Stefan Koldehoff: Ein deutsches Gericht hatte heute wieder einmal über ein deutsches Buch zu entscheiden, über den Band "Deutsche Gerechtigkeit" nämlich, den der Autor Roman Grafe über die Prozesse gegen DDR-Grenzschützer und deren Befehlsgeber geschrieben hat. Grafe nennt darin unter anderem einen Politoffizier beim Namen und weist ihm die politisch-moralische Mitverantwortung für einen Todesfall an der Mauer zu. Der Mann hat sich dagegen gewehrt und vor dem Berliner Landgericht vor einem Jahr auch Recht bekommen. Nun ging es heute eine Stufe höher vor dem Kammergericht um die Berufung.
Otto Langels in Berlin: Gab es denn auch heute schon ein Urteil?
Otto Langels: Ja, es gab ein Urteil. Das Kammergericht hat das Urteil des Landgerichts aufgehoben, ist zum genau entgegengesetzten Ergebnis gekommen, also dass der Politoffizier Sven H. es hinnehmen muss, dass in dem Buch von Roman Grafe sein Name genannt wird, dass also mit anderen Worten der Anspruch auf Anonymität in dem Fall gegenüber dem Interesse der Öffentlichkeit zurückzustehen hat.
Koldehoff: Wie wird das begründet, mit einer bestimmten Schuld oder mit einem öffentlichen Interesse? Was ist der Grund für dieses ja dann einigermaßen überraschende völlig anders lautende Urteil?
Langels: Zum einen hat das Gericht darauf hingewiesen, dass Sven H. in der Vergangenheit schon öffentlich aufgetreten sei, zum einen in seiner Funktion als Politoffizier bei den Grenzregimenten, und dort Vorträge gehalten hat, und dass er nach 1990, als er vom Bundesgrenzschutz, der sich später ja dann Bundespolizei nannte, übernommen wurde und dort als Gewerkschaftsvertreter in Erscheinung getreten ist und eben dort auch öffentlich aufgetreten ist. Es gibt zum Beispiel ein Foto aus den vergangenen Jahren, das ihn an der Seite des damaligen Bundesinnenministers Otto Schily zeigt, und das Gericht eben deshalb zu dem Schluss kam, dass Sven H. nicht in diesem einen konkreten Falle in dem Buch von Roman Grafe dann für sich Anonymität in Anspruch nehmen könne, wenn er in vielen anderen Fällen in der Öffentlichkeit auftreten würde.
Dann gab es noch einen zweiten Aspekt, den das Gericht entschieden hat, dass Sven H. in dem Buch von Roman Grafe indirekt eine moralische Mitverantwortung für die Mauertoten und insbesondere für den letzten Mauertoten zugewiesen wurde. Der letzte Mauertote, 1989 im Februar, der 20-jährige Chris Gueffroy, der vom Grenzregiment 33 erschossen wurde, und in diesem Grenzregiment war Sven H. Politoffizier, und Roman Grafe in seinem Buch ihm durch die Instruierung der Grenzschützer eine gewisse moralische Mitverantwortung für den letzten Mauertoten zugesprochen hat. Dagegen hat Sven H. eben auch geklagt, und das Gericht ist jetzt in seinem Urteil zu der Auffassung gekommen, dass Sven H. es durchaus hinnehmen müsse, dass ihm eine moralische Mitverantwortung zugewiesen wird in diesem Fall, und dass eben eine zulässige und hinzunehmende Meinungsäußerung des Autors sei, also in diesem Fall auch ein Überwiegen der öffentlichen Meinungsäußerung, der Meinungsfreiheit gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des ehemaligen Politoffiziers.
Koldehoff: Ein Urteil auf zwei Ebenen also. Manchmal nutzen ja Gerichte solche Fälle dazu, auch noch eine dritte, eine ganz grundsätzlichere Ebene mit einzuziehen. Der Soziologieprofessor Manfred Wilke, Mitbegründer des Forschungsverbundes SED-Staat an der FU Berlin, hat vor der Urteilsfindung gesagt, dass das Verlangen der Anonymisierung von Verantwortung letztlich auch zu einem Erinnerungsverbot führen kann, wenn niemand mehr klar benannt werden darf. Hat das Gericht solche ganz grundsätzlichen Erwägungen, losgelöst vom konkreten Fall, auch mit aufgegriffen und dazu etwas gesagt, oder ist man allein beim Fall geblieben?
Langels: Also da ist man allein beim Fall geblieben und hat jetzt keine weiteren allgemeinen Äußerungen dann von sich gegeben. Vielleicht noch eine kurze Anmerkung: Diese heutige Entscheidung war die zweite in diesem Fall. Es gab schon am vergangenen Freitag beim Berliner Kammergericht von einem anderen Senat getroffen eine Entscheidung, und zwar hatte dieser Politoffizier Sven H. auch gegen die "Süddeutsche Zeitung" geklagt, weil die auch im vergangenen Jahr ausführlich über diesen Fall berichtet hatte und seinen Namen genannt hatte. Und da hatte das Landgericht dann auch erst zugunsten von Sven H. entschieden, und das Berliner Kammergericht hat am vergangenen Freitag diese Entscheidung eben auch aufgehoben. Also zweimal, wenn man so will, ein Sieg der Pressefreiheit.
Koldehoff: Ein bleibender, ein endgültiger, oder kann es weitere Instanzen geben?
