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DDR-Dopingsystem
Viele Opfer haben Hilfszahlungen erhalten

Opfer des staatlichen Dopingsystems der DDR erhalten Entschädigungszahlungen von insgesamt 15 Millionen Euro. Der ursprünglich vom Bund ausgestellte Betrag wurde mehr als ausgeschöpft. Doch für viele Betroffene reicht die Zahlung nicht aus.

Silvia Engels im Gespräch mit Raphael Späth |
Die DDR-Olympiamannschaft wird am 10.9.1976 im Staatsratsgebäude in Berlin empfangen.
Im DDR-Leistungssport wurde systematisch gedopt. Hier der Empfang der DDR-Olympiamannschaft im Staatsratsgebäude im September 1976. (Picture Alliance / dpa)
Silvia Engels: Bis Ende 2019 konnten Betroffene des DDR-Staatsdopings Hilfszahlungen vom Bund beantragen. Der Hilfsfond wurde vor vier Jahren im Zuge des zweiten Dopingopfer-Hilfegesetzes mit ursprünglich 10,5 Millionen Euro ausgestattet. Raphael Späth aus der Sportredaktion, wurden diese Gelder auch ausgeschöpft?
Raphael Späth: Ja, sogar mehr als das. Der Hilfsfonds musste aufgrund der hohen Zahl der Anträge zwischenzeitlich auf 13,5 Millionen Euro aufgestockt werden.
Wie das Bundesverwaltungsamt der ARD-Dopingredaktion bestätigt hat, wurden aber insgesamt sogar über 15 Millionen Euro an Hilfszahlungen zur Verfügung gestellt. Die Differenz wurde aus den Rückflüssen im Haushaltsjahr 2020 beglichen.
Insgesamt hat das BVA 1.449 Anträge von ehemaligen DDR-Sportler*innen angenommen, nur 300 abgelehnt. Darunter waren auch Anträge von Geschädigten in zweiter Generation: Da geht es um die Frage, ob körperliche oder geistige Schädigungen von Dopingopfern vererbt werden können.
In diesem zweiten Dopingopfer-Hilfegesetz war aber nur explizit die Sprache von Personen, die "erheblichen Gesundheitsschaden" erlitten haben, weil ihnen "ohne ihr Wissen oder gegen ihren Willen Dopingsubstanzen verabreicht worden sind".
Jeder Antragssteller hatte Anspruch auf 10.500 Euro, wenn denn ein fachärztliches Gutachten vorliegt.
Engels: Sind diese 10.500 Euro denn eine ausreichende Entschädigung für die Betroffenen?
Späth: Nein, für viele reicht das nicht aus. Diese 10.500 Euro seien zwar eine Hilfe, betonen viele DDR-Athletinnen und Athleten, aber keine Entschädigung - weil die Spätfolgen dieses Dopingsystems eben gravierend sind. Wir sprechen hier von Menschen, die als Kinder fast täglich Anabolika oder Schmerzmittel einnehmen mussten.
Das ganze wurde als "Vitamine" getarnt, meist wurden weder die Kinder und Jugendlichen, noch die Eltern darüber informiert, was da tatsächlich eingenommen wurde.
Dazu wurde mit Beschimpfungen, Schikanieren, Bestrafungen gearbeitet, damit die Kinder über die eigentliche Schmerzensgrenze hinaus trainiern. Und die Folgen sind teilweise erst Jahrzehnte danach ersichtlich: Viele dieser Betroffenen sind jetzt Mitte 40 und arbeitsunfähig, haben schwere psychische Folgeschäden davongetragen, aber natürlich auch physische: Herz-Kreislauf-Erkrankugnen und Stoffwechselstörungen sind dabei die am häufigsten auftretenden Spätfolgen.

Trotz der Nachfrage kein Nachfolgegesetz in Sicht

Engels: Also, es besteht auch weiterhin noch Bedarf an weiteren Hilfszahlungen. Wird es denn ein drittes Hilfegesetz geben?
Späth: Nein, das ist zumindest bislang noch nicht geplant. Das erste Dopingopfer-Hilfegesetz wurde 2002 verabschiedet, lief bis Ende 2007. Damals haben nur 194 Betroffene staatliche Hilfszahlungen erhalten. Also allein dieser Anstieg in den letzten zehn Jahren zeigt, dass da noch deutlich Nachholbedarf besteht.
Der Dopingopfer-Hilfeverein hatte auch schon vom Bund gefordert, dass dieses zweite Gesetz aufgrund der hohen Nachfrage entfristet wird. Eine Forderung, die aber nicht umgesetzt wurde – wer im Jahr 2019 keinen Antrag eingereicht hat, hat keinen Anspruch mehr auf Hilfszahlungen
Engels: Was passiert mit Betroffenen, die ihren Antrag nicht rechtzeitig bis Ende 2019 eingereicht haben?
Späth: Das ist eine Frage, die jetzt wohl in den kommenden Monaten geklärt wird. Nach aktuellem Stand fallen Opfer des DDR-Staatsdopingsystems nämlich nicht unter das sogenannte verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz. Das wurde nach der Wiedervereinigung eingeführt, um alle Menschen zu entschädigen, die durch behördliche Maßnahmen in der DDR gesundheitliche Schädigungen davongetragen haben. Damit wollte man vor allem politische Verfolgte rehabilitieren
Aber: Zwei DDR-Athleten hatten letztes Jahr geklagt und vom Verwaltungsgericht Greifswald erst kürzlich Recht bekommen. Dieses Staatsdoping ist nämlich im Staatsplan 14.25 eindeutig niedergeschrieben und richtet sich auch gezielt gegen Kinder und Jugendliche.
Somit haben auch Opfer des DDR-Staatsdopings nach dem Rehabilitierungsgesetz Anspruch auf finanzielle Hilfszahlungen, so urteilt das Verwaltungsgericht Greifswald. Auch diejenigen, die schon Hilfszahlungen in Höhe von 10.500 Euro erhalten haben.
Also: Wenn dieses Urteil so bestehen bleibt, dann können Betroffene auch in Zukunft finanzielle Entschädigung vom Staat beantragen. Denn: Dieses Rehabilitierungsgesetz ist entfristet worden, ein drittes Dopingopfer-Hilfegesetz bräuchte es dann gar nicht unbedingt.