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DDR-Sport
Eklat bei der Podiumsdiskussion

Mitte letzter Woche gab es im Thüringer Landtag eine Podiumsdiskussion zum Thema "Aufarbeitung des DDR-Sports in Thüringen - 25 Jahre nach dem Ende der SED-Herrschaft". Und was da mit so einem sperrigen Titel begann, endete mit einem Paukenschlag.

Von Thomas Purschke |
    Ein DDR-Emblem hängt an einer Wand.
    Ein DDR-Emblem hängt an einer Wand. (picture alliance / ZB- Jens Kalaene)
    Der für Breitensport und Sportentwicklung zuständige Vizepräsident des Landessportbundes (LSB), Dirk Eisenberg, sprach deutliche Worte angesichts der desolaten Situation, die sich seit dem Mauerfall im Freistaat fest zementiert hat, wo belastete DDR-Altkader bis heute den Sport maßgeblich steuern: Es müsse im LSB endlich einen Neuanfang geben. Die Deutungs- und Entscheidungshoheit aller wichtiger Fragen liege beim Hauptgeschäftsführer Rolf Beilschmidt und dem Präsidenten Peter Gösel.
    Dies erklärte der 45-jährige Erfurter IT-Unternehmer Eisenberg, der sich als Zuhörer der spannenden Diskussion aus dem Publikum gemeldet hatte, weil es endlich an der Zeit sei, daß auch die junge Generation Verantwortung übernähme und diese unsäglichen Zustände nicht mehr länger toleriere. Beilschmidt und Gösel sollten ihre Plätze räumen, forderte Eisenberg.
    Gezielt die Unwahrheit gesagt
    Rolf Beilschmidt, einst in der DDR ein gedopter Hochspringer und Stasi-IM, Deckname "Paul Grün", später Spitzenfunktionär im dopingverseuchten Sportclub Motor Jena und 1990 plötzlich DTSB-Vizepräsident, dann Olympiastützpunkt-Leiter in Erfurt bis 2001 und seither LSB-Chef, ist hochgradig belastet. Die Berliner Sporthistoriker Jutta Braun und Michael Barsuhn haben in einer gerade im Werkstatt-Verlag Göttingen erschienenen Pilot-Studie mit dem Titel "Zwischen Erfolgs- und Diktaturgeschichte - Perspektiven der Aufarbeitung des DDR-Sports in Thüringen" nochmals festgestellt, dass Hauptgeschäftsführer Beilschmidt mit seinen Informationen an die Stasi nicht nur anderen Menschen geschadet hat, sondern bei seiner Darstellung der Dinge auch die Unwahrheit gesagt hat.
    Zudem liegt dem Deutschlandfunk ein Gedächtnisprotokoll vom damaligen Olympiastützpunkt-Chef Beilschmidt aus dem Jahr 1992 vor, wo er bezüglich seiner einstigen Stasi-Mitarbeit ebenfalls gelogen hat. Damit hat er auch das Bundesinnenministerium, das die Fachaufsicht über die Olympiastützpunkte inne hat, getäuscht.
    Studie ohne wirklich Neues
    Im öffentlichen Dienst mussten viele einstige inoffizielle Stasi-Mitarbeiter mit ähnlich dokumentierten Belastungen ihren Hut nehmen. Doch im mit Steuergeldern finanzierten Sport in Ostdeutschland tummelte sich auch nach 1990 zahlreiches Stasi- und Dopingbelastetes Personal sowie SED- und NVA-Kader - teils bis heute.
    Die aktuelle Studie zum Thüringer Sport war bereits 2008 von der Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur, dem LSB Thüringen, der Staatskanzlei und der Stasi-Landesbeauftragten bei der Uni Potsdam aufgrund von erheblicher öffentlicher Kritik an den unsäglichen Zuständen in Auftrag gegeben worden. Das Projektvolumen betrug 75.000 Euro, davon zahlte der LSB ein Drittel. Die Fertigstellung der Studie, die wenig Neues enthält, sondern vielmehr bereits bekannte Sachverhalte wissenschaftlich bündelt und ziemlich lückenhaft ist, verzögerte sich von 2011 an.