Langels: Also theoretisch bleibt für den Politoffizier noch die Möglichkeit, Revision zu beantragen beim Bundesgerichtshof, aber da waren sich die Beobachter heute weitgehend einig, dass nach dem Tenor dieser beiden Entscheidungen ein entsprechendes Gesuch wenig Aussicht auf Erfolg hätte.
Otto Langels in Berlin: Gab es denn auch heute schon ein Urteil?
Otto Langels: Ja, es gab ein Urteil. Das Kammergericht hat das Urteil des Landgerichts aufgehoben, ist zum genau entgegengesetzten Ergebnis gekommen, also dass der Politoffizier Sven H. es hinnehmen muss, dass in dem Buch von Roman Grafe sein Name genannt wird, dass also mit anderen Worten der Anspruch auf Anonymität in dem Fall gegenüber dem Interesse der Öffentlichkeit zurückzustehen hat.
Koldehoff: Wie wird das begründet, mit einer bestimmten Schuld oder mit einem öffentlichen Interesse? Was ist der Grund für dieses ja dann einigermaßen überraschende völlig anders lautende Urteil?
Langels: Zum einen hat das Gericht darauf hingewiesen, dass Sven H. in der Vergangenheit schon öffentlich aufgetreten sei, zum einen in seiner Funktion als Politoffizier bei den Grenzregimenten, und dort Vorträge gehalten hat, und dass er nach 1990, als er vom Bundesgrenzschutz, der sich später ja dann Bundespolizei nannte, übernommen wurde und dort als Gewerkschaftsvertreter in Erscheinung getreten ist und eben dort auch öffentlich aufgetreten ist. Es gibt zum Beispiel ein Foto aus den vergangenen Jahren, das ihn an der Seite des damaligen Bundesinnenministers Otto Schily zeigt, und das Gericht eben deshalb zu dem Schluss kam, dass Sven H. nicht in diesem einen konkreten Falle in dem Buch von Roman Grafe dann für sich Anonymität in Anspruch nehmen könne, wenn er in vielen anderen Fällen in der Öffentlichkeit auftreten würde.
Dann gab es noch einen zweiten Aspekt, den das Gericht entschieden hat, dass Sven H. in dem Buch von Roman Grafe indirekt eine moralische Mitverantwortung für die Mauertoten und insbesondere für den letzten Mauertoten zugewiesen wurde. Der letzte Mauertote, 1989 im Februar, der 20-jährige Chris Gueffroy, der vom Grenzregiment 33 erschossen wurde, und in diesem Grenzregiment war Sven H. Politoffizier, und Roman Grafe in seinem Buch ihm durch die Instruierung der Grenzschützer eine gewisse moralische Mitverantwortung für den letzten Mauertoten zugesprochen hat. Dagegen hat Sven H. eben auch geklagt, und das Gericht ist jetzt in seinem Urteil zu der Auffassung gekommen, dass Sven H. es durchaus hinnehmen müsse, dass ihm eine moralische Mitverantwortung zugewiesen wird in diesem Fall, und dass eben eine zulässige und hinzunehmende Meinungsäußerung des Autors sei, also in diesem Fall auch ein Überwiegen der öffentlichen Meinungsäußerung, der Meinungsfreiheit gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des ehemaligen Politoffiziers.
Koldehoff: Ein Urteil auf zwei Ebenen also. Manchmal nutzen ja Gerichte solche Fälle dazu, auch noch eine dritte, eine ganz grundsätzlichere Ebene mit einzuziehen. Der Soziologieprofessor Manfred Wilke, Mitbegründer des Forschungsverbundes SED-Staat an der FU Berlin, hat vor der Urteilsfindung gesagt, dass das Verlangen der Anonymisierung von Verantwortung letztlich auch zu einem Erinnerungsverbot führen kann, wenn niemand mehr klar benannt werden darf. Hat das Gericht solche ganz grundsätzlichen Erwägungen, losgelöst vom konkreten Fall, auch mit aufgegriffen und dazu etwas gesagt, oder ist man allein beim Fall geblieben?
Langels: Also da ist man allein beim Fall geblieben und hat jetzt keine weiteren allgemeinen Äußerungen dann von sich gegeben. Vielleicht noch eine kurze Anmerkung: Diese heutige Entscheidung war die zweite in diesem Fall. Es gab schon am vergangenen Freitag beim Berliner Kammergericht von einem anderen Senat getroffen eine Entscheidung, und zwar hatte dieser Politoffizier Sven H. auch gegen die "Süddeutsche Zeitung" geklagt, weil die auch im vergangenen Jahr ausführlich über diesen Fall berichtet hatte und seinen Namen genannt hatte. Und da hatte das Landgericht dann auch erst zugunsten von Sven H. entschieden, und das Berliner Kammergericht hat am vergangenen Freitag diese Entscheidung eben auch aufgehoben. Also zweimal, wenn man so will, ein Sieg der Pressefreiheit.
Koldehoff: Ein bleibender, ein endgültiger, oder kann es weitere Instanzen geben?
Langels: Also theoretisch bleibt für den Politoffizier noch die Möglichkeit, Revision zu beantragen beim Bundesgerichtshof, aber da waren sich die Beobachter heute weitgehend einig, dass nach dem Tenor dieser beiden Entscheidungen ein entsprechendes Gesuch wenig Aussicht auf Erfolg hätte.