Fotograf: "Machen sie mal die Hände so, ein bisschen entspannter, das geht doch alles. Freuen sie sich denn auf das Amt? Oder die Berufung?"
"Ja, auf jeden Fall."
"Danke!"
Der Mann vor der Kamera fühlt sich sichtlich unwohl. So viel Aufmerksamkeit ist Frank Michelchen nicht gewohnt. Frank Michelchen ist Landwirt im Spreewald. Dort betreibt er einen Biohof mit 46 Mutterkühen. Doch heute wird der Presse in seiner neuen Nebentätigkeit vorgestellt: Als "Wolfsbeauftragter" des Bauernbunds.
"Als allererstes stehe ich für meine Berufskollegen zur Verfügung, für alle Fragen, die rund um das Thema Wolf anliegen. Vorrangig Herdenschutz und Entschädigung bei Rissen. Und genauso aber auch für alle Privattierhalter, die noch gar nicht informiert sind über diese Probleme; den der seine zwei Schafe als Rasenmäher hat oder sein Freizeitpferd hinten im Garten. All diese Leute müssen vernünftig informiert werden."
Die drei Landwirte, die zur Pressekonferenz nach Lennewitz in Brandenburg geladen haben, sind sauer. Sie alle haben Mutterkühe mit Kälbern auf der Weide. Diese Weidehaltung sehen sie zukünftig gefährdet. Denn: Der Wolf ist da. Und er reißt inzwischen bedrohlich viele Tiere, erklärt Frank Michelchen.
"Wir sind jetzt, mit Stand 4. November 2016 in Brandenburg bei 142 Schafen, einer Ziege, zwölf Stück Dammwild und 19 Rindern, die offizielle schon in der Statistik stehen."
Die Zahl der vom Wolf getöteten Tiere habe sich von drei Rindern im vergangenen Jahr auf 19 Rinder in diesem Jahr erhöht, erklären die Bauern. Das sei wirtschaftlich nicht mehr tragbar. Die bisherigen Entschädigungszahlungen der Landesregierung entsprächen zum einen nicht dem tatsächlichen Wert der Tiere. Zum anderen wird nur entschädig, wenn der Riss tatsächlich nachweislich von einem Wolf ist. Dafür muss ein staatlicher Gutachter bis zu 24 Stunden nach der Tötung vor Ort sein. Dieser Aufwand sei viel zu hoch und so würden viele Risse gar nicht gemeldet. Deswegen sei die Zahl der Risse auch falsch, die die Landesregierung offiziell angibt. Die Dunkelziffer der getöteten Tier liege weit höher, polterten die Landwirte.
"Er wird auch die Menschen anfallen"
Das Problem sehen die Landwirte in der ungehinderten Verbreitung der Wölfe, die in Brandenburg wie in ganz Deutschland geschützt sind und deshalb nicht gejagt werden dürfen.
Mirco Hintze: "Die offizielle Zahle ist bei 30 Rudeln im ganzen Land Brandenburg. Wir schätzen - wir wissen es nicht, aber wir schätzten -, dass diese 30 Rudel, die für das Land Brandenburg prognostiziert sind, schon in Potsdam-Mittelmark ansässig sind."
Mirco Hintze, Vorstandsmitglied im Bauernbund, misstraut dem Monitoring der Landesregierung. Die Landwirte glauben, dass sich der Wolf viel schneller ausbreitet, als das die Landesregierung eingesteht. Darin sehen die Bauern langfristig eine große Gefahr für Tier und Mensch.
"Der Zweibeiner ist in der Nahrungskette mit enthalten und das sind die Menschen und er wird in 30 Jahren, vielleicht auch schon früher, auch die Menschen anfallen, weil er keine andere Chance mehr hat, weil er die Scheu verliert."
Die 430 Mitglieder des Bauernverbands haben klare Forderungen an die Landesregierung, erklärt Reinhard Jung, Geschäftsführer des Bauernbundes:
"Die konkreten Forderungen sind: Wir wollen unbürokratische, unkomplizierte Entschädigung für Risse und wir wollen aktiven Herdenschutz. Das ist das Entscheidende, das wir unsere Tiere verteidigen dürfen über eine Wolfsverordnung, die uns erlaubt, Wölfen, die sich auf 1.000 Metern menschlichen Siedlungen und Nutztieren auf der Weide nähern, dass die durch den Jäger problemlos entnommen werden dürfen."
Für die Landwirte bedeutet "entnehmen" in diesem Falle nur eins: Abschießen. Immerhin: die Landwirte wehren sich gegen den Vorwurf der Journalisten, selbst zu schießen.
"Wir dürfen keine Waffen haben. Und wir sind auch keine Fans von Donald Trump, die jetzt sagen, jeder Deutsche muss Waffen haben. Wir finden, dass die Gesetzte schon von der Sache her in Ordnung sind, dass Waffen bei denen bleiben, die auch damit umgehen können. Das sind in diesem Land nun mal die Jäger. Und dann wollen wir die bloß in die Lage versetzten - auch zum Schutz von Mensch und Weidetier auch in den Zonen, wo es gefährlich wird und wir haben genug Fälle in Brandenburg, die jenseits von 1.000 Metern liegen -, wollen wir in die Lage versetzten, ohne das sie Angst haben müssen, etwas Ungesetzliches zu tun, unsere Weiden und unsere Dörfer zu verteidigen."
Das Abschießen von Wölfen ist bisher verboten, da der Wolf in Brandenburg unter Naturschutz steht. Auch für viele Jäger ist der Wolf ein Problem. Das Wild hat Angst vor dem Wolf, es verändert sein Verhalten und wird flüchtig. Offiziell allerdings hält sich der Landesjagdverband Brandenburg mit Vorschläge oder Forderungen nach einem gezielten Schussverbot zurück, erklärt der Wolfsbeauftragte Roland Franck.
"Der Wolf ist ein interessantes Tier. Die Mehrzahl der Jäger sieht dieser rasanten Ausbreitung auch kritisch entgegen. Wir sind aber nicht grundsätzlich dafür, dass hier jetzt Wolfsjagden veranstalten werden."
45.000 Euro für Weidezäune
Zurück auf der Weide. Hier stehen die Kühe mit ihren Kälbern. Die Bauern argumentieren, bei zu hohen Verlusten durch Wolfsrisse müssen die Tiere von der Weide genommen werden. Damit sei eine artgerechte Haltung nicht mehr möglich. Die logische Folge sei, so die Bauern: Ihre Höfe gingen Pleite.
Die Landesregierung dagegen schlägt zum passiven Herdschutz unter anderem höhere Zäume vor. Für Frank Michelchen bedeutet das, 800 Holzpfähle zu ersetzten.
"Jetzt zwingt uns die Landesregierung, den Wolf aus den Weiden zu halten, das bedeutet, fünf Drähte mit Strom. Das kostet bei meinen Weiden 45.000 Euro - und das kann ich mit meinen Betrieb nicht erwirtschaften, das ist unmöglich."
Die Landwirte des Bauernbundes fordern von dem Brandenburger Umweltminister Jörg Vogelsänger eine Wolfsverordnung, die sich an die wachsende Population der Wölfe anpasst. Sie hoffen, in den 2017 auslaufenden Wolfsmanagementplan ihr wichtiges Argument einbauen zu können. Das ist der gezielte Abschuss von Wölfen, die sich ihren Weiden im Umkreise von 1.000 Metern nähern.
Frank Michelchen: "Im Moment, wie gesagt, die Zahlen sagen es ja, ist es noch überschaubar. Wir haben jedes Jahr Zunahmen von bestimmt 30 Prozent an Wölfen. Und das potenziert sich jetzt natürlich von Jahr zu Jahr. Und wir wissen, dass unsere Politik natürlich auch einen gewissen Vorlauf braucht, um Entscheidungen zu treffen. Und wenn wir nichts unternehmen, wird es diese Art der Rinderhaltung in einigen Jahren nicht mehr geben. Sie werden kein Rind und kein Schaf mehr draußen auf der Weide sehen."