgraf in Sapporo den Junioren-Weltmeistertitel holte, wurde ihm ein halbes Jahr Athletiktraining verordnet. Steuer erklärt dazu im Buch Folgendes:
    "Ein Intensivtraining zum Muskelaufbau. Nicht, dass ich bis dahin keine Muskeln gehabt hätte! Trotzdem sah ich aus wie ein Streichholz mit Schlittschuhen unten dran. Im Paarlauf werden an den männlichen Läufer aber ganz andere Forderungen gestellt. Dazu bekam ich täglich eine kleine blaue Pille mit den Worten 'die nimmst du jetzt mal eine Weile'. War das Doping? Ich weiß es nicht, dazu müssten andere befragt werden."
    "Das finde ich einfach nur traurig"
    In Steuers späterer Laufbahn - er wurde 1997 mit Mandy Wötzel Paarlauf-Weltmeister -, so ist im Buch weiter zu lesen, habe Doping nie eine Rolle gespielt. Für ihn sei das ehrenrührig, wenn man chemische Substanzen nehme. Die Bronzemedaillengewinnerin bei der Eiskunstlauf-Europameisterschaft 1987 in Sarajevo im Paarlaufen und zweifache DDR-Meisterin, Marie Katrin Kanitz vom einstigen Sportclub Dynamo Berlin, die Ingo Steuer noch aus den Paarlauf-Zeiten kennt, als er gemeinsam mit Manuela Landgraf auf dem Eis lief, zeigte sich auf Anfrage erschüttert über Steuers Äußerungen in dessen Buch. Kanitz, die seit 2013 in der Beratungsstelle des Doping-Opfer-Hilfe-Vereines in Berlin arbeitet und sich seit Jahren für die Aufklärung der perfiden Machenschaften im DDR-Eiskunstlaufsport einsetzt, entrüstet sich über Steuers angebliche Unbedarftheit:
    "Das finde ich einfach nur traurig, wenn Ingo Steuer heute behauptet, er wisse nicht, ob die ihm damals verabreichten blauen Pillen Doping gewesen sei, nachdem nun seit Jahren lange bekannt ist, dass die blauen Tabletten im DDR-Sport das Hormonpräparat Oral-Turinabol vom VEB Jenapharm waren. Auch wenn er bei der Einnahme damals noch minderjährig war."
    Es gab bekanntermaßen in der DDR nur eine Medikamenten-Pille, die diese markante blaue Farbe hatte, das war das Anabolikum Oral-Turinabol. Marie Katrin Kanitz gehört zu den vom Bundesverwaltungsamt Köln staatlich anerkannten DDR-Dopingopfern und bekam auch als Minderjährige unter anderem Oral-Turinabol verabreicht. Zu den Sportarten, in denen die DDR bereits vor den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck Dopingmittel einsetzte, gehört auch der Eiskunstlauf, wie Stasi-Akten dokumentieren.
    Darin ist belegt, dass der Paarläufer Rolf Österreich vom SC Dynamo Berlin, der mit Romy Kermer in Innsbruck die olympische Silbermedaille gewann, bei der DDR-Ausreisekontrolle positiv auf anabole Steroide getestet worden war und erst anreiste, als der Doping-Missbrauch nicht mehr feststellbar war.