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Debatte im Bundestag
Trisomie-Bluttests bald Kassenleistung?

Der Bundestag berät darüber, ob bestimmte Bluttests für Risikoschwangere eine Kassenleistung werden sollen. Die Tests bieten die höchste Treffsicherheit, wenn es darum geht, die Wahrscheinlichkeit für ein Down-Syndrom bei Ungeborenen zu berechnen. Mit der ethischen Grundsatzfrage tun sich die Politiker schwer.

Von Volker Finthammer | 11.04.2019
Die Kölner Aktivistin Natalie Dedreux (M.), die mit dem Down-Syndrom lebt, nahm in Berlin an der Demonstration gegen Gen-Tests für Schwangere teil.
Demonstration in Berlin gegen Gen-Tests für Schwangere, auch die Kölner Aktivistin Natalie Dedreux nahm teil. (picture-alliance / dpa /ZB / Britta Pedersen)
Es waren einige hundert Menschen, die gestern in Berlin vor dem Gesundheitsministerium und am Brandenburger Tor unter dem Motto unter "Inklusion statt Selektion" Stimmung gemacht haben gegen den Vorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn und der Koalition, künftig bestimmte Bluttests für Risikoschwangere zu einer Kassenleistung zu machen.
"Welchen Stellenwert haben Menschen mit Beeinträchtigungen in unserer Gesellschaft? Ist das möglich, dass eine Gesellschaft sich auf den Weg macht eine inklusive zu werden und gleichzeitig vorgeburtliches Aussortieren ausweitet? Und wer darf wie weit von der Normabweichen und geboren werden?"
So formuliert Heike Meyer-Rotsch vom Verein Down-Syndrom in Berlin eine der grundsätzlichen Fragen, die sich mit diesem Thema verbinden. In der Union wurde gleich zu Beginn der Woche entschieden, dass es für die Christdemokraten da keine Vorgabe in dieser Debatte geben wird und dass die Frage vorgeburtlicher Blutuntersuchungen, über die aktuell anstehende Entscheidung hinaus grundsätzlicher aufgearbeitet werden soll.
"Das ist wichtig für uns, um uns immer wieder mit neuen auch ethischen Fragen zu orientieren. Aber eine Verpflichtung nach dem Motto, das ist die Sprache in diesem Punkt der CDU und andere Meinungen sind nicht zugelassen, wäre aus meiner Sicht falsch", sagt CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak.
Schon heute finden Untersuchungen statt
So hat etwa auch die SPD-Fraktion für die heutige Debatte insgesamt acht Redner nominiert. Vier die gegen und vier die für die Anerkennung des Bluttests als Kassenleistung plädieren. Zu den Befürwortern gehört auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der auch von einem Missverständnis in der öffentlichen Wahrnehmung des Themas spricht:
"Wir wollen diesen Test nicht einführen für alle Schwangerschaften, sondern nur für Schwangerschaften die Hochrisiko-Schwangerschaften sind, wo typischerweise übrigens auch wenn ein Risiko vorliegt, die Fruchtwasseruntersuchung empfohlen und auch durchgeführt wird. Da heißt, es soll wirklich begrenzt sein auf diejenigen, die den Test medizinisch brauchen und hier geht es nicht um ein Massenscreening auf Down-Syndrom, das wünscht hier niemand, ich auf keinen Fall."
Schon heute finden diese Untersuchungen statt. Jede schwangere Frau über 35, wird mit der Frage konfrontiert, ob man nicht die Nackenfalte des ungeborenen Babys vermessen, oder bei möglichen Indizien für das Down-Syndrom noch besser eine Fruchtwasseruntersuchung machen sollte. Doch diese ist tatsächlich nicht sehr aussagekräftig und birgt für Mutter und Kind neue Risiken bis hin zur Fehlgeburt. In dieser eng begrenzten Frage sei der neue Test auch ein Fortschritt, betont auch der AfD-Gesundheitspolitiker Axel Gehrke:
"Dieser Trisomie 21-Test ist ja nur ein neuer Test, der letztendlich eine Untersuchung, die wir schon seit den 1980er-Jahren machen, nämlich die Fruchtwasseranalyse, nur ersetzt. Sie ist wesentlich weniger Risiko behaftet. Und trotzdem wird sie von den Kassen nicht bezahlt bei Risikoschwangerschaften wohlgemerkt."
Weitere Gentests dürften folgen
In dieser engen Betrachtung könnte es möglicherweise eine Annäherung der beiden Lager und letztlich auch eine Finanzierung des Bluttests durch die Krankenkassen geben, zumal die Untersuchung bereits seit einigen Jahren medizinisch zugelassen ist.
Offen bleiben aber die darunterliegenden grundsätzlichen Fragen und die müssen nicht nur im Bundestag, sondern in der ganzen Gesellschaft diskutiert werden, betont Petra Sitte von der Linken.
"Wo ist denn die aktive inklusive Begleitung von Paaren, von Menschen, von Müttern und Vätern mit Kindern mit Behinderungen, damit die ihr Leben ohne weitere Erschwernisse wirklich meistern können?"
Außerdem ist allen Gesundheitsexperten klar, dass diese Debatte erst den Anfang markiert. In Zukunft werden absehbar noch viel mehr Gentests möglich sein, sagt Karl Lauterbach:
"Daher brauchen wir ein Gremium, das eingeführt werden muss, ähnlich wie ein Ethikrat, was sich nur mit diesen Tests beschäftigt und eine Empfehlung ausspricht auch auf der Grundlage der Abwägung ethischer und gesellschaftspolitischer und auch sozialer Aspekte, ob etwas erstattet, eingeführt, oder verboten werden soll."