Ralf Krauter: Elsevier, Springer/Nature und Wiley - so heißen die drei großen Verlagshäuser, die Fachzeitschriften herausgeben, in denen Forscher ihre Arbeiten publizieren. Um auf dem Laufenden zu bleiben, was Mitstreiter und Konkurrenten so treiben, brauchen Wissenschaftler deshalb uneingeschränkten Zugang zu diesen Journalen. Doch der wurde in den vergangenen Jahren so teuer, dass dafür inzwischen jährlich rund 100 Millionen Euro fällig sind.
Um Kosten zu sparen und sicherzustellen, dass künftig alle Publikationen deutscher Forscher für jeden kostenfrei zugänglich sind, Stichwort Open Access, ist ein Konsortium aller Beteiligten angetreten, um einen besseren "DEAL" mit den Verlagen auszuhandeln. Mitte Januar wurde jetzt mit einem davon, nämlich Wiley, eine Einigung erzielt. Und die stellt sicher, dass Forscher in Deutschland künftig freien Zugriff auf Zehntausende Artikel in mehr als 1700 Fachzeitschriften haben. Dafür bekommt Wiley künftig für jeden Artikel, der in einem dieser Journale veröffentlicht wird, pauschal 2750 Euro - und stellt es den Autoren frei, ob ihre Arbeit Open Access sein soll, also für jeden frei zugänglich.
Was bedeutet der Deal mit Wiley für die deutsche Forschungslandschaft? Darüber habe ich gesprochen mit Dr. Andreas Gies, er ist Umweltchemiker, war lange beim Umweltbundesamt in Berlin und ist assoziierter Redakteur beim Fachmagazin 'Chemosphere' des Elsevier-Verlags. Meine erste Frage an ihn: Wie stark bringt die Einigung mit Wiley die Forscher in Deutschland voran?
Andreas Gies: Ich glaube, dass ist ein großer Schritt vorwärts, weil nichts ist schlimmer als Stillstand. Und bis jetzt hatten wir in den Verhandlungen Stillstand. Wie der Vertrag zu beurteilen ist, kann man schlecht sagen, weil der Vertragstext noch nicht veröffentlicht ist. Eine Gebühr von 2.750 Euro für einen Open-Access-Artikel ist sicherlich in dem Rahmen, die auch von anderen Zeitschriften und Journals genommen wird. Ungefähr liegen die Preise bei 3.000 Euro für einen Artikel. Also wird meiner Ansicht nach das Finanzaufkommen für die Veröffentlichungen bei Wiley vielleicht etwas, aber nicht sehr viel sinken - was sicherlich dadurch wettgemacht wird, dass mehr Autoren von der Hochschulrektorenkonferenz gelenkt werden.
Andreas Gies: Ich glaube, dass ist ein großer Schritt vorwärts, weil nichts ist schlimmer als Stillstand. Und bis jetzt hatten wir in den Verhandlungen Stillstand. Wie der Vertrag zu beurteilen ist, kann man schlecht sagen, weil der Vertragstext noch nicht veröffentlicht ist. Eine Gebühr von 2.750 Euro für einen Open-Access-Artikel ist sicherlich in dem Rahmen, die auch von anderen Zeitschriften und Journals genommen wird. Ungefähr liegen die Preise bei 3.000 Euro für einen Artikel. Also wird meiner Ansicht nach das Finanzaufkommen für die Veröffentlichungen bei Wiley vielleicht etwas, aber nicht sehr viel sinken - was sicherlich dadurch wettgemacht wird, dass mehr Autoren von der Hochschulrektorenkonferenz gelenkt werden.
2750 Euro pro Artikel - das liegt im üblichen Rahmen
Krauter: Also ich habe gelesen: Rund 10.000 Artikel aus Deutschland werden wohl so pro Jahr in Wiley-Journalen veröffentlicht, also Artikel unter Beteiligung deutscher Wissenschaftler. Das heißt, wenn man das mal zusammen zählt, werden für diese Publikationen dann künftig rund knapp 30 Millionen Euro an Wiley fließen aus der deutschen Forschungslandschaft. Sie sagen, das wäre unterm Strich wahrscheinlich das, was Wiley bisher auch bekommen hat?
Gies: Unterm Strich wäre es ungefähr das Gleiche. Wobei natürlich die Frage ist, wie sich der andere Teil der Kosten gestaltet. Die Nutzung des Archivs von Wiley, die ja auch weiter bezahlt werden muss, die wäre ja nicht von den Beiträgen abgedeckt, die jetzt die Autoren für Open Access zahlen. Aber ich weiß es nicht genau. Ich kenne den Vertrag nicht genau, ich weiß nicht, welche Kosten da auf uns zukommen.
Noch ist unklar, ob der Deal mit Wiley als Blaupause taugt
Krauter: Die Details werden wahrscheinlich erst in zwei drei Wochen erfahren. Trotzdem: Nach allem was wir jetzt wissen, könnte denn der Deal mit Wiley als Blaupause dienen für ähnliche Verträge mit Springer/Nature und Elsevier? Oder ist das nicht übertragbar?
Gies: Ich muss Ihnen sagen, ich hatte mir mehr erhofft. Ich hatte mir einen pauschalen Zugang zu Open Access für alle Forscher erhofft, ohne dass die einzelne Institution noch einmal extra bezahlen muss, und gesamten Zugang zu den Archiven, wie er jetzt mit Wiley beschlossen worden ist, aber auch mit anderen Verlagen. Ich glaube die entscheidende Frage ist gerade, dass wir im wissenschaftlichen Veröffentlichungsgeschäft an einer Wende stehen. Wir digitalisieren unendlich schnell. Es gibt eigentlich keine Zeitschriften mehr, es gibt nur noch elektronische Artikel.
"Wir brauchen den elektronischen Zugriff für unsere Forscher."
Wir müssen unsere Forscher entlasten, wenn Deutschland konkurrenzfähig bleiben will in der Forschungslandschaft. Das heißt, wir müssen unseren Forschern den Zugriff auf sämtliche Zeitschriftenartikel elektronisch und in Echtzeit ermöglichen. Und wir müssen ihnen ermöglichen, Open Access zu veröffentlichen, ohne dass die Institutionen noch einmal extra dafür belastet werden. Nur so können wir einen großen Schritt vorankommen, erstens zur Entlastung der Forscher von Arbeit und zweitens dahin, dass wir deutsche Artikel überall auf der Welt sichtbar machen und überall auf der Welt als Standard den Gold-Open-Access haben, also den unmittelbaren Open Access.
Der Druck auf Elsevier ist groß
Krauter: Wir dürfen davon ausgehen, dass ein Teil dieser Forderungen wahrscheinlich tatsächlich erfüllt wird in diesem Vertrag mit Wiley. Aber schauen wir vielleicht mal auf Elsevier, den Verlagsriesen. Denn da liegen die Verhandlungen mit dem Deal-Konsortium ja seit Monaten auf Eis. Elsevier hat den Forschern der betroffenen Einrichtung ja zum Teil sogar zeitweise den Zugang zu seinen Journalen gesperrt. Wächst denn jetzt der Druck auf Elsevier, sich doch zu bewegen?
Gies: Der Druck auf Elsevier sich zu bewegen, ist riesengroß. Der ist riesengroß von den Autoren her, der ist riesengroß von den Herausgebern her. Elsevier muss sich bewegen und ich glaube auch, Elsevier will sich bewegen. Wir haben ja einen offenen Brief als Herausgeber geschrieben. Und der Vorsitzende von Elsevier Ron Mobed hat uns zurückgeschrieben, dass er offen und für jeden konstruktiven Vorschlag dankbar ist. Ich glaube, Elsevier will aus dieser Ecke des Blocks raus. Die Hochschulrektorenkonferenz - das weiß ich nicht, ob sie aus der Ecke des Blocks raus will oder ob sie ihre Verhandlungsposition durch die Verlängerung des Stillstands verbessern will. Es gibt keine Information, was die Hochschulrektorenkonferenz mit Elsevier plant. Aber ich denke, es ist notwendig, dass auch die Hochschulrektorenkonferenz sich bewegt. Und zwar möglichst weit und möglichst transparent in ihren Zielen bewegt.
Rektorenkonferenz und Elsevier - beide müssen sich bewegen
Krauter: Sie haben in diesem Appell geschrieben: Wichtig wäre es natürlich vor allem, den Gesprächsfaden wieder aufzugreifen und zielorientiert weiter zu verhandeln. Sie sagen, die Hochschulrektorenkonferenz müsste sich aus ihrer Sicht vielleicht auch etwas bewegen. Was erwarten Sie denn von denen?
Gies: Ich erwarte erstmal, dass die Verhandlungen aufgenommen werden. Es ist eigentlich ein Unding in unserer Gesellschaft, dass zwei Jahre lang Verhandlungen geführt werden, ohne dass man zu einem Kompromiss kommt. Gewerkschaften einigen sich mit den Arbeitgebern, Parteien einigen sich, das Grundlage unserer Gesellschaft. Bloß die Hochschulrektorenkonferenz einigt sich nicht mit Elsevier - seit zwei Jahren. Und das auf Kosten der Nachwuchswissenschaftler, die in vielen Institutionen heute nicht mehr den Zugang zu den aktuellen Elsevier-Artikeln haben.
Schlichtung als letztes Mittel für eine Einigung
Krauter: Wobei über Fernleihe kann man ja, nach dem was ich gehört habe, schon noch so ziemlich alles bekommen. Aber es ist eben mühsamer und nicht so einfach wie es vorher war?
Gies: Ja, aber sprechen Sie mal mit jemandem, der gerade seine Doktorarbeit macht. Welcher Zeitaufwand für Kontakte mit anderen Wissenschaftlern, für Fernleihe, für Formulare ausfüllen, für lauter Umständlichkeit gemacht werden muss., unter einem riesigen Zeitdruck, dass sie eine beschränkte Finanzierung für ihre Arbeit haben. Das ist ein Zustand, den kann man mal über Monate ertragen, aber den sollte man so schnell wie möglich beenden.
Krauter: Letztlich ist es ja ein Streit ums Geld. Was würde denn passieren, wenn da mittelfristig keine Einigung mit Elsevier gelingt?
Gies: Also Elsevier wird sicherlich nicht in die Knie gehen. Der deutsche Markt, das sind glaube ich sechs Prozent des gesamten internationalen Marktes. Zu glauben, man könnte durch einen deutschen Alleingang Elsevier in die Knie zwingen, ist glaube ich nicht realistisch. Ich glaube, man muss auf Elsevier zugehen. Elsevier muss auf die Rektorenkonferenz zugehen. Es muss verhandelt werden. Und wenn die Parteien unfähig, sind ein Ergebnis zu erreichen, muss geschlichtet werden. Dann müssen sie sich einen Dritten suchen, um aus dieser Ecke herauszukommen. Und das gilt für beide Seiten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